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Edward Snowden
Universität Rostock will Whistleblower die Ehrendoktorwürde verleihen

Dr. h.c. Snowden? Wenn es nach den Vorstellungen der Universität Rostock geht, soll dem Whistleblower die Ehrendoktorwürde verliehen werden. Am 9. April 2014 fällt die Entscheidung. Im Vorfeld diskutierten jetzt Professoren, Studierende und Rostocker.

Von Lenore Lötsch | 21.01.2014
    506 Stühle hat Rostocks Audimax. Und die waren gestern umkämpft von gut 700 Studierenden und Rostockern, die schon in der Warteschlange Position bezogen.
    "Ich find's gut, dass das Thema publik gemacht wird, ob ne Ehrendoktorwürde das Richtige ist, weiß ich noch nicht."
    "Ich glaub das ist ne nette Initiative von ein paar Professoren, die ihre eigene Deutung darüber haben jetzt schon. Ich weiß nicht, ob die Uni das so nach außen hin vertreten kann guten Gewissens."
    "Mut hat er auf jeden Fall bewiesen und das sollte auf irgendne Art ausgezeichnet werden."
    "s ist unmöglich, dass die Universität Rostock Snowden einen Ehrendoktor gibt. Ich würd mich schämen."
    "Ich find's ganz gut, dass es diese Idee gibt, das würdigt erst mal den Mann und seine Verdienste. Ist allerdings fragwürdig, ob das ne einzelne Uni machen sollte oder ob das nicht eher deutschlandweit passieren sollte."
    Doch so vielfältig die Meinungen der Zuhörer waren, auf dem Podium herrschte erstaunliche Eintracht. Snowden: Der Held, der zum Verräter werden musste, der den Friedensnobelpreis verdient hätte und das Bundesverdienstkreuz gleich dazu – so lauteten die Einschätzungen. Hans Christian Ströbele gab zu, dass er zumindest, als von der Rostocker Initiative zum ersten Mal hörte, zweifelte:
    "Ich bin nun weder Wissenschaftler noch angehöriger irgendeiner Fakultät, aber ich weiß, dass solche Ehrendoktorwürden ja nicht nur wegen wissenschaftlicher Verdienste im engeren Sinne verliehen werden, sondern wenn ein Forscher, ein Eigenbrötler in seiner Kammer beispielsweise einen neuen Virus entdeckt, dann hat wohl keiner ein Problem damit, ihm die Ehrendoktorwürde einer Universität zu geben. Warum soll das nicht bei Snowden möglich sein, der die Ursache einer Erkrankung der gesamten Menschheit in einem ganz wesentlichen Punkt, nämlich ihrer Privatheit, offen gelegt hat und damit die Möglichkeit schafft, diese Erkrankung zu bekämpfen?"
    Der ehemalige Richter des Bundesverfassungsgerichtes Wolfgang Hoffmann-Riem machte bei der gestrigen Diskussion deutlich: Snowdens Enthüllungen haben ein großes Loch offenbart. Und wie der zu schützende Freiheitsraum juristisch neu geregelt werden kann, ist weltweit bis jetzt völlig unklar.
    "Es wird vermutlich noch weiterer Skandale bedürfen, um die Öffentlichkeit in den verschiedenen Staaten dazu zu bewegen, auch auf ihre Regierungen Druck zu machen. Also es gibt ja im Moment noch nicht mal ein Konzept, wie eine internationale Regelung aussehen könnte. Da ist die Wissenschaft gefragt, da ist die Politik gefragt, da können auch die Medien dran mitwirken, aber das Schwierigste: Die Unterstützung dafür zu bekommen, dass man auch wirkungsvolle Instrumente einsetzt, obwohl sie unter Umständen Macht von machtbewussten Unternehmen oder Staaten einschränken."
    Entscheidung am 9. April 2014
    Sechs der sieben Gutachten für die Ehrenpromotion von Edward Snowden an der philosophischen Fakultät liegen in Rostock bereits vor. Am 9. April entscheidet der Fakultätsrat über das Verfahren. Dreiviertel der 22 gewählten Mitglieder müssen zustimmen, wenn Snowden Ehrendoktor werden soll. Für den Dekan der Philosophischen Fakultät Hans Jürgen von Wensierski ist ein Argument, dass die Rostocker Fakultät im ehemaligen Stasigebäude untergebracht ist:
    "Uns ist im Grunde die Sensibilität für das Spannungsverhältnis von Geheimdiensten und Zivilgesellschaft letztlich mit dem Gebäude schon in die Wiege gelegt, das ist ein wichtiges Argument, warum diese Initiative von uns ausgeht."
    Eine Gefälligkeitspromotion aber wolle man in Rostock auf keinen Fall, sagt auch der Philosophieprofessor Heiner Hastedt. Auch er war anfangs eher skeptisch, sieht aber mittlerweile bei Edward Snowden alle Kriterien des zivilen Ungehorsams erfüllt:
    "Und das ist eben Gewaltlosigkeit, Gewissensorientierung, Angehen gegen politische Missstände und dabei Illegalität in Kauf nehmen im Zusammenspiel mit öffentlichen Aktionen. Und das passt auf Snowden ziemlich gut, und von daher scheinen mir diese Kriterien auch ne Ermutigung zu sein, dass man da nicht irgendwen ehrt und eben schon gar nicht irgend nen Kriminellen, irgendnen Spion, sondern dass das nach philosophischen Kriterien lobenswerter ziviler Ungehorsam ist."
    Und als alle 506 Stühle gestern Abend nach drei Stunden Diskussion wieder leer waren, da traute sich ein Rostocker Schüler zu Hans Christian Ströbele und sagte zaghaft: Vielleicht sei die Ehrendoktorwürde ja doch nicht so wichtig.
    "Herr Ströbele, Sie wollen ja dafür kämpfen, dass Snowden nach Deutschland kommt. Wie wollen sie das anstellen? Mit einfachen Worten haben sie ja leider nichts erreicht?"
    "Das ist richtig. Wir werden jetzt Anfang nächsten Monats einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss einrichten. Und ich werde fordern, dass dieser Kronzeuge dem Ausschuss zur Verfügung steht."