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Echoortung

Biologie.- Die einen sind ziemlich groß und schwimmen, die anderen sind ziemlich klein und fliegen. Allzu eng verwandt sind Zahnwale und Fledermäuse offensichtlich nicht miteinander. Sich orientieren und Beute aufspüren, das machen beide aber auf ganz ähnliche Weise: per Echoortung.

Von Michael Gessat | 26.01.2010
    Um einen Stammbaum des Lebens zu entwerfen; um herauszufinden, wie sich die Arten im Laufe der Jahrmillionen entwickelt haben, dafür gab es früher nur eine Möglichkeit: Den Blick auf die Anatomie. Mittlerweile können die Biologen viel genauer hinschauen, bis auf die molekulare Ebene des Erbguts, der DNA. Ob aber beim Vergleich von Knochen oder beim Vergleich von Genvarianten, von Mutationen - die prinzipielle Methodik ist im Grunde dieselbe, erklärt Jianzhi Zhang von der University of Michigan in Ann Arbor:

    "Sie nehmen DNA-Sequenzen und gruppieren die nach Ähnlichkeit in einer Baumstruktur. Die sehr ähnlichen dicht beieinander, die nicht so ähnlichen weiter voneinander entfernt. Und dann können Sie aus dem Ähnlichkeits-Baum ableiten, welche Veränderung, welche Mutation zuerst auftrat und welche später. Wenn sich zum Beispiel eine bestimmte Genvariante bei Mensch und Schimpanse findet, aber bei sonst keiner anderen Art, dann ist die Mutation sehr wahrscheinlich bei einem gemeinsamen Vorfahren von Mensch und Schimpanse passiert."

    Mit einer solchen vergleichenden Analyse auf molekularer Ebene hatten andere Forscher einige Jahre zuvor das Erbgut von verschiedenen Fledermausarten untersucht. Die Biologen konzentrierten sich dabei besonders auf Varianten bei einem Gen namens Prestin. Dieses Gen steuert ein Protein, das in den Haarzellen des Innenohrs von Säugetieren bei der Verstärkung von bestimmten Schallfrequenzen eine wichtige Rolle spielt. Bei der damaligen Studie gab es ein überraschendes Ergebnis, berichtet Stephen Rossiter von der Queen Mary University in London:

    "Die Ultraschall-Echoortung hat sich anscheinend bei Fledermäusen gleich zweimal entwickelt. Eine Gruppe von Fledermausarten mit Echoortung ist nämlich mit fruchtfressenden Fledermäusen ohne Echoortung evolutionsgeschichtlich enger verwandt als mit einer anderen Gruppe, die auch per Schall navigiert. Betrachtet man allerdings nur das Gen Prestin, dann landen alle Arten mit Echoortung in dem Ähnlichkeits-Baum ganz nahe beieinander."

    In zwei neuen Studien weiteten die Biologen nun die Untersuchungen auf zusätzliche Arten aus: Die sozusagen unverdächtigen Kandidaten Schwein, Katze, Hund, Kuh und Maus waren dabei, vor allem aber auch Vertreter der anderen Säugetiergruppe, die ebenfalls per Echoortung navigiert: Zahnwale und Delphine. Und wiederum: Schaute man nur auf das Gen Prestin, so schienen die echoortenden Wale näher verwandt mit den echoortenden Fledermäusen zu sein als mit ihren tatsächlichen evolutionären Nachbarn. Das Gen hat sich offenbar zweimal unabhängig voneinander in nahezu identischer Mutationsfolge verändert. Jianzhi Zhang führt das auf die ähnliche evolutionäre Problemstellung zurück:

    "Es ist möglich, dass es zur Verstärkung von hochfrequentem Schall eine besondere Eigenschaft des Prestin-Proteins braucht. Und es ist möglich, dass es dabei gar nicht so viele funktionierende Varianten gibt. Und daher haben sich sowohl bei den Zahnwalen als auch bei den Fledermäusen die sehr ähnlichen Prestin-Sequenzen entwickelt."

    Bei der weiteren Schlussfolgerung sind sich die Forscher übrigens nicht völlig einig: Jianzhi Zhang hält das Phänomen einer unabhängigen, aber nahezu identisch verlaufenden Evolution auf DNA-Ebene für sehr selten, Stephen Rossiter vermutet, dass es so etwas öfter geben könnte als bislang gedacht. Herausbekommen könnten das die Biologen mit einer Art Rasterfahndung durch das Erbgut von Tierarten, deren Genom bereits komplett entschlüsselt ist:

    "Es wäre zum Beispiel interessant herauszufinden, ob das Merkmal 'Haarlosigkeit' beim Delphin und beim Flusspferd unabhängig voneinander entstand oder ob es auf einen gemeinsamen entwicklungsgeschichtlichen Vorgänger zurückgeht. Mit all dem neuen Datenmaterial, das jetzt verfügbar wird, bekommen wir erstmals die Möglichkeit, solche Fragen zu klären."