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Edward Hopper Ausstellung in Basel
"Einer der unbekanntesten bekannten Maler der Moderne"

Einsame Menschen in Restaurants oder Hotelzimmern - mit solchen Bildern ist der amerikanische Maler Edward Hopper berühmt geworden. Jetzt zeigt eine Ausstellung in der Fondation Beyeler die in Europa eher unbekannte Seite des Künstlers: Edward Hopper als Landschaftsmaler.

Von Christian Gampert | 25.01.2020
Das Bild zeigt Wim Wenders vor einem Bild von Edward Hopper in der Ausstellung in Basel.
Wim Wenders vor einem Bild von Edward Hopper in der Fondation Beyeler (www.imago-images.de)
In der amerikanischen Nachkriegsmalerei gibt es eigentlich nur den Abstrakten Expressionismus. Und Edward Hopper! Der die gestische Farbkleckserei für Unsinn hielt, konsequent bei der Figuration blieb und damit Erfolg hatte. Manche seiner späten Bilder sind mittlerweile so ikonisch geworden, dass Hoppers Werk sich für das große Publikum auf wenige Themen beschränkt: vereinsamte Menschen in leeren Restaurants und klinisch sauberen Hotelzimmern, fast filmisch inszeniert.
Maler der großen Großstadt-Traurigkeit
Das allerdings ist der europäische Blick auf diesen Maler. Das New Yorker Whitney Museum dagegen besitzt einen großen Teil des Gesamtwerks des 1967 gestorbenen Realisten, es verwaltet die Bilder, steuert die Rezeption, bestückt die Ausstellungen auch in Europa. In einer groß angelegten Schau kann man nun in der Fondation Beyeler entdecken, dass Hopper nicht nur der Maler der großen Großstadt-Traurigkeit war, sondern sich vor allem mit der amerikanischen Landschaft beschäftigte. Wir kennen das nur nicht, sagt Kurator Ulf Küster.
Kaum präsent in europäischen Sammlungen
"Eigentlich haben wir festgestellt, dass er einer der unbekanntesten bekannten Maler der Moderne ist. Man weiß relativ wenig über ihn. Es gibt wahnsinnig viele tolle Sachen zu entdecken. Das liegt einfach daran, dass er in Amerika wahnsinnig populär ist, in Europa bekannt, aber in Europa eigentlich überhaupt nicht präsent in Sammlungen, es gibt nur ein Museum in Madrid."
Hopper war schon ganz zu Beginn seiner Karriere, in den 1910er Jahren, von Landschaften fasziniert. Seine Licht-Schatten-Spiele und Felsformationen an der Küste von Maine sind allerdings relativ grob gemalt. Interessant wird es erst, als Hopper seine Landschaften auf wenige, völlig stilisierte Elemente reduziert, sie quasi leerfegt. Das ist ab den 1920er Jahren der Fall, und auf einmal sieht man, dass diese landschaftliche Ödnis auch etwas von der Seele Amerikas spiegelt, vielleicht auch der Psyche des Edward Hopper, der immer auf der Suche nach dem eigenen Unbewussten war. Es gibt in diesen Bildern jedenfalls eine große Melancholie, und dem Betrachter wird klar…
Bilder der "unermesslichen Weite Amerikas"
"…dass das Bild, das man sieht, ein kleiner Teil eines enorm unermesslichen Ganzen ist, das sich eigentlich unserer Kontrolle entzieht. Damit prägt er das Bild dieser unermesslichen Weite Amerikas…"
Dieser unfassbare Vorrat Amerikas an Natur! Allerdings an technisch gezähmter, an aufgeräumter Natur. Barack Obama hatte zwei Landschaftsbilder von Edward Hopper in seinem Arbeitszimmer hängen – er wollte die amerikanische Provinz nicht vergessen. Denn die ist ziemlich langweilig – auch bei Hopper, auch maltechnisch. Vieles wirkt flach und öde und Hopper platziert gesichtslose Scheunen und Farmgebäude in traurige Wiesen, als wenn er Versatzstücke aus einem Spielzeugkasten drapierte.
Natürlich ist das Strategie. Denn diese sterile Kehrseite des amerikanischen Traums zeigt Hopper auch in den vielen weißen Privathäusern, die wie Platzhalter vom Leben enttäuschter Menschen herumstehen, ohne Türen – so wie die Telegrafenmasten in den frühen Bildern keine Drähte haben. Ist das Surrealismus, ist das Magritte? Nein, von der Malweise eher eine Frühform des Fotorealismus. Und auch der Pop-Art–Hopper hat eine Vorliebe für Werbeschilder: Er feiert schon 1940 lakonisch in der Landschaft stehende Tankstellen, deren Zapfsäulen wie roboterhafte Heilige wirken.
Wim Wenders setzt Hopper-Szenen filmisch um
Hoffnung glimmt nur auf bei einem signethaft vor dunkelblauen Himmel gesetzten Leuchtturm, immerhin ein Orientierungspunkt, und auch bei Hoppers berühmtem Bahndamm "Railroad Sunset", hinter dem glutrot die Sonne untergeht. Wim Wenders hat für die Ausstellung in einem relativ kitschigen Film Hopper-Szenen nachgestellt. Und in der Ausstellung finden sich einige Bilder fragwürdiger Qualität. Im Gedächtnis bleiben aber Hoppers traurige Frauen, die sehnsuchtsvoll in der Tür lehnen oder nach draußen schauen. Heute werden solche Figuren als "American Housewives" durch Fernsehserien geschickt. Bei Edward Hopper haben sie noch den Wunsch nach einem besseren Leben.