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Ehemaliger Asse-Chef bestreitet Schuld

Der ehemalige wissenschaftliche Leiter in Asse, Klaus Kühn, hat jegliche Verantwortung für die Vorfälle im Atomendlager von sich gewiesen. Ich habe mir nichts vorzuwerfen, erklärte er im Untersuchungsausschuss des niedersächsischen Landtags.

Von Susanne Schrammar | 06.11.2009
    Ich habe mir nichts vorzuwerfen - nach fast fünfstündiger Befragung vor dem Asse-Untersuchungsausschuss bleibt vor allem dieser Satz hängen. Gesagt hat ihn Klaus Kühn. Er gilt als einer der weltweit profilierten Experten in der Endlagerthematik, hat 30 Jahre in dem sogenannten Forschungsbergwerk Asse gearbeitet und als wissenschaftlicher Leiter Verantwortung getragen.

    Zwar räumt der 71-Jährige vor dem Ausschuss ein, mit dem heutigen Wissensstand hätte man niemals radioaktiven Abfall in das vom Absaufen bedrohten Salzbergwerk einlagern dürfen. 1967 aber, als klar und aktenkundig wird, dass keine einzige Kammer in der Asse trocken bleiben würde, hält er am Endlager fest. Obwohl hydrogeologische Gutachten vor Laugenzuflüssen warnen, verkündet der Bergwerksingenieur immer wieder: Wassereinbrüche seien mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen.

    1988 wird er eines Besseren belehrt, seitdem dringen täglich 12.000 Liter Lauge in die Asse ein und bedrohen die Stabilität. Klaus Kühn, der sich Medien gegenüber gestern nicht äußern wollte, gehöre zu einem kleinen Kreis von Asse-Verantwortlichen, der die Republik zum Narren gehalten habe, sagt Detlev Möller. Der Historiker, der seine 390-seitige Dissertation über die Geschichte der Asse verfasst hat, ist gestern als Sachverständiger ebenfalls vom Untersuchungsausschuss befragt worden.

    "Er hat genarrt, weil er mit den anderen bewusst über die Risiken von Asse II. nicht gesprochen hat. Die hat man intern diskutiert, vielleicht aktenmäßig nur in Teilen diskutiert, aber man hat nach außen nicht darüber gesprochen, welche Gefahr mit der Nutzung dieses alten Bergwerks verbunden ist."

    Dass die Verantwortlichen der Asse ein Absaufen des Salzbergwerks in Kauf genommen haben, ist zwar erschütternd, für die Mitglieder des parlamentarischen Untersuchungsausschusses jedoch nicht unbedingt neu. 28 Zeugen und Sachverständige haben die niedersächsischen Landtagsabgeordneten seit Sitzungsbeginn im Sommer bereits befragt. Der große Durchbruch bei der Frage, wie es zu den zahlreichen Pannen und Skandalen in dem maroden Bergwerk kommen konnte, ist dabei jedoch noch nicht gelungen, muss Karl-Heinrich Langspecht, Obmann der CDU im Ausschuss, zugeben.

    "Das Bild rundet sich ab. Im Einzelnen gibt es sicher Aussagen, die interessant sind. Aber ich rechne nicht mehr damit, dass hier sensationelle Neuigkeiten noch zutage gefördert werden."

    Der Ausschuss hat eine Herkulesaufgabe zu bewältigen: ein Untersuchungszeitraum von mehr als 50 Jahren, fünf große Themengebiete - darunter die Ermittlung des Inventars und die Frage, warum ausgerechnet die Asse als Endlager ausgewählt wurde - und vor allem ein riesiger Aktenberg: Zu den bereits vorliegenden 2000 Ordnern werden sich in den nächsten Wochen Hunderte weitere gesellen. Eine kaum stemmbare Aufgabe, vor allem für kleine Fraktionen wie die FDP, die Grünen und die Linke, denen nur wenige Mitarbeiter für die Durchsicht zur Verfügung stehen. Und dann wären da noch die Zeugen - die, die noch leben, können sich nach so vielen Jahren oft nicht mehr an Details erinnern oder sie wollen es nicht. Stefan Wenzel von den Grünen.

    "Daneben wäre es natürlich sehr hilfreich, wenn wirklich ein interner Kenner dieser Materie wirklich mal auspackt, wirklich mal reinen Tisch macht, tatsächlich mal transparent macht, warum man damals so gehandelt hat. Das haben wir bisher nicht erlebt."

    Ob die Mitglieder des Untersuchungsausschuss es überhaupt noch erleben werden, ist fraglich, obwohl noch etliche Zeugen geladen sind: Bis mindestens Mitte nächsten Jahres läuft der Zeitplan, auf dem jetzt nach der Bundestagswahl auch viele Politiker stehen: die ehemaligen Bundesforschungsminister Schavan, Hauff und Matthöfer, Ex-Bundesumweltminster Sigmar Gabriel, die früheren Landeswirtschaftsminister Breuel und Leisler-Kiep, der Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz König und auf einen, sagt SPD-Obmann Detlev Tanke, freue sich die niedersächsische Landtagsopposition ganz besonders - den amtierenden Landesumweltminister Hans-Heinrich Sander von der FDP.
    "Dem werfen wir vor, sechs Jahre lang geschlafen zu haben, die unhaltbaren Zustände in der Asse hingenommen zu haben, nichts bewegt zu haben. Und deswegen ist Herr Sander für mich einer der wichtigsten politischen Zeugen."