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Ehlen fordert Zivilcourage von Mitarbeitern der Fleischbetriebe

Der niedersächsische Landwirtschaftsminister Hans-Heinrich Ehlen hat das Sofortprogramm von Verbraucherschutzminister Horst Seehofer gegen den Handel mit verdorbenen Fleischwaren begrüßt. Geplant sind unter anderem der Entzug der Handelserlaubnis, die Schließung und die Namensnennung betroffener Firmen. Im Deutschlandfunk forderte der CDU-Politiker zugleich Verbraucher und die Mitarbeiter von Betrieben auf, verdorbene Waren den Behörden zu melden.

Moderation: Friedbert Meurer |
    Friedbert Meurer: "Bald wird man sagen, ich sei ein Grüner." Dieses Bekenntnis soll angeblich der neue Landwirtschaftsminister Horst Seehofer von der CSU in der letzten Zeit mehrfach abgelegt haben. Seehofer will auf das Verbraucherinformationsgesetz der Grünen zurückgreifen, das die Union in der Opposition noch abgelehnt hatte. Er wolle gegen die schwarzen Schafe in der Fleischwirtschaft vorgehen, sagt Seehofer, distanziert sich aber von seiner Vorgängerin Renate Künast von den Grünen. Sie habe zu oft nur Symbolpolitik betrieben. Diese Auseinandersetzung interessiert vermutlich den Verbraucher eher wenig. Sie wollen - die Verbraucher - gesundes Fleisch kaufen, das eben nicht vergammelt ist. Heute kommt eine große Runde zusammen aus den Beteiligten von Bund und der Fleischwirtschaft. Am Telefon begrüße ich Heiner Ehlen, den Landwirtschaftsminister von Niedersachsen, CDU. Guten Morgen, Herr Ehlen.

    Hans-Heinrich Ehlen: Schönen guten Morgen, Herr Meurer.

    Meurer: Wir grün ist denn die Politik, die Horst Seehofer zum Fleischskandal machen will?

    Ehlen: Ja, ob die nun grün ist, weiß ich nicht. Aber dass wir hier natürlich aufgrund dieser Vorfälle "Gammelfleisch" in Anführungsstrichen haben, ist es natürlich angesagt, hier auch dann mit Mitteln vorzugehen, die auch ich sage mal greifen. Und da sind die Ansätze, die Herr Seehofer gemacht hat, sicherlich richtig.

    Meurer: Mit grün ist ja in der Hauptsache das Verbraucherinformationsgesetz gemeint. Woher kommt denn der Sinneswandel bei der Union, das jetzt einzuführen?

    Ehlen: Was heißt Sinneswandel? Es ist vorher ja deshalb ablehnt worden, weil die Gefahr besteht, dass da letztendlich auch Unschuldige genannt werden könnten. Wenn wir hier sauber arbeiten, bin ich der Ansicht, dass es trotzdem möglich ist, eine Liste der schwarzen Schafe zu etablieren, wenn denn belegt ist, dass diese Firmen, diese Unternehmen dann auch überführt worden sind.

    Meurer: Wie soll denn dieser Beleg aussehen?

    Ehlen: Ja, wir müssen gut recherchieren, wir müssen gut arbeiten. Das kann man sicherlich nicht so aus dem Handgelenk schütteln. Wir müssen hier natürlich dann auch sehen, dass wir die Straftaten, die da gemacht werden, es sind Straftaten, dass die dann auch belegbar sind, und dass man denn auch auf diese schwarze Liste kommt.

    Meurer: Es muss aber nicht bereits ein rechtskräftiges Strafurteil vorliegen, bevor man auf dieser schwarzen Liste landet.

    Ehlen: Nein, die Warnmeldung, die wir jetzt auch ja schon haben, da kann man schon sehr viel mit machen, dass man auch denen, die jetzt ich sage mal Fleisch bekommen, was nicht den Erwartungen entspricht, also nicht mehr verkehrsfähig ist, dass auch die sich melden. Das war in der Vergangenheit nicht so, sondern es konnte nur der sich melden, dem da versehentlich etwas durch die Produktion gelaufen war. Und das ist nicht richtig. Wir müssen auch diese Partien letztendlich dingfest machen und auch die Unternehmen, die diese dann auf die Reise geschickt haben. Und deshalb ist es wichtig, dass auch der, der verdorbenes Fleisch angeliefert bekommt, dass auch der eine Meldepflicht bekommt. Und da sind wir jetzt dran, diese Lücke auch zu schließen.

    Meurer: Es heißt, diese Meldepflicht muss von der EU genehmigt werden. Klingt das nicht ziemlich bürokratisch?

    Ehlen: Ja, es ist so, dass wir natürlich nicht nur Fleischhandel innerhalb eines EU-Mitgliedstaates haben, sondern dass wir auch über Grenzen hinweg handeln. Und da sind bei verschiedenen Handelswaren dann auch die EU-Vorgaben einzuhalten. Deshalb haben wir ja diesen Antrag auch eingebracht, um das auch irgendwo eben umzusetzen.

    Meurer: Wie oft kommt das denn vor, Herr Ehlen, dass verdorbenes Fleisch oder Fleisch, dessen Herkunft ein bisschen fragwürdig ist, dem Handel, den Supermärkten angeboten wird?

    Ehlen: Also es ist eigentlich selten. Die große Masse unserer Fleischproduzenten arbeiten ja sauber und arbeiten auch in nachvollziehbaren Wegen. Also es wird dokumentiert, wo das Fleisch herkommt, es wird dokumentiert, wo es produziert wird, wo es verarbeitet wird, wo es gelagert wird. Also die ganz, ganz große Menge ist da überhaupt nicht von betroffen. Aber wir haben hier ein ganz paar, die uns letztendlich dadurch das Geschäft vermiesen, dass sie am Rande der Legalität ich sage mal kriminelle Energie entwickeln und hier verdorbene Ware reinbringen. Wenn ich mal die Zahl der Betriebe nehme, wir haben jetzt fünf zu fassen gekriegt, die sich hier auf der illegalen Seite bewegt haben, insgesamt haben wir etwa 20.000 registrierte Betriebe. So, und dieses Verhältnis muss man irgendwo auch im Hinterkopf haben. Und es ist eigentlich schade, dass all die, die es ordentlich machen, dass die darunter zu leiden haben, dass da nun ein ganz paar neben dem Gleis laufen.

    Meurer: Verstehe ich Sie richtig, Herr Ehlen, dass also die schwarzen Schafe in der Branche schon vorher bekannt gewesen sind?

    Ehlen: Also, es sind sehr, sehr viele oder einige von diesen Besagten, die sind schon in Insolvenz und haben wohl da auch irgendwo die Finanznot im Nacken, sonst kann ich mir das nicht vorstellen. Aber das ist unentschuldbar. Auch wenn man das Fleisch verschenken würde, auch dann muss es in Ordnung sein. Und das können wir uns einfach nicht leisten, dass diese schwarzen Schafe uns den Ruf und das Geschäft so mies machen.

    Meurer: Wenn die schon in der Insolvenz sind, was bringt es dann noch, den Namen zu nennen?

    Ehlen: Ja, das ist so. Das haben Sie ja eben gut gesagt. Aber die müssen trotzdem raus, raus aus der ganzen Kette. Das können wir uns nicht leisten, mit diesen schwarzen Schafen auch nur noch ein Stück mit weiter zu gehen.

    Meurer: Bundeslandwirtschaftsminister, Bundesverbraucherminister Horst Seehofer hat ja gestern gesagt, es gebe große Lücken bei den Kontrollintervallen und in der Kontrollqualität in der Lebensmittelüberwachung. Müssen Sie sich in Niedersachsen diesen Schuh auch anziehen?

    Ehlen: Es ist ja ein System, was da aufgebaut ist. Einmal sind die Landkreise ganz vorne, Landkreise und kreisfreie Städte. Dann ist das Land gefordert und dann der Bund. Es ist föderativ aufgebaut. Wir haben in diesem jetzigen Skandal etwas Neues, dass nicht der landwirtschaftliche Betrieb, nicht der Schlachthof, nicht der Zerlegebetrieb, sondern dass Kühlhäuser benutzt werden, um hier ich sage mal Ware zu anonymisieren, um sie dann anschließend wieder auf den Markt zu bringen, Ware, die nicht in Ordnung ist. Und dieses ist ein ganz neues Phänomen. Deshalb ist das Kontrollieren der Kühlhäuser im Moment ganz, ganz vorne, weil wir vermuten, da dann auch diesen Strang des illegalen Fleischhandels aufdecken zu können. Und deshalb sind wir im Moment neu dabei, auch hier intensiver nachzuforschen.

    Meurer: Was wollen Sie tun, um Kühlhäuser stärker zu kontrollieren?

    Ehlen: Ja, es ist natürlich eine ganz, ganz schwere Arbeit, fast die Suche der Nadel im Heuhaufen. Hier müssen wir sicher erst mal stramm ran und sehen, was in den Häusern gelagert wird, aufgrund der Begleitpapiere. Und wenn es da lange Lagerzeiten gibt, wenn da Partien auftauchen, die eigentlich schon vom Markt weg sein müssten und da trotzdem noch liegen, dann werden wir diesen Dingen nachgehen. Dann werden wir auch diesen Dingen insofern nachgehen, dass wir von dem Einlagerer, es ist nicht der Betreiber des Kühlhauses, sondern der Einlagerer, der diese Kühlhausplätze gemietet hat, werden wir einfordern, wo er mit dem Fleisch bleibt und auch, wie er gedenkt, letztendlich dieses dann zu entsorgen.

    Meurer: Die Nadel im Heuhaufen wird in der Regel nicht gefunden. Schlechte Aussichten für den Verbraucher also?

    Ehlen: Ich würde sagen nicht. Wenn wir aufgrund der Begleitpapiere hier näher rankommen, dann wissen wir erstmal in welcher Ecke des Heuhaufens wir suchen müssen. Und ich glaube auch, dass wir dann mit diesen Möglichkeiten, die wir haben, hier dann auch die Dinge festzumachen, dass wir sagen, hier ist eine Partie, hier ist gefrorenes Fleisch, hier sind gefrorene Kartons, dass wir die dann auch rauskriegen können, beproben können und auch feststellen können, wo sie sind. Dann wird es sehr viel einfacher. Was wir natürlich auch einfordern müssen, ist auch so ein Stück Zivilcourage, dass auch die Bevölkerung sich meldet, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich melden, die in Betrieben arbeiten, wo zweifelhafte Partien angedient werden.

    Meurer: Das war Heiner Ehlen, Landwirtschaftsminister von Niedersachsen, CDU, bei uns im Deutschlandfunk. Herr Ehlen, besten Dank und auf Wiederhören.

    Ehlen: Jo, schönen Tag noch, tschüss.