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Ecuadors Präsident lässt Gnade walten

Das Urteil löste weltweiten Protest aus: Ecuadors oberster Gerichtshof verurteilte eine Oppositionszeitung wegen unliebsamer Berichterstattung zu drakonischen Strafen. Nun rudert Präsident Rafael Correa zurück und lässt Gnade walten.

Von Victoria Eglau | 03.03.2012
    "Ich habe beschlossen, etwas zu tun, was schon seit einer Weile in meinem Herzen war – nämlich, den Angeklagten zu vergeben. Und ihnen den Erlass ihrer verdienten Strafen zu gewähren."

    Mit großer Geste und vor laufenden Fernsehkameras verkündete Ecuadors Präsident Rafael Correa Anfang der Woche im Regierungspalast seine überraschende Entscheidung: die Justiz soll die drakonischen Geld- und Haftstrafen gegen die Oppositionszeitung "El Universo", ihre Besitzer und einen Kolumnisten wieder aufheben. Auch den beiden Journalisten, die Correa und seinem Bruder in einem Buch Korruption vorgeworfen hatten, vergab der linkspopulistische Präsident. Sie hätten 1,5 Millionen Euro zahlen sollen.

    Es sei die internationale Solidarität mit Ecuadors Presse gewesen, die Correa zu seiner Kehrtwende bewogen habe, erklärte Emilio Palacio, ehemaliger Mitarbeiter von "El Universo", in den USA. Dorthin war er geflüchtet, um seiner dreijährigen Haftstrafe zu entgehen. Aus Zorn über einen Meinungsartikel von Palacio hatte der Präsident gegen ihn und die drei Besitzer des Blatts wegen Verleumdung geklagt. Der Journalist hatte Correa unter anderem als Diktator bezeichnet und ihm Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen.

    Der Präsident hat eine Schlacht verloren, aber nicht den Krieg. Den will er fortsetzen, urteilte Emilio Palacio nach Correas Auftritt in dieser Woche. Auch der Experte für Pressefreiheit in Lateinamerika, Fernando Ruiz von der Universidad Austral in Buenos Aires, glaubt, dass Correas Feldzug gegen die Medien nicht vorbei ist.

    "Ecuadors Präsident hat den Journalisten vergeben, aber keinen eigenen Fehler eingeräumt. Er hat sich verhalten wie eine Art Monarch oder Vater, der seinem unartigen Kind verzeiht. Das heißt, Correa könnte jederzeit wieder gegen Journalisten klagen."

    Der argentinische Medienwissenschaftler fürchtet, dass das Urteil gegen "El Universo", obwohl es nun aufgehoben wird, eine einschüchternde Wirkung entfalten könnte.

    "Der Effekt der Einschüchterung ist da. Und zwar nicht nur in Ecuador, sondern auch in anderen Ländern Lateinamerikas, insbesondere jenen, deren Regierungen einen ähnlichen politischen Diskurs haben wie Correa. Etwa Venezuela, Nicaragua, Bolivien und in einem gewissen Grad Argentinien. Die Presse dort könnte ihre Meinungsfreiheit selbst beschränken – aus Angst, dass ihre Regierungen dem Beispiel Correas folgen."

    In seiner Rede warf Rafael Correa einem Teil der ecuadorianischen Medien vor, als politische Akteure gegen progressive Regierungen Krieg zu führen. Der Präsident habe das Konzept der Meinungsfreiheit nicht verstanden, meint Medienwissenschaftler Fernando Ruiz:

    "Correa betrachtet die Medien als vierte Gewalt, die ohne demokratische Legitimierung die gewählten Staatsgewalten attackiert. Aber er versteht nicht, dass es eine legitime Funktion der Medien ist, Meinungen auszudrücken."

    Die Organisation Reporter ohne Grenzen äußerte in einer Stellungnahme die Hoffnung, dass sich nach Correas Gnadenspruch das Klima der Polemik und Polarisierung zwischen Ecuadors Regierung und Presse beruhigen werde. Sie ermahnte auch die Medien, genauer zu prüfen, was sie veröffentlichten. Das Wort "Diktator" könne man nicht leichthin verwenden. Experte Fernando Ruiz weist ebenfalls auf Mängel in der Berichterstattung hin – nicht nur in Ecuador.

    "Politische Leidenschaft ist Teil der Meinungsfreiheit. Aber politische Leidenschaft darf nicht dazu führen, dass Journalisten unprofessionell arbeiten. Das Ziel, dem politischen Gegner zu schaden, führt in vielen Medien Lateinamerikas dazu, dass professioneller Journalismus auf der Strecke bleibt."