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Koalitionsstreit
"Vertrauen kann wieder aufgebaut werden"

Vertrauensverlust in der Großen Koalition und Rücktrittsforderungen an SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann, der Fall Edathy sorgt weiter für Wirbel. Es sei wichtig, keine voreiligen Schlüsse ziehen, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Deutschlandfunk. Er halte nichts davon, "ständig dem einen und den anderen einen Rücktritt nahezulegen".

Max Straubinger im Gespräch mit Silvia Engels | 17.02.2014
    Max Straubinger, Parlamentarischer Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe
    Max Straubinger, Parlamentarischer Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe (dpa / picture-alliance / Bundestagsbüro)
    Silvia Engels: Ein Rücktritt, aber keine Ruhe – das ist der Stand bei der Regierungskrise in Berlin. Es geht um die Frage, wer rund um den Verdacht gegen den Politiker Edathy wem wann was gesagt hat. Aber eigentlich geht es um verlorenes Vertrauen zwischen Union und SPD. Wie können die Koalitionäre nun weitermachen?
    Am Telefon ist nun Max Straubinger. Er ist Parlamentarischer Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag. Guten Morgen, Herr Straubinger.
    Max Straubinger: Guten Morgen!
    Engels: Bringen wir es doch direkt auf den Punkt. Soll Fraktionschef Oppermann von der SPD zurücktreten?
    Straubinger: Das muss letztendlich die SPD selbst entscheiden. Dass Vertrauen verloren gegangen ist, das liegt auf der Hand. Aber es geht auch insgesamt darum, den Blick in die Zukunft zu richten, und da ist es wichtig, dass die Große Koalition ihre politischen Vorhaben umsetzt.
    Engels: Das heißt nicht unbedingt den Kopf Oppermanns, den Sie fordern. Muss denn jemand anders zurücktreten?
    Straubinger: Ich glaube, dass wir uns in der Politik nichts Gutes tun, ständig dem einen und den anderen einen Rücktritt nahezulegen. Ich bin dafür, dass die Vorgänge zuerst aufgeklärt werden, und zwar in der Gesamtheit, aber vor allen Dingen, dass auch dann zuerst Gespräche geführt werden und dann erst Urteile gefällt werden.
    Engels: Nun ist es ja so, dass Thomas Oppermann sich gestern geäußert hat. Er habe seine Erklärung vorher mit Minister Friedrich abgestimmt. Außerdem hat er gesagt, dass er habe reagieren müssen, weil Presseanfragen vorgelegen haben. Was ist denn dann noch aufzuklären?
    Straubinger: Die Frage ist natürlich, warum hat Oppermann den BKA-Präsidenten angerufen. Das ist sicherlich ein sehr interessanter Aspekt. Das muss geklärt werden und darüber hinaus dann auch die Vorgänge, die sich seit Oktober insgesamt in der SPD abgespielt haben. Wer wusste von den ganzen Vorgängen? Es ist ja schon auch bemerkenswert, dass ja auch der niedersächsische Minister hier eingeschaltet war und ebenfalls von den Vorgängen wusste, und hier gilt es nachzuforschen, wer hat möglicherweise Edathy informiert.
    Engels: Warum gehen Sie jetzt auf diesen Innenminister los und Herr Scheuer auf Herrn Oppermann, aber niemand auf Herrn Gabriel? Der SPD-Chef war es ja immerhin, der die Information erhielt und der sie nicht für sich behielt.
    Straubinger: Er hat es seinen engsten Vertrauten mitgeteilt. Das ist ein ungewöhnlicher Vorgang, denn es hätte gereicht, wenn der SPD-Parteivorsitzende das für sich eingenommen hätte. Allerdings ist die Frage des niedersächsischen Innenministers durchaus zu klären und es ist schon sehr interessant gewesen, dass zuerst zwei Landesinnenminister der SPD den Rücktritt von Bundesminister Friedrich gefordert haben.
    "Vertraulichkeit mit Geschwätzigkeit missbraucht"
    Engels: Offenbar – und damit sind wir bei Hans-Peter Friedrich – hat er sich ja vor der Information an Gabriel nicht mit Juristen beraten, ob er das überhaupt tun darf. Muss er auch hier eigene Fehler einräumen?
    Straubinger: Im Nachhinein könnte man immer feststellen, dass man unter Umständen anders handeln hätte sollen. Aber unter Politikern ist man auch gewöhnt, auf Vertraulichkeit zu setzen, und diese Vertraulichkeit, die wurde sicherlich mit Geschwätzigkeit missbraucht.
    Engels: Hans-Peter Friedrich hat gegenüber der "Bild am Sonntag" gestern beklagt – ich zitiere: "Mangelnde Unterstützung war überall." Und im ZDF sagte er gestern:
    O-Ton Hans-Peter Friedrich: "Ich hatte doch das Gefühl, dass eine klare Erwartung sowohl des CSU-Vorsitzenden wie auch der Bundeskanzlerin mir gegenüber bestand, dass ich zurücktrete."
    Engels: Haben CSU-Chef Seehofer und die Bundeskanzlerin Friedrich zu früh fallen lassen?
    Straubinger: Das kann ich nicht beurteilen. Aber die Umstände waren ja, dass möglicherweise ein Strafverfahren gegen den Bundesminister anstehen könnte, und dies ist immer eine schwerwiegende Belastung, ein so hochgestelltes Amt ausfüllen zu können und ausüben zu können, und deshalb war sicherlich der Rücktritt unumgänglich.
    Vertrauen wieder aufbauen
    Engels: Dann schauen wir voraus. Werden Sie den SPD-Kollegen im Bundestag künftig überhaupt noch irgendetwas Vertrauliches weitergeben?
    Straubinger: Vertrauen muss man aufbauen und auch wieder aufbauen können. Da bin ich sehr optimistisch, dass dies möglich ist. Letztendlich ist unsere Aufgabe als Politiker, die die Regierung stellen beziehungsweise unterstützen, die Probleme, die es in unserem Land gibt, zu lösen und darüber hinaus die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen so zu setzen, dass es viele Arbeitsplätze gibt und dass Deutschland an der Spitze in Europa bleibt.
    Engels: Das sind recht versöhnliche Töne von Ihnen. Warum ist das denn bei den Herren Dobrindt und Scheuer aus Ihrer Partei anders, die ja weiterhin Köpfe rollen sehen wollen bei der SPD?
    Straubinger: Ja gut, wir sind eine Volkspartei und jeder macht sich einen eigenen Reim daraus. Ich halte nichts davon, dass immer sehr schnell gehandelt wird, ohne alle Fakten, aber vor allen Dingen auch notwendige Gespräche geführt zu haben, daraus schon voreilig Schlüsse zu ziehen.
    Nachfolgefrage noch ungelöst
    Engels: Herr Straubinger, wer wird eigentlich neuer Agrarminister im Bund?
    Straubinger: Da müssen Sie unseren Parteivorsitzenden fragen. Ich bin überzeugt, dass er einen sehr geeigneten Vorschlag dem Präsidium unterbreiten wird und dann damit der gesamten Partei.
    Engels: Gestern hieß es ja aus Parteikreisen, es sei neben den Namen Müller, die schon länger gehandelt werden, und auch anderen, dass CSU-Landesgruppenchefin Hasselfeldt Agrarministerin werden könnte, und der gerade zurückgetretene Friedrich könne sich dann blitzschnell rehabilitieren und Landesgruppenchef der CSU werden. Ist da was dran?
    Straubinger: Ich glaube nicht, beziehungsweise ich bin überzeugt, dass die Landesgruppenvorsitzende Gerda Hasselfeldt auch weiterhin Landesgruppenvorsitzende sein wird. Sie steht in der Verantwortung für die CSU-Landesgruppe. Wir haben sie einstimmig zur Landesgruppenvorsitzenden gewählt und gerade in einer solchen Situation ist die ausgleichende Wirkung der Landesgruppenvorsitzenden der CSU in besonderer Weise hier gefragt und die brauchen wir an dieser Stelle.
    Engels: Sie haben ja selbst am Rande des kleinen Parteitages am Wochenende den bisherigen Staatssekretär Stefan Müller im Wissenschaftsministerium schon mal mit "Herr Minister" angesprochen. Wussten Sie da mehr als wir?
    Straubinger: Das war ein Jux unter Parteifreunden.
    Engels: Ein Jux unter Parteifreunden. Und halten Sie ihn denn für denjenigen, der es am besten könnte?
    Straubinger: Wir haben großartige junge und erfahrene Politiker in unseren Reihen und hier sind alle Namen, die genannt worden sind, gleichwertig zu behandeln und ich bin überzeugt, dass alle, die sozusagen in der Diskussion sind, eine großartige, auch unter den zukünftigen Herausforderungen bestehende Präsenz an den entsprechenden Ministerien sein werden.
    Engels: Max Straubinger war das. Er ist der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe. Herr Straubinger, vielen Dank für das Gespräch heute Morgen.
    Straubinger: Bitte schön! Ganz gern geschehen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.