Der Abend beginnt ganz in Schwarz-Weiß und mit Masken, und er endet mit viel Blut auf hellem Grau. Auch die Bühne ist ein flaches weißes Podest vor grob gezimmerter hoher schwarzer Rückwand. Eine Krone aus Goldpapier, ein paar Stühle, ein Cello: Karin Beier und das Kölner Regieteam haben mit einfachsten Mitteln großartige Effekte ersonnen. In Kolchis, wo der erste Teil der Trilogie spielt, ist die abgegrenzte Spielfläche von Kies bedeckt. Hier nimmt die Geschichte vom Goldenen Vlies, das ein Grieche ins ferne Land gebracht hat, ihren Ausgang. Ein ominöses Symbol des Begehrens setzt eine tödliche Intrige in Gang. Es ist die Vorgeschichte des bekannten Dramas, an deren Ende eine verlassene, verhöhnte, verkannte Frau - Medea - ihre Kinder tötet. Karin Beier verzichtet auf jede gängige politische Interpretation. Medea ist nicht die Fremde mit Migrationshintergrund, sondern eine Frau, die liebt und die Verantwortung übernimmt für ihre Familie, bis zum grausigen Ende.
Der knapp dreistündige Abend ist deutlich zweigeteilt. Hinter langgesichtigen Masken und mit ausgestellten Posen agieren die Schauspieler zu Beginn fast wie Marionetten. Dieses Körperballett enthüllt in seltener Klarheit die feindliche Stimmung im Umgang mit dem Fremden: Gastfreundschaft? Ein Mummenschanz aus Lüge und Angst. Überhaupt ist "Verblendung" ein großes Motiv: König Aietes begehrt das Goldene Vlies, mit dem Initialmord an dem Griechen legt er aber auch erste Hand an seine Familie. Die sein ein und alles ist, wie Manfred Zapatka ebenso autoritär aufbrausend wie an Medea klammernd deutlich macht: Als seine Tochter ihn mit Jason, der das Vlies zurück holen soll, verlässt, sitzt er da wie ein verlassenes Kind im Sandkasten. Carlo Ljubeks Jason spielt die Naturkraft, die ihm sein Text vorgibt: als jungenhafter Überwältiger durchmisst er mit hohen Sprüngen große Räume oder schleppt Medea wie eine Puppe durch die Kies-Arena. Dieser Mann will erobern, nicht lieben; den Herausforderungen einer Ehe auf der Flucht ist er ganz sicher nicht gewachsen. So wird im körperbetonten, fast turnerischen ersten Teil doch vorbereitet, was an Psychologie den Teil nach der Pause bestimmt: vor allem eine kaputte Beziehung. Ein Kühlschrank und eine Uniform deuten die Rückkehr des Paares in die griechische Zivilisation und an den Hof eines misstrauischen Kreon an. Am Rande kommt das Drama der Ausländerin doch noch zu seinem Recht: Medea hat keine Chance und wird keine bekommen:
"Die letzte, die Unterste aller Menschen bin ich ihnen. Ich will ja gern tun, was ihr sagt, nur sagt mir auch, was ich tun soll!"
Jason, als "Mann der Kolcherfürstin" mit Medea unter Mordverdacht verbannt, ist völlig fertig mit den Nerven; er will nur noch die eigene Haut und Zukunft retten. Medea bedeutet ihm nur alte, verdrängte Schuld. Karin Beier findet bestechende Bilder für dieses Ehe-Unglück, etwa, wenn Medea versucht, ein Kinderlied auf dem Cello zu spielen, das ihr ausgerechnet Creusa, die Tochter Kreons und Nebenbuhlerin beigebracht hat. "Es ist aus", der verbale Schlussstrich unter gescheiterten Beziehungen, wird auch hier gezogen. Überhaupt ist der Text von Karin Beier und ihrer Dramaturgin Rita Thiele sehr entschlackt und auf den Punkt gestrafft worden. Die gleiche Sorgfalt herrscht beim Bespielen der Räume, kleinsten Gesten oder einem perfekten Rhythmus. Es ist schlicht so, dass Karin Beier mal wieder alles richtig gemacht hat.
Das Ereignis des Abends aber ist Maria Schrader in der bekannten Schluss-Szene. Noch nie kam die Rache der Medea so analytisch daher, noch nie war so deutlich das letzte Zögern, ein Mitbedenken aller Konsequenzen zu erleben, das dann in atemlose Verzweiflung mündet, die Halt sucht, und findet, in der Rache. Rache also nicht als Blutrausch, sondern als Haltung.
Von schöner Konsequenz ist auch, dass Karin Beier wieder eine starke Frauenfigur inszeniert hat. Maria Schrader lässt eine so ungeheure Tat wie den Kindermord als letzte Konsequenz plausibel erscheinen. Das ist gerade heute ungeheuer aktuell.
Der knapp dreistündige Abend ist deutlich zweigeteilt. Hinter langgesichtigen Masken und mit ausgestellten Posen agieren die Schauspieler zu Beginn fast wie Marionetten. Dieses Körperballett enthüllt in seltener Klarheit die feindliche Stimmung im Umgang mit dem Fremden: Gastfreundschaft? Ein Mummenschanz aus Lüge und Angst. Überhaupt ist "Verblendung" ein großes Motiv: König Aietes begehrt das Goldene Vlies, mit dem Initialmord an dem Griechen legt er aber auch erste Hand an seine Familie. Die sein ein und alles ist, wie Manfred Zapatka ebenso autoritär aufbrausend wie an Medea klammernd deutlich macht: Als seine Tochter ihn mit Jason, der das Vlies zurück holen soll, verlässt, sitzt er da wie ein verlassenes Kind im Sandkasten. Carlo Ljubeks Jason spielt die Naturkraft, die ihm sein Text vorgibt: als jungenhafter Überwältiger durchmisst er mit hohen Sprüngen große Räume oder schleppt Medea wie eine Puppe durch die Kies-Arena. Dieser Mann will erobern, nicht lieben; den Herausforderungen einer Ehe auf der Flucht ist er ganz sicher nicht gewachsen. So wird im körperbetonten, fast turnerischen ersten Teil doch vorbereitet, was an Psychologie den Teil nach der Pause bestimmt: vor allem eine kaputte Beziehung. Ein Kühlschrank und eine Uniform deuten die Rückkehr des Paares in die griechische Zivilisation und an den Hof eines misstrauischen Kreon an. Am Rande kommt das Drama der Ausländerin doch noch zu seinem Recht: Medea hat keine Chance und wird keine bekommen:
"Die letzte, die Unterste aller Menschen bin ich ihnen. Ich will ja gern tun, was ihr sagt, nur sagt mir auch, was ich tun soll!"
Jason, als "Mann der Kolcherfürstin" mit Medea unter Mordverdacht verbannt, ist völlig fertig mit den Nerven; er will nur noch die eigene Haut und Zukunft retten. Medea bedeutet ihm nur alte, verdrängte Schuld. Karin Beier findet bestechende Bilder für dieses Ehe-Unglück, etwa, wenn Medea versucht, ein Kinderlied auf dem Cello zu spielen, das ihr ausgerechnet Creusa, die Tochter Kreons und Nebenbuhlerin beigebracht hat. "Es ist aus", der verbale Schlussstrich unter gescheiterten Beziehungen, wird auch hier gezogen. Überhaupt ist der Text von Karin Beier und ihrer Dramaturgin Rita Thiele sehr entschlackt und auf den Punkt gestrafft worden. Die gleiche Sorgfalt herrscht beim Bespielen der Räume, kleinsten Gesten oder einem perfekten Rhythmus. Es ist schlicht so, dass Karin Beier mal wieder alles richtig gemacht hat.
Das Ereignis des Abends aber ist Maria Schrader in der bekannten Schluss-Szene. Noch nie kam die Rache der Medea so analytisch daher, noch nie war so deutlich das letzte Zögern, ein Mitbedenken aller Konsequenzen zu erleben, das dann in atemlose Verzweiflung mündet, die Halt sucht, und findet, in der Rache. Rache also nicht als Blutrausch, sondern als Haltung.
Von schöner Konsequenz ist auch, dass Karin Beier wieder eine starke Frauenfigur inszeniert hat. Maria Schrader lässt eine so ungeheure Tat wie den Kindermord als letzte Konsequenz plausibel erscheinen. Das ist gerade heute ungeheuer aktuell.