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"Edouard" am Radar-Haken

Meteorologie. - Vor der US-Küste hat die Hurrikan-Saison begonnen. Ihr zweiter Sturm, Edouard getauft, steht dabei unter besonderer Überwachung, denn US-Meteorologen erproben dabei ein hochgenaues Radar-Überwachungssystem.

Von Volker Mrasek |
    Auch Forscher verspüren schon mal Lampenfieber. Bei dem US-Meteorologen Michael Bell flammt es genau jetzt auf, da sich Edouard durch den Golf von Mexiko bewegt – ein gewaltiger Tropensturm:

    "Im Moment ist Edouard 265 Kilometer vor der Küste. Er kommt gerade in Reichweite unseres Radars. Die Vorhersage lautet, dass er weiter parallel zur Küste läuft und in der Gegend von Houston auf Land trifft."

    Das war der Stand zum Wochenbeginn. Mit jeder Stunde wird es für Michael Bell nun spannender. So genau wie Edouard ist noch kein Wirbelsturm im Anmarsch auf die USA observiert worden. Das Nationale Hurrikan-Zentrum wendet zum ersten Mal eine neue Radar-Technologie an. Mit ihr gelingt es, heranrauschende Monsterstürme praktisch lückenlos zu beschatten und jede Veränderung ihrer Stärke und Zugbahn zu registrieren. Edouard ist die große Bewährungsprobe für das neue System. Bell hat es mitentwickelt, am Nationalen Zentrum für Atmosphärenforschung in Boulder:

    "Der große Nutzen ist, dass das Radar permanent arbeitet und wir alle fünf, sechs Minuten frische Daten über den Wirbelsturm bekommen. Es gibt natürlich auch immer Messungen mit Flugzeugen direkt vor Ort, die sehr genau sind. Aber sie können einen Sturm nicht rund um die Uhr beproben und dauernd Messsonden abwerfen. Flugzeuge bieten daher keine so lückenlose Abdeckung wie das Radar."

    20 Wetterradar-Stationen stehen an der US-Ostküste, von Maine im Norden bis Texas im Süden. Sie sind nicht neu. Das Netzwerk besteht schon seit über zehn Jahren. Doch Michael Bell und seine Kollegen haben jetzt eine Methode gefunden, um mehr aus den Daten herauszuholen, die ein einzelnes Gerät liefert. Mathematisch gesprochen handelt es sich um einen neuen Algorithmus – einen Satz von Formeln, die es erlauben, zweierlei aus den Radarmessungen abzuleiten: die Geschwindigkeit, mit der ein Hurrikan rotiert, und seinen Kerndruck. Er ist ein Maß für die Stärke des Sturmes ...

    "Ein Radar kann eigentlich nur den Wind messen, der sich auf das Gerät zu oder von ihm weg bewegt, entlang des Radarstrahls. Aber nicht einen Luftwirbel, der sich meinetwegen um die Station herumbewegt. Normalerweise müsste man die Daten mehrerer Radar-Geräte kombinieren, damit man ein dreidimensionales Bild von einem Windfeld bekommt. Wir haben nun einen Algorithmus entwickelt, in den nicht nur die Windmessung des Radars einfließt, sondern auch allgemeine Kenngrößen der Rotation von Wirbelstürmen. Dadurch bekommen wir die benötigten Zusatzinformationen."

    Rund 250 Kilometer beträgt die Reichweite der Radarstationen an der US-Küste. Pünktlich zum Wochenbeginn hat Edouard diese Schwelle überschritten. Nun soll er bis zu seinem möglichen Landgang in Texas dauerhaft observiert werden. In den letzten Jahren haben Stürme über dem Golf von Mexiko mehrfach unglaublich schnell an Stärke gewonnen. Gerade mal 19 Stunden benötigte Humberto im vergangenen Jahr, um sich von einem harmlosen Tropen-Tief zu einem Hurrikan auszuwachsen. Ausgerechnet in den kritischen Stunden gab es keine aktuellen Messdaten. Das soll nicht mehr vorkommen, dank der neuen Radar-Technologie. Michael Bell:

    "Die Technologie erlaubt es uns, die Bevölkerung und den Katastrophenschutz zuverlässiger als bisher über die Stärke von Hurrikans zu informieren."