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Edathy-Affäre
Krisensitzung der Koalitionsspitze

Der Umgang mit der Affäre Edathy hat eine schwere Vertrauenskrise in der Großen Koalition ausgelöst. Kanzlerin Angela Merkel (CDU), SPD-Chef Sigmar Gabriel und der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer haben sich im Kanzleramt getroffen, um über die Vorfälle zu reden.

18.02.2014
    Die drei Parteichefs Angela Merkel, Sigmar Gabriel und Horst Seehofer
    Die drei Parteichefs Angela Merkel, Sigmar Gabriel und Horst Seehofer (afp / John MacDougall)
    Über den Inhalt des Gesprächs wollten die drei Spitzenpolitiker am Abend keine Auskunft mehr geben, hieß es in Regierungskreisen. Zunächst trafen sich Merkel und Seehofer allein. Gabriel kam etwa eine halbe Stunde danach dazu.
    Sicher ist: Die Union verlangt Antworten auf zahlreiche offene Fragen. Ein ursprünglich geplantes Treffen des Koalitionsausschusses in größerer Runde war wegen der Spannungen zwischen Union und SPD abgesagt worden. Bundeskanzlerin Angela Merkel geht davon aus, dass die Große Koalition ihren Streit um die Affäre Edathy beilegen kann. Sie sei optimistisch - allerdings sei weitere Aufklärung nötig, sagte Merkel in Berlin.
    In die Kritik geraten ist vor allem SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann. Er hatte vergangene Woche öffentlich gemacht, dass der damalige Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) Gabriel im Herbst darüber informiert hatte, dass Sebastian Edathys Name bei Ermittlungen im Ausland aufgetaucht sei. Friedrich war daraufhin am Freitag als Bundesagrarminister zurückgetreten.
    Suche nach Edathys Laptop
    Porträt des damaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy
    SPD-Politiker Sebastian Edathy meldete seinen Bundestags-Laptop als gestohlen (dpa / picture-alliance / Rainer Jensen)
    Ein neues Detail sorgt derweil für Verwirrung in der Affäre: Edathys Dienst-Laptop könnte wichtige Beweise enthalten, doch das Gerät wurde als gestohlen gemeldet - mehrere Tage nachdem Edathy sein Mandat niedergelegt und die Staatsanwaltschaft Hannover seine Wohn- und Büroräume durchsucht hatte. Das bestätigte Parlamentssprecher Ernst Hebeker am Montagabend. Die Ermittler in Hannover erfuhren von der Meldung, die auf den 11. Februar datiert ist und am 12. Februar bei der Bundestagsverwaltung einging, tagelang nichts. "Das war uns bisher nicht bekannt", sagte Sprecherin Kathrin Söfker dem "Stern", der die Meldung veröffentlichte. Man nehme das mit Verwunderung auf. Am 10. Februar waren die Privat- und Büroräume Edathys durchsucht worden. Nun wird nach dem Rechner gesucht.
    Die Staatsanwaltschaft Hannover hatte es allerdings offenbar versäumt, rechtzeitig mögliche Beweismittel in Edathys Bundestagsbüro zu sichern. Angaben der Ermittler, wonach am 11. Februar eine Sicherung der IT-Daten Edathys sowie eine Versiegelung von Edathys Abgeordnetenbüros erfolgt sei, waren vom Bundestag dementiert worden. Die Hängepartie um die Affäre Edathy kritisierte auch der frühere Innenminister Gerhart Baum im Deutschlandfunk. In den beiden Verfahren gegen Edathy und Friedrich müssten jetzt "schnelle Entscheidungen getroffen werden, darauf haben wir einen Anspruch".
    Friedrich verteidigt sich
    Friedrich ist sich weiterhin keiner Schuld bewusst. "Es war meine Pflicht, das zu machen - ich kann das gar nicht verstehen, wie man das anders sehen soll. Es sei denn, man ist Winkeladvokat oder Rechtspositivist", sagte Friedrich im ZDF-"Morgenmagazin". Er habe Gabriel auch extra darauf hingewiesen, dass es "keinen Strafbarkeitsvorwurf" gegen Edathy gebe, aber eben "kompromittierende" Informationen. Deswegen prüfen die Staatsanwälte, ob sie Ermittlungen gegen Friedrich einleiten; ihm wird nun Geheimnisverrat vorgeworfen. Geklärt werden soll zunächst, ob die Strafverfolgungsbehörde in Hannover oder in Berlin zuständig ist.
    Hans-Peter Friedrich (CSU) bei seinem Rücktritt als Landwirtschaftsminister
    Hans-Peter Friedrich (CSU) bei seinem Rücktritt als Landwirtschaftsminister (dpa / picture-alliance / Tim Brakemeier)
    Friedrich sagte, er habe kurz vor der Regierungsbildung das Ansehen Deutschlands wahren wollen. Wenn dies ein Gesetz verbiete, gehöre es abgeschafft: "Ich lasse mir von niemandem dafür Vorwürfe machen." Für ihn stelle sich vor allem die Frage: "Wieso bist du eigentlich derjenige, der zurücktreten muss, wo du nur deine Pflicht gemacht hast?" Auf einen Vorwurf an den in der Union derzeit heftig angefeindeten SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann verzichtete Friedrich. "Ich halte mich aus der ganzen Sache jetzt raus."
    Oppermann löste Affäre mit Veröffentlichung aus
    Der stellvertretende Vorsitzende der SPD, Ralf Stegner, verteidigte Oppermanns Vorgehen im Deutschlandfunk. Der Fraktionschef habe "keine Alternative gehabt", so Stegner. Friedrich, dem Geheimnisverrat vorgeworfen wurde, trat daraufhin am Freitag von seinem neuen Amt als Landwirtschaftsminister zurück.
    Der CSU-Politiker hat nun wieder ein herausgehobenes Amt. Die CDU/CSU-Bundestagsfaktion stimmte Friedrichs Ernennung zum stellvertretenden Vorsitzenden zu. Er wird für die Europapolitik zuständig sein. Des weiteren prügt die Staatsanwaltschaft Berlin den Anfangsverdacht eines Verrats von Dienstgeheimnissen durch Friedrich. Dies gaben die Generalstaatsanwaltschaften von Berlin und Celle am Dienstag in einer gemeinsamen Erklärung bekannt.