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Edathy-Untersuchungsausschuss
Mauschelei auf politischer Ebene

Der Untersuchungsausschuss zur Edathy-Affäre habe zwar viele Fragen nicht klären können, allerdings sei klar geworden, dass die Spielregeln zwischen politischer Ebene und Bundeskriminalamt dringend reformiert werden müssten, sagte Frank Tempel von der Linkspartei im DLF. Die Möglichkeiten, einen Abgeordneten über anstehende Durchsuchungen zu informieren, müssten ausgeräumt werden.

Frank Tempel im Gespräch mit Gerd Breker | 02.07.2015
    Frank Tempel (Die Linke), Obmann im Edathy-Untersuchungsausschuss.
    Frank Tempel (Die Linke), Obmann im Edathy-Untersuchungsausschuss. (picture alliance / dpa / Maurizio Gambarini)
    Gerd Breker: Ein Jahr lang hat sich der Untersuchungsausschuss zur Edathy-Affäre durch ein Dickicht von Akten und Aussagen gekämpft. Mehrere wichtige Zeugen litten unter selektiver Amnesie. Es geht um Geheimnisverrat, konkret: Von wem und wie hat der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy erfahren, dass gegen ihn ermittelt wurde, so dass es ihm möglich war, Beweismaterial gegebenenfalls zu vernichten.
    Am Telefon sind wir nun verbunden mit Frank Tempel, Obmann der Partei Die Linke im Edathy-Untersuchungsausschuss. Guten Abend, Herr Tempel.
    Frank Tempel: Einen schönen guten Abend.
    Breker: Hat sich der Untersuchungsausschuss, haben sich ein Jahr Arbeit gelohnt?
    Tempel: Insofern, dass wir mehr wissen als vorher, hat er sich gelohnt, wobei das Ergebnis natürlich kein gutes ist.
    Breker: Was wissen wir denn heute, was vorher nicht bekannt war?
    Tempel: Es gab ja immer die Vermutung, Sebastian Edathy könnte eventuell durch die Information an die politische Ebene, die ja bekannt geworden ist durch eine Pressemitteilung von Thomas Oppermann, vorgewarnt worden sein, und das können wir heute eigentlich mit Bestimmtheit sagen. Wir können auch mit Bestimmtheit sagen, dass der Abgeordnete Michael Hartmann dieser Informant war, diese Informationsquelle war, auch wenn er das dementiert bis heute, im Untersuchungsausschuss nicht mehr aussagt. Aber seine Aussage, die er bis dahin gemacht hat, ist erheblich erschüttert worden. Viele Sachen sind heute Fakt, die er verschwiegen hat. Aktives Handeln, was er verschwiegen hat. Das wissen wir. Wir wissen auch, dass er Informationen hatte, die dem Informationsstand des Bundeskriminalamtes entsprechen. Aber viele andere Fragen konnten wir nicht abschließend klären, zum Beispiel: Woher aus dem Bundeskriminalamt hatte Michael Hartmann seine Informationen und inwieweit war tatsächlich eine Verknüpfung mit der Fraktionsspitze der SPD gegeben.
    Breker: War es aber nicht letztlich doch ein Abfragen bei den Politikern nach Gedächtnislücken?
    Tempel: Ja, das macht es sehr schwierig, und das ist auch der zweite Teil. Natürlich ist es gut, dass wir heute mehr wissen als vorher, aber für das Vertrauen in die Politik ist es natürlich erheblich bedenklich, dass Teile der Politik und gerade auch der SPD-Fraktion gar kein Interesse hatten, dass wirklich alles ans Tageslicht kommt. Das zieht sich bis heute hin. Wir haben ja definitiv die Aussage eines sehr glaubwürdigen Zeugen, dass bereits am 15. November 2013 Michael Hartmann ja berichtet hat, welche Informationsschiene der SPD-Fraktion über diesen Sachverhalt in Kenntnis gesetzt war. Das sind ganz wenige Leute und trotzdem gelingt es nicht zu klären, wie von diesen wenigen Leuten, Thomas Oppermann, Gabriel, Steinmeier, Ziercke, Friedrich, das waren sie auch schon alle, wie diese Information zu Michael Hartmann kommen konnte. Wir haben alle Beteiligten gefragt und entweder sind die Erinnerungslücken groß, oder jeder sagt, er war es nicht.
    "SPD hatte kein großes Interesse an Aufklärung"
    Breker: Und zwar tauchen die Erinnerungslücken immer dann auf, wenn es brenzlig wird.
    Tempel: Vor allen Dingen, wenn es die politische Ebene betrifft. Die Befragungen, wenn es um das Bundeskriminalamt ging, um die Justiz ging, dann waren die sehr akribisch, sehr genau von allen Fraktionen. Die Zeugen kamen auch mit Terminkalendern und allem angerückt, was irgendwie sachdienlich sein könnte. Da konnten wir auch vieles klären, auch mögliche Empfehlungen für die Zukunft vorbereiten. Die politische Ebene kommt und sagt, sie hat sich damit bisher nicht beschäftigt, weil dazu ist ja der Untersuchungsausschuss da. Selbst Thomas Oppermann heute, in der heutigen Befragung, zeigt nicht, dass die SPD seinerseits großes Interesse an Aufklärung hatte.
    Breker: Ist das die Bestätigung dafür, dass Untersuchungsausschüsse an sich wenig bis gar nichts bringen, Herr Tempel?
    Tempel: Ja. Wir wissen heute mit Sicherheit, es wurde in der politischen Ebene gemauschelt. Sebastian Edathy wurde vorgewarnt. Es war ein anderer Abgeordneter, der ihn vorgewarnt hatte, und wir wissen, es gibt eine Verbindung zum Bundeskriminalamt. Das hätten wir ohne Untersuchungsausschuss nicht gewusst. Das heißt auch, dass wir zum Beispiel Schlussfolgerungen daraus ziehen können. Darf zum Beispiel die politische Ebene gegenüber Ermittlungen gegen einen Abgeordneten informiert werden? Kann die politische Ebene damit umgehen? Und dann müssen wir heute sagen, offensichtlich kann sie das nicht, und es ist dringender Reparaturbedarf notwendig. Wir müssen einfach ändern, dass ein Bundeskriminalamtsdirektor die politische Ebene, ein Ministerium darüber in Kenntnis setzt. Ist diese Kenntnis nicht da, kann damit auch kein Missbrauch begangen werden.
    Breker: Also es muss neue Regeln geben?
    Tempel: Ja. Wir müssen klären, dass offensichtlich es sehr, sehr eingeschränkt werden muss zumindest, wann und inwieweit eine solche Information an das Innenministerium weitergegeben werden kann. Zum Beispiel, wenn direkt die Durchsuchungsmaßnahme bereits ansteht. Warum Monate vorher?
    Breker: Also ein Jahr Arbeit war nicht umsonst?
    Tempel: Nein. Es wird eine entsprechende Empfehlung geben und es wäre doch ein Riesenfortschritt: Wenn in diesem Fall tatsächlich diese Informationen, gegen Sebastian Edathy wird ermittelt, es sind Durchsuchungen möglich, tatsächlich am Tag der Durchsuchung, vielleicht zwei Stunden vorher beim Ministerium erst eintreffen, hätten wir diese Geschichte so nicht gehabt. Dann hätten wir nicht den Vorwurf gehabt, Sebastian Edathy wäre vorgewarnt worden. Und diese Änderung wollen wir.
    Breker: Die Einschätzung von Frank Tempel von der Linkspartei.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.