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Echtzeitdiagnose am virtuellen Krankenbett

Medizin. – Dröge Fragekataloge und Interviews prägen bislang die Prüfungen angehender Mediziner. Dass das aber auch anders und weitaus Praxis orientierter gehen kann, will die Universität Witten-Herdecke mit einem hierzulande einzigartigen Vorhaben demonstrieren. Dort wurden die Prüflinge jetzt erstmals mit einem virtuellen Patienten während eines Staatsexamens konfrontiert.

    Die so genannte "Objective Structured Clinical Examination" (OSCE) bringt immer öfter angehende Mediziner bei Prüfungen ins Schwitzen: Ein kleiner Zettel an einer Tür resümiert dabei beispielsweise kurz, welche Symptome ein – dargestellter - Patient in dem Raum dahinter aufweist. Fünf Minuten Zeit bekommt der junge Medikus jetzt, um anhand von Fragen und Untersuchungen die Ursache und die ersten Gegenmaßnahmen zu ermitteln. Diese Art der Prüfung wird jetzt auch an der Privatuniversität Witten-Herdecke durchgeführt und möchte so vor allem die praktischen Erfahrungen der Studenten fördern. "Der Ablauf der Prüfungen ist als Stationensystem gedacht, in dem in verschiedenen Räumen unterschiedliche Aufgaben auf die Studenten warten. Die Gutachter bewertet dabei die Ergebnisse anhand von Checklisten", berichtet Brigitte Strahwald, Leiterin von des Projektes "medicmed". Dabei werden Computerlösungen im Rahmen des OSCE entwickelt.

    Insgesamt müssen die Prüflinge 14 verschiedene Stationen absolvieren und treffen dabei auf menschliche "Simulanten", die ihre "Krankheit" auf möglichst glaubhafte Weise darstellen. Doch die Schauspielkunst hat ihre Grenzen, weiß Strahwald: "Ich weder ein krankhaftes Herzgeräusch spielen, noch eine Lungenentzündung akustisch wiedergeben. Hier bestehen Chancen für PCs, das darzustellen und in einem standardisierten Verfahren abzuprüfen." So wurden bereits drei der Stationen während des letzten Staatsexamens durch PC-Simulationen realisiert. Mit Maus und Multimedia, statt mit Stethoskop und Spatel, untersuchten die Studenten ihre Patienten und erstellten ihre Diagnosen am Bildschirm. Mit einer speziellen Lernsoftware, die ebenfalls von medicmed entwickelt wurde, können sich die Mediziner auf ihre Echtzeitprüfungen vorbereiten. Der Vorteil dabei: Auch seltene Symptome, wie etwa spezielle Herzgeräusche, die Studenten kaum zu Gehör bekommen, können so sicher präsentiert werden.

    Die Programmierung ist besonders Anwender freundlich ausgerichtet, um zu verhindern, dass geübte PC-Nutzer in der Prüfungen Vorteile erhalten. "Ich hatte keine so große Erfahrung mit PCs und bin auch daran gewöhnt, direkt mit Menschen umzugehen und sie zu untersuchen. Aber weil die PC-Stationen sehr eindeutig ausgelegt waren und keine Fallen enthielten, fand ich das gut gelöst", schildert Anne Ritter, die das computergestützte Examen absolvierte. Die realitätsnahe Prüfung wird zwar in vollem Umfang staatlich anerkannt, dennoch ist die Umsetzung auf andere Universitäten wahrscheinlich fraglich, denn der organisatorische Aufwand für OSCE-Prüfungen ist erheblich größer als bei den bislang üblichen Verfahren mit Interviews und Ankreuzbögen.

    [Quelle: Christine Westerhaus]