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Ehrendoktorspiele

Die Universität Hildesheim verlieh 2009 Carsten Maschmeyer die Ehrendoktorwürde – kurz nachdem der Unternehmer die Hochschule großzügig bedacht hatte. Laut Presseberichten wurde dafür eigens die Promotionsordnung geändert. Nun ist die Debatte über die Praxis der Titelvergabe neu entfacht.

Susanne Schrammar im Gespräch mit Ulrike Burgwinkel | 22.03.2012
    Ulrike Burgwinkel: Mit der Ehre ist das so eine Sache, eine mitunter uneindeutige, möglicherweise zweifelhafte Angelegenheit. Im Hochschulleben dagegen scheint weitestgehend Einigkeit zu bestehen: Einen Ehrendoktor bekommt man verliehen, wenn man der Wissenschaft besonders verpflichtet ist. Als Ausweis gelten außergewöhnliches wissenschaftliches Arbeiten oder bildungspolitisches Engagement. Aber da gibt es offensichtlich Ausnahmen, zum Beispiel den Unternehmer Carsten Maschmeyer, Doktor h. c. der Uni Hildesheim. Sein Medizinstudium hat der überaus erfolgreiche Unternehmer abgebrochen. Unsere Landeskorrespondentin Susanne Schrammar hat sich schlaugemacht. Frau Schrammar, wie kam den Carsten Maschmeyer zu seinem Doktortitel?

    Susanne Schrammar: Ja, Sie haben es beschrieben, also über wissenschaftliches Engagement jedenfalls nicht, trotzdem darf sich Carsten Maschmeyer ein h. c. vor seinen Namen schreiben und den Doktortitel dazu, denn die Stiftungsuniversität seiner Heimatstadt Hildesheim, die hat Carsten Maschmeyer 2009 an seinem 50. Geburtstag eben einen Ehrendoktor verliehen. Ein Jahr zuvor hatte der Unternehmer der Uni eine Spende zukommen lassen in Höhe über eine halbe Million Euro, damit wurde dann eine Juniorprofessur eingerichtet, und kurz nach dieser Spende, da hat die Uni Hildesheim ihre Promotionsordnung geändert. Neu hinzugekommen ist darin der Passus, dass die Ehrendoktorwürde eben künftig auch verliehen werden darf, wenn man Verdienste um die Förderung der Wissenschaften errungen hat, und genau das ist jetzt auch Gegenstand der Diskussion: Es gibt einen Artikel in der "Welt", in der Zeitung "Die Welt", und dieser Artikel stellt das Ganze so dar, als ob die Promotionsordnung möglicherweise speziell für Carsten Maschmeyer geändert worden sei, und spricht auch von einer fragwürdigen Ehrendoktorwürde, also indirekt wird da die Frage gestellt, ob sich die Uni da möglicherweise bedanken wollte bei ihrem Gönner.

    Burgwinkel: Das liegt ja auch so ein bisschen nahe, dass man auf die Vermutung kommt. Haben Sie denn Reaktionen eingefangen?

    Schrammar: Also von Carsten Maschmeyer selbst bislang keine Reaktion. Die Universität Hildesheim, die hat diesen Vorwurf jedoch zurückgewiesen – die Promotionsordnung, die sei nicht extra für Carsten Maschmeyer geändert worden, sagte eine Sprecherin, aber es ist schon so, dass die Hochschule damit, mit dieser Änderung auch bewusst ein Mittel schaffen wollte, um – so heißt es – eine Kultur der Anerkennung zu stärken, also auch durchaus, um Spender für die Wissenschaft anzulocken. Was Maschmeyer angeht, da heißt es von der Uni zur Begründung, der habe sich stark in der regionalen Kinderhilfe engagiert, als Sportförderer gewirkt, und er habe eben sowohl eine Stiftungsprofessur in Hildesheim als auch in Hannover gestiftet und dort eben auch die Wissenschaft gefördert, und darum eben auch herausragend als Mäzen gewirkt. Aber ein Dank sei es eben nicht, das sieht der AStA in Hildesheim allerdings anders, dort gab es schon 2009 große Diskussionen, und man sagt hier, also der Andreas Marx, der hochschulpolitische Sprecher sagt, ohne diesen finanziellen Einsatz, da hätte Maschmeyer diesen Ehrendoktor nie bekommen, aber das Ganze sei eben im Zusammenhang mit der Struktur dieser Stiftungsuniversität, die eben davon ausgeht, dass Bildung nicht allein vom Staat finanziert wird, und da gibt es eben einen hohen ökonomischen Druck.

    Burgwinkel: Na ja, die brauchen das Geld. Gut, es sollte kein Dankeschön gewesen sein, jetzt lassen Sie uns noch mal eben abschließend eine Frage – also, Sie, dass Sie abschließend vielleicht noch die Frage beantworten könnten: Ist das eigentlich so extrem ungewöhnlich? Es scheint mir fast so, als sei das häufiger der Fall.

    Schrammar: Ja, also ungewöhnlich ist es nicht, wobei man sagen muss, an der Universität Hannover hat Maschmeyer keinen Ehrendoktor gekriegt, trotz Stiftung dieser Professur. Dort wurde er zum Ehrensenator ernannt, das ist ein bisschen weniger. Aber es gibt bundesweit einige Universitäten, die diese Titel nicht allein aufgrund wissenschaftlicher Leistung, sondern eben auch an Nichtakademiker verteilt haben, zum Beispiel die TU Braunschweig, die hat dem ehemaligen VW-Betriebsrat einen Ehrendoktor verliehen, die Berliner Humboldt-Universität hat das Künstlerehepaar Christo und Jeanne-Claude damals für die Verhüllung des Reichstages geehrt. Also es gibt da einige Beispiele, das Promotionsrecht liegt bei den jeweiligen Fakultäten, es ist Ländersache, da die Ansprüche zu regeln, dennoch stellt sich die Frage, ob solche Titel damit möglicherweise qualitativ verwässert werden. Und die deutsche Hochschulrektorenkonferenz, die mahnt eigentlich schon seit Jahren dauernd immer wieder, solche Ehrenpromotionen doch bitte nur aufgrund eben wissenschaftlicher Leistungen zu vergeben.

    Burgwinkel: Susanne Schrammar über die Vergabe von Ehrendoktortiteln, speziell jene an Doktor h. c. Carsten Maschmeyer, eine zumindest umstrittene Angelegenheit. Danke schön!


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.