Mittwoch, 08. Mai 2024

Deutsche Nachrichtendienste
Ehemalige BND-Chefs fordern mehr Befugnisse

Die beiden ehemaligen BND-Präsidenten Hanning und Schindler sehen die deutschen Nachrichtendienste von Politik und Justiz zu stark eingeschränkt. Diese litten inzwischen an einem Übermaß an Kontrolle, schrieben beide in einem Gastbeitrag für die "Bild am Sonntag". Die Nachrichtendienste dürften nicht weiter zum "Wachhund mit Maulkorb und Eisenkette degeneriert" werden.

06.08.2023
    An einem Eingang der Zentrale des Bundesnachrichtendienstes steht der Schriftzug des Geheimdienstes.
    Der Eingang der Zentrale des Bundesnachrichtendienstes in Berlin (picture alliance / Christophe Gateau)
    Konkret fordern die beiden Ex-Chefs des Bundesnachrichtendienstes eine Veränderung der gesamten Sicherheitsarchitektur in Deutschland, bei der alles auf den Prüfstand müsse. So sollten die deutschen Dienste wieder Partner auf Augenhöhe mit anderen westlichen Diensten werden.

    Vorschlag eines zentralen Nachrichtendienstes

    Konkret forderten Hanning und Schindler, statt für jeden der drei deutschen Nachrichtendienste eigene technische Einheiten vorzuhalten, brauche Deutschland "endlich einen neuen technischen Nachrichtendienst nach den erfolgreichen Vorbildern der NSA in den USA und des GCHQ in Großbritannien".
    In Deutschland gibt es den Bundesnachrichtendienst (BND), der für das Ausland zuständig ist, das Bundesamt für den Verfassungsschutz (BfV), mit dem Fokus aufs Inland, und den Militärischen Abschirmdienst (MAD), der sich schwerpunktmäßig um die Spionageabwehr kümmert.
    Sinnvoll sei auch, so Hanning und Schindler, die Verantwortung für den BND aus dem Kanzleramt ins Verteidigungsministerium zu verlagern. Dort seien "die meisten Vorteile und Synergien zu erwarten". Weiter schrieben sie, man könne es sich auf die Dauer nicht leisten, die Terrorismusaufklärung in Deutschland und den Schutz der eigenen Soldaten im Einsatz auf ausländische Dienste zu verlagern.

    Kritik an Bundesverfassungsgericht

    Die beiden Ex-Präsidenten forderten, dass Politik und Justiz Nachrichtendienste "als unverzichtbarer Bestandteil" der nationalen Sicherheitsarchitektur sehen. Dies müsse auch für das Bundesverfassungsgericht gelten.
    Das oberste deutsche Gericht hatte im Mai 2020 dem BND beim Abhören in Deutschland Einschränkungen auferlegt: Auch bei ausländischen Staatsbürgern und -bürgerinnen seien die Grundrechte des Grundgesetzes wirksam, hieß es.
    Hanning stand von 1998 bis 2005 an der Spitze des deutschen Auslandsgeheimdienstes und betreibt heute die Beratungsfirma "Hanning Consult", Schindler war von 2012 bis 2016 BND-Chef. Das Bundeskanzleramt lehnte die Veröffentlichung seiner Memoiren "Erinnerungen an den Bundesnachrichtendienst" nach einer fast zweijährigen Prüfung ab.

    Die Linke erinnert an "BND-Skandale"

    Martina Renner, innenpolitische Sprecherin der Fraktion "Die Linke" im Bundestag, äußerte sich auf Twitter/X zu den Forderungen der Ex-Präsidenten. Sie erinnerte daran, dass sich das Parlament "seit Jahrzehnten mit diversen BND-Skandalen" beschäftigen müsse. "Angefangen bei der Überwachung von Presse und Opposition im Inland, über politische und wirtschaftliche Spionage, bis zu Massenüberwachung und illegaler Datenweitergabe." Schindler habe den BND als Präsident verlassen müssen, weil es "unter seiner Amtsführung zu erheblichen Rechtsverstößen" gekommen sei. Seine aktuellen Vorschläge nannte Renner vor diesem Hintergrund "komplett bizarr".
    Zustimmung kam hingegen vom innenpolitischen Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm (CDU): "Die ehemaligen BND-Chefs legen den Finger in die Wunde", sagte er der Nachrichtenagentur AFP. "Bei etwa der Hälfte der in den letzten Jahren verhinderten Terroranschlägen sind wir auf Hinweise ausländischer Nachrichtendienste angewiesen." Ähnliches gelte bei der Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder.
    Diese Nachricht wurde am 06.08.2023 im Programm Deutschlandfunk gesendet.