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EDV-Gerichtstag
Schwachstellen beim Anwaltspostfach

Das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) ist ein in Entwicklung befindliches E-Mail-Postfach für Rechtsanwälte. Dessen Zukunft war eines der Hauptthemen des EDV-Gerichtstages an der Universität Saarbrücken. Doch auch bei den Themen Netzwerkdurchsuchungsgesetz und Künstliche Intelligenz gab es Gesprächsbedarf.

Peter Welchering im Gespräch mit Manfred Kloiber | 22.09.2018
    Ein Schloss liegt auf einer Tastatur eines Computers
    Viele Rechtsanwälte fordern eine Ende-Zu-Ende-Verschlüsselung beim elektronischen Anwaltspostfach (Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dpa)
    "Der EDV-Gerichtstag ist stark darin, dass die Juristen mit den Informatikern reden und umgekehrt. Die Juristen müssen sagen: Wir hätten gern diese und jene Kontrollinstrumente. Und die Informatiker müssen sagen: Liebe Juristen, das geht und das geht nicht. Und so muss man im Dialog einfach Standards schaffen. Dazu sind wir da. Das ist der Kern des EDV-Gerichtstages."
    Manfred Kloiber: So fasst Professor Stephan Ory, der Vorsitzende des EDV-Gerichtstages, die wesentliche Aufgabe dieser Veranstaltung zusammen. Der EDV-Gerichtstag fand von Mittwoch bis Freitag dieser Woche an der Uni Saarbrücken statt und Peter Welchering hat teilgenommen. Peter, was waren die wesentlichen Themen?
    Peter Welchering: Natürlich die Zukunft des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs. Das hat die Republik ja seit Weihnachten ganz intensiv beschäftigt. Und Dr. Martin Abend, der Vizepräsident der Bundesrechtsanwaltskammer, ist auf dem EDV-Gerichtstag auch so ein bisschen als Standespolitiker aufgetreten, der die Botschaft im Gepäck hatte: Wir haben verstanden. Wobei nach der anschließenden langen Diskussion über das beA am Donnerstagnachmittag nicht wenige Teilnehmer am EDV-Gerichtstag zu der Überzeugung gelangten: Das war einfach nur taktisch-politisch vorgetragen. Die BRAK will erst mal Ruhe an der Front, aber um die eigentlichen noch immer bestehenden Probleme mit dem beA kümmern sie sich nicht so richtig. Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz war ein weiteres Thema. Nicht wenige Strafverfolger befanden nämlich, dass hier ein Gesetz beschlossen worden ist, demzufolge Beweismittel gelöscht werden. Ein Gesetz also, das Ermittlungen gerade behindert, statt sie zu fördern. Also etwas, was Strafverfolger gar nicht mögen. Diese Diskussion fand im Gesamtkontext über die Debatte über Hasskriminalität statt und wie ihr technisch und juristisch beizukommen ist. Und wie Künstliche Intelligenz der Justiz helfen kann, das wurde auch diskutiert. Und da sind die Juristen, was die Kontrolle von KI-Algorithmen angeht, erheblich weiter als die meisten Politiker, auch als die meisten Forschungspolitiker in diesem Lande.
    Manfred Kloiber: Also ein bunter Strauß an Themen, der da in Saarbrücken präsentiert wurde. Die wichtigsten Thesen und Diskussionspunkte, insbesondere zum besonderen elektronischen Anwaltspostfach, dem beA, haben wir knapp zusammengefasst.
    Ende-Zu-Ende-Verschlüsselung
    "Man war misstrauisch und hat gefragt, welche anderen Fehler haben die denn dann noch drin, wenn so schwerwiegende Böcke da geschossen sind. Und das hat deshalb beA abgeschaltet, deshalb sehr sorgfältig Analyse gemacht, begutachtet und die Dinge, die man verbessern könnte, die aber nicht wirklich Schwachstellen sind, die den Betrieb behindern, die werden auf der Strecke kommen. Der EDV-Gerichtstag wird auch genau darauf gucken, dass das passiert."
    Versicherte Stephan Ory, der Vorsitzende des EDV-Gerichtstages. Und er forderte zum einen auf, die noch bestehenden Schwachstellen beim elektronischen Anwaltspostfach rasch zu beseitigen, aber auch von Panikmache abzusehen, die es seiner Meinung nach gab. Das wurde von den anwesenden Juristen sehr unterschiedlich aufgenommen. Vor allen Rechtsanwälte, die nicht in großen Kanzleien arbeiten, fordern eine Ende-Zu-Ende-Verschlüsselung beim elektronischen Anwaltspostfach. Bislang wird eine Mail von Juristen vom sogenannten Hardware-Sicherheitsmodul im Rechenzentrum entschlüsselt und dann erneut verschlüsselt. Großkanzleien erleichtert das die Arbeitsorganisation vor allem bei der Verteilung eingehender Anwaltspost. Deshalb wurde auf dem EDV-Gerichtstag auch diskutiert, ob dieses Hardware-Sicherheitsmodul nicht einfach aus dem zentralen Rechenzentrum herausgenommen und auf die Endgeräte verlagert werden könnte. Dann erst wäre eine wirkliche Ende-Zu-Ende-Verschlüsselung möglich. Der Rechtsinformatiker Professor Christoph Sorge von der Universität Saarbrücken warnt aber davor, hier den zweiten vor dem ersten Schritt zu machen.
    "Technisch wäre das möglich. Aus meiner Sicht müsste es zur Diskussion kommen: Brauche ich das Hardware-Sicherheits-Modul wirklich? Ich glaube, die ist nämlich noch nicht in dem Ausmaß geführt worden, wie man sie führen müsste. Ob die Anforderungen, die man da zugrunde gelegt hat aufgrund derer man das Hardware-Sicherheits-Modul braucht, tatsächlich bei den Anwälten so bestehen."
    Kann KI Urteile fällen?
    Mit Big-Data-Analysen und dem Einsatz von KI-Software will so mancher Rechtspolitiker die Justiz so richtig rationalisieren. Hier warnen die Teilnehmer vor allzu großer und vor allen Dingen unkritischer Euphorie. Wahrscheinlichkeitsberechnungen für eine Prognose künftigen Verhaltens von Strafgefangenen zum Beispiel sehen sie skeptisch. Ob Künstliche Intelligenz mit Abertausenden von Daten wirklich eine qualifizierte Entscheidung darüber fällen kann, ob ein Strafgefangener auf Bewährung freikommen soll – daran gibt es Zweifel. Stephan Ory bewertet das so.
    "Ich persönlich versuche immer zu sprechen, das sind komplexere Algorithmen für komplexere Situationen, aber immer noch vom Menschen gesteuert und alle Grenzfälle gehen bei uns in allen Überlegungen immer auf den Schreibtisch des juristischen Sachbearbeiters. Und eins ist auch wichtig: Der Subsumptions-Automat, der im Gericht sitzt und Entscheidungen trifft, den wollen wir auch immer noch nicht mit künstlicher Intelligenz."
    Urteile fällen also immer noch die Richter, und zwar mit einem gesunden Mistrauen gegenüber künstlicher Intelligenz. Und das soll auch bei Pöbeleien im Netz so bleiben. Die Staatsanwaltschaft Köln will hier allerdings stark digitalisieren, um Hasskriminalität im Netz besser verfolgen zu können. Volksverhetzer und Beleidiger sollen vor Gericht. Oberstaatsanwalt Markus Hartmann von der Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime der Staatsanwaltschaft Köln:
    "Wir wollen da, wo strafbares Verhalten vorliegt, verfolgen. Und das geht nur wenn wir eben nicht nur löschen, sondern auch Beweise sichern. Das Löschen ist die eine Sanktion, die das NetzDG vorsieht. Wir wollen in den Fällen, wo Strafbarkeit vorliegt, auch mit Beweismitteln vor Gericht gehen. "