Immer und immer wieder klopfen die Kinder mit ihren Klöppeln auf das große Brett. Denn: Die Kirchenglocken bleiben bis zur Osternacht stumm, Zeichen der Trauer über den Tod Christi.
"Ich weiß, dass es schon am Karfreitag anfängt, zu Messezeiten, in der ganzen Stadt überall zu klopfen. Das ist so ein Holzbrett, ziemlich groß, das man irgendwo aufhängt an der Kirche, meistens an zwei Seilen. Und dann gibt es ein oder zwei Hämmerchen, manchmal auch mehr. Und dann stehen meistens ein Kind auf der einen Seite und das andere Kind auf der anderen Seite Und die klopfen in einem bestimmten Rhythmus auf dieses Holz. Und ich weiß nur, dass es eine bestimmte Sorte von Holz ist."
Zwei junge Frauen sitzen in einem kleinen Straßencafé auf dem Piata Uniri, mitten im Zentrum der westrumänischen Großstadt Temeswar, eingerahmt von spätbarocken Altstadtfassaden. Manche davon erstrahlen in kräftigen Farben, scheinen also vor nicht allzu langer Zeit renoviert worden zu sein.
Bei anderen Gebäuden dagegen bröckelt der Putz ab. Als die Kinder dann doch mal eine Pause einlegen, sind die zwei Frauen glücklich über die Stille, die sich über den Platz legt. Schließlich haben sie sich etwas zu erzählen.
"Hast du deine Eier schon bemalt?" - "Ja, heute schon mit meiner Mutter". - "Nehmt ihr eigentlich die gekauften Farben? Oder macht ihr das immer noch mit der Schale, mit dieser Zwiebelschale und solchen Sachen?" - Ja, die roten Eier, die bemalen wir immer so mit Zwiebeln. Und die grünen mit Blättern von Petersilie und ich weiß nicht, was meine Mutter da noch reinsteckt." - "Früher habe ich auch noch diese Kleeblätter gesammelt, die man in so einen Strumpf reinmachen konnte mit dem Ei. Und dann hattest 'du das Ei dann blau. Und da, wo die Petersilie war und das Blatt, hattest Du es eben weiß."
Alexandra Simtion und Andrea Oance haben sich schon seit Längerem nicht mehr gesehen. Beide sind Mitte 20, haben das deutschsprachige Nikolaus-Lenau-Gymnasium in Temeswar besucht. Alexandra Simtion lebt seit ein paar Jahren in Deutschland, macht an der Universität Stuttgart-Hohenheim derzeit ihre Doktorarbeit. Andrea Oance arbeitet als Journalistin in Temeswar. Wenn sie sich an Ostern treffen, dann kreisen die Gespräche natürlich auch um Ostertraditionen wie das Eierfärben mit Zwiebeln und Petersilie, wie es in vielen Familien Westrumäniens heute noch üblich ist. An Ostern nachhause fahren, nach Temeswar, die Feiertage mit ihrer Familie verbringen - Alexandra Simtion kann sich gar nichts anderes vorstellen. Weil: Ostern in Rumänien - das ist halt doch etwas sehr Spezielles.
"Mein Herz ist immer hier. Also insofern kann ich gar keinen Vergleich anstellen. Also in Deutschland, da sind die Ostertage etwas für die Familie. Also man unternimmt was, macht was zusammen. Es gibt da auch viele, die über Ostern kurz in Urlaub fahren oder so. Das würde hier, glaube ich, niemand machen, soweit mir bekannt. Weil: Ostern dauert hier nicht nur einen Tag, sondern mindestens drei. Also das ist nach Weihnachten wirklich das wichtigste Fest im Jahr. Insofern würde ich sagen, dass das hier noch eine stärkere religiöse Bedeutung hat, während das in Deutschland wahrscheinlich eher ein kleines Familientreffen ist oder halt ein paar freie Tage."
Das zeigt sich bereits auf dem kleinen Ostermarkt auf dem mächtigen Platz zwischen der Oper und der riesigen, orthodoxen Kathedrale, gut zehn Gehminuten vom Piazza Oniri entfernt. Orthodoxe Gesänge dringen aus den Lautsprechern der kleinen Holzhütten, die sich im Schatten der bourgeoisen Stadtpaläste aus dem 19. Jahrhundert links und rechts des Opernplatzes winzig klein ausnehmen. "Toate objetctele sind sfintite" steht auf einem Schild an einer der Hütten, was soviel heißt wie: Alle Artikel sind vom Priester geweiht.
Ein Mann, Mitte 40, besorgt das letzte, kleine Ostergeschenk.
"Ich habe ein kleines Engelchen gekauft. Drei Lei kostet das, also weniger als ein Euro. Das kommt gut an. Das kann man als kleines Geschenk sehr gut weitergeben. Das kommt an diesem Feiertag sehr gut, weil ja die orthodoxen Rumänen Ostern sogar noch wichtiger deuten als Kirchentag als Weihnachten."
Siegfried Thiel ist Rumäniendeutscher; seine Vorfahren kamen vor rund 300 Jahren ins Banat, wie der Westen Rumäniens rund um Temeswar auch genannt wird. Siegfried Thie gehört zwar der katholischen Kirche an. Die meisten seiner Bekannten und viele seiner Familien sind aber orthodox; rund 85 Prozent aller Rumäninnen und Rumänen gehören der orthodoxen Kirche an; der Rest besteht in der Mehrzahl aus Katholiken und, vor allem in zentralrumänischen Siebenbürgen, auch Protestanten. Nicht immer fällt wie in diesem Jahr das orthodoxe und das rumänische Ostern auf demselben Termin. Manchmal liegen drei, manchmal sogar fünf und sechs Wochen dazwischen. Viele Rumäninnen und Rumänen gehen das, wie Andrea Oance Alexandra Simtion, ziemlich pragmatisch an:
"Dann feiert man das zweimal. Und es ist immer lustig, wenn man zweimal Geschenke bekommt, zwei Mal Eier färbt und zweimal Kuchen isst. Dann ist einfach die Feier doppelt. - Meine Familie ist orthodox. Aber meine Freunde als Kind, die bei uns im Haus wohnten, die waren zum Beispiel katholisch. Das waren Ungarn und Deutsche gewesen. Und die haben halt auch Ostern gefeiert, zwei Wochen vor uns oder nach uns. Und wir als Kinder haben auch ein bisschen mitgefeiert. Bei denen gab’s Geschenke. Und dann haben wir bei denen noch Eierklopfen gespielt. Also diejenigen bei mir, die katholisch waren, haben das Eierklopfen auch gespielt, weil sie hier gewohnt haben und es so gelernt haben."
Das sogenannte Eierklopfen ist aus der Tradition des Osterfestes in Rumänien nicht mehr wegzudenken. Andrea Oance und Alexandra Simtion klopfen mit zwei der bunt bemalten Eier gegeneinander - erst sanft, dann ein wenig kräftiger.
"Also, es ist so: Jeder nimmt sich am Ostersonntag, am Morgen ein Ei, beim Frühstück. Und dann klopft man mit seinem Ei auf das Ei des nächstliegenden oder -sitzenden der Familie oder im Freundeskreis. Und dann sagt man: 'Christus ist auferstanden’ und klopft mit der Ei-Spitze auf die andere Ei-Spitze. Und dann guckt man, wer gewonnen hat, wessen Ei also sozusagen nicht zerbrochen ist."
Doch zuvor steht der Besuch der Kirche im Mittelpunkt des orthodoxen Osterfestes in Rumänien - und zwar in der Osternacht, genau um Mitternacht. Die mächtige Kathedrale, nicht weit vom Ufer des Flusses Bega entfernt, fast voll besetzt. Dicht an dicht stehen die Menschen unter den großflächigen Ikonendarstellungen und den riesigen goldenen Kronleuchtern. Jeder hält eine Kerze in der Hand, die aber noch nicht entzündet ist. Plötzlich wird es ganz ruhig; die Lichter gehen aus.
Jetzt kommt der Pfarrer mit dem ewigen Licht, sagt ein Mann, Mitte 50 und schaut ehrfürchtig nach vorne. Ein anderer ergänzt: Das ewige Licht kommt aus Jerusalem, aus der Heiligen Stadt. Vor dem Altar entzündet ein Pfarrer in wenigen Minuten die Kerzen aller Gläubigen, die nach vorne eilen. Dann zieht der Pfarrer mit weiteren Gläubigen nach draußen, umrundet einmal die gesamte Kathedrale. Immer wieder hört in der Masse der Menschen neben Rumänisch auch Ungarisch, Serbisch - und Deutsch.
"Temeswar oder Temeschburg ist eine multinationale Stadt. Es gibt verschiedene Traditionen. Die Leute kommen sehr gut zusammen: Deutsche, Ungarn, Serben gibt es. Links habe ich ein Ungarn. Dann habe ich sehr viele Deutsche in der Straße. Sehr viele überhaupt sprechen Deutsch."
Vasilie Andries arbeitet heute als Schlossermeister in Temeswar, besuchte aber vor gut 30 Jahren eine Dolmetscherschule in Nürnberg. Temeswar, die multiethnische Stadt: Unter den fast 400 000 Einwohnern leben ethische Serben, Ungarn und Deutsche schon seit Jahrhunderten mit den Rumänen konfliktfrei zusammen - ein Modell für friedliche multiethnische Koexistenz. Auch viele Rumäninnen und Rumänen haben Deutsch gelernt. Doch jetzt, zur Mitternachtsstunde in der Kathedrale, gibt es einen Gruß, den jeder jedem entbietet:
"Christus ist auferstanden!" Millionenfach hallt dieser Ruf in der Osternacht nicht nur durch die Temeswarer Kathedrale, sondern durch alle orthodoxen Kirchen Rumäniens. Die Messe danach geht bis in die frühen Morgenstunden; in der Kathedrale stehen junge Teenager neben Männern mit Krawatte, Rentnern in abgewetzten Hemden und Hosen, alte Frauen in der Schütze. In der Osternacht, so scheint es, sind alle vereint. Dann ein paar Stunden Schlaf, bevor das typische Ostergericht serviert wird:
"Lamm, sauerem Lamm oder vom Grill Lamm, alles Lamm."
Doru ist Kellner im "Lolyds", einem Traditionslokal am Opernplatz mit Stühlen, Tischen und Holzschnitzereien aus der k. und k-Zeit. Als Koch hat er früher auf einem Donau-Damper gearbeitet und dabei ein wenig Deutsch gelernt. Die meisten essen ihr Osterlamm aber zuhause, in der Familie, wie Andrea Oance. Sie freut sich im Übrigen auch aufs Desert:
"Es gibt da auch ein spezielles Gebäck, das nur zu Ostern gebacken wird, und zwar die Pasque, heißt es auf Rumänisch: Das ist so ein Kuchen, so ein Hefekuchen mit Süßkäse und Rosinen. - Genau mit Frischkäse mit Rosinen. Und das macht man dann in seiner runden Form. Und das ist dann Teig bedeckt. Und in einer Kreuzform sieht man dann diesen Käse rausragen wie ein Kreuz. Eine kirchliche Sache ist das."
Doru, der Ober im Traditionslokal Lloyds, schlägt seinen Gästen Osterlamm auch noch den passenden Wein aus Rumänien vor. Und für alle hat er den selben Wunsch auf den Lippen:
"Glückliche Ostern !" - "Ja, danke!"
"Ich weiß, dass es schon am Karfreitag anfängt, zu Messezeiten, in der ganzen Stadt überall zu klopfen. Das ist so ein Holzbrett, ziemlich groß, das man irgendwo aufhängt an der Kirche, meistens an zwei Seilen. Und dann gibt es ein oder zwei Hämmerchen, manchmal auch mehr. Und dann stehen meistens ein Kind auf der einen Seite und das andere Kind auf der anderen Seite Und die klopfen in einem bestimmten Rhythmus auf dieses Holz. Und ich weiß nur, dass es eine bestimmte Sorte von Holz ist."
Zwei junge Frauen sitzen in einem kleinen Straßencafé auf dem Piata Uniri, mitten im Zentrum der westrumänischen Großstadt Temeswar, eingerahmt von spätbarocken Altstadtfassaden. Manche davon erstrahlen in kräftigen Farben, scheinen also vor nicht allzu langer Zeit renoviert worden zu sein.
Bei anderen Gebäuden dagegen bröckelt der Putz ab. Als die Kinder dann doch mal eine Pause einlegen, sind die zwei Frauen glücklich über die Stille, die sich über den Platz legt. Schließlich haben sie sich etwas zu erzählen.
"Hast du deine Eier schon bemalt?" - "Ja, heute schon mit meiner Mutter". - "Nehmt ihr eigentlich die gekauften Farben? Oder macht ihr das immer noch mit der Schale, mit dieser Zwiebelschale und solchen Sachen?" - Ja, die roten Eier, die bemalen wir immer so mit Zwiebeln. Und die grünen mit Blättern von Petersilie und ich weiß nicht, was meine Mutter da noch reinsteckt." - "Früher habe ich auch noch diese Kleeblätter gesammelt, die man in so einen Strumpf reinmachen konnte mit dem Ei. Und dann hattest 'du das Ei dann blau. Und da, wo die Petersilie war und das Blatt, hattest Du es eben weiß."
Alexandra Simtion und Andrea Oance haben sich schon seit Längerem nicht mehr gesehen. Beide sind Mitte 20, haben das deutschsprachige Nikolaus-Lenau-Gymnasium in Temeswar besucht. Alexandra Simtion lebt seit ein paar Jahren in Deutschland, macht an der Universität Stuttgart-Hohenheim derzeit ihre Doktorarbeit. Andrea Oance arbeitet als Journalistin in Temeswar. Wenn sie sich an Ostern treffen, dann kreisen die Gespräche natürlich auch um Ostertraditionen wie das Eierfärben mit Zwiebeln und Petersilie, wie es in vielen Familien Westrumäniens heute noch üblich ist. An Ostern nachhause fahren, nach Temeswar, die Feiertage mit ihrer Familie verbringen - Alexandra Simtion kann sich gar nichts anderes vorstellen. Weil: Ostern in Rumänien - das ist halt doch etwas sehr Spezielles.
"Mein Herz ist immer hier. Also insofern kann ich gar keinen Vergleich anstellen. Also in Deutschland, da sind die Ostertage etwas für die Familie. Also man unternimmt was, macht was zusammen. Es gibt da auch viele, die über Ostern kurz in Urlaub fahren oder so. Das würde hier, glaube ich, niemand machen, soweit mir bekannt. Weil: Ostern dauert hier nicht nur einen Tag, sondern mindestens drei. Also das ist nach Weihnachten wirklich das wichtigste Fest im Jahr. Insofern würde ich sagen, dass das hier noch eine stärkere religiöse Bedeutung hat, während das in Deutschland wahrscheinlich eher ein kleines Familientreffen ist oder halt ein paar freie Tage."
Das zeigt sich bereits auf dem kleinen Ostermarkt auf dem mächtigen Platz zwischen der Oper und der riesigen, orthodoxen Kathedrale, gut zehn Gehminuten vom Piazza Oniri entfernt. Orthodoxe Gesänge dringen aus den Lautsprechern der kleinen Holzhütten, die sich im Schatten der bourgeoisen Stadtpaläste aus dem 19. Jahrhundert links und rechts des Opernplatzes winzig klein ausnehmen. "Toate objetctele sind sfintite" steht auf einem Schild an einer der Hütten, was soviel heißt wie: Alle Artikel sind vom Priester geweiht.
Ein Mann, Mitte 40, besorgt das letzte, kleine Ostergeschenk.
"Ich habe ein kleines Engelchen gekauft. Drei Lei kostet das, also weniger als ein Euro. Das kommt gut an. Das kann man als kleines Geschenk sehr gut weitergeben. Das kommt an diesem Feiertag sehr gut, weil ja die orthodoxen Rumänen Ostern sogar noch wichtiger deuten als Kirchentag als Weihnachten."
Siegfried Thiel ist Rumäniendeutscher; seine Vorfahren kamen vor rund 300 Jahren ins Banat, wie der Westen Rumäniens rund um Temeswar auch genannt wird. Siegfried Thie gehört zwar der katholischen Kirche an. Die meisten seiner Bekannten und viele seiner Familien sind aber orthodox; rund 85 Prozent aller Rumäninnen und Rumänen gehören der orthodoxen Kirche an; der Rest besteht in der Mehrzahl aus Katholiken und, vor allem in zentralrumänischen Siebenbürgen, auch Protestanten. Nicht immer fällt wie in diesem Jahr das orthodoxe und das rumänische Ostern auf demselben Termin. Manchmal liegen drei, manchmal sogar fünf und sechs Wochen dazwischen. Viele Rumäninnen und Rumänen gehen das, wie Andrea Oance Alexandra Simtion, ziemlich pragmatisch an:
"Dann feiert man das zweimal. Und es ist immer lustig, wenn man zweimal Geschenke bekommt, zwei Mal Eier färbt und zweimal Kuchen isst. Dann ist einfach die Feier doppelt. - Meine Familie ist orthodox. Aber meine Freunde als Kind, die bei uns im Haus wohnten, die waren zum Beispiel katholisch. Das waren Ungarn und Deutsche gewesen. Und die haben halt auch Ostern gefeiert, zwei Wochen vor uns oder nach uns. Und wir als Kinder haben auch ein bisschen mitgefeiert. Bei denen gab’s Geschenke. Und dann haben wir bei denen noch Eierklopfen gespielt. Also diejenigen bei mir, die katholisch waren, haben das Eierklopfen auch gespielt, weil sie hier gewohnt haben und es so gelernt haben."
Das sogenannte Eierklopfen ist aus der Tradition des Osterfestes in Rumänien nicht mehr wegzudenken. Andrea Oance und Alexandra Simtion klopfen mit zwei der bunt bemalten Eier gegeneinander - erst sanft, dann ein wenig kräftiger.
"Also, es ist so: Jeder nimmt sich am Ostersonntag, am Morgen ein Ei, beim Frühstück. Und dann klopft man mit seinem Ei auf das Ei des nächstliegenden oder -sitzenden der Familie oder im Freundeskreis. Und dann sagt man: 'Christus ist auferstanden’ und klopft mit der Ei-Spitze auf die andere Ei-Spitze. Und dann guckt man, wer gewonnen hat, wessen Ei also sozusagen nicht zerbrochen ist."
Doch zuvor steht der Besuch der Kirche im Mittelpunkt des orthodoxen Osterfestes in Rumänien - und zwar in der Osternacht, genau um Mitternacht. Die mächtige Kathedrale, nicht weit vom Ufer des Flusses Bega entfernt, fast voll besetzt. Dicht an dicht stehen die Menschen unter den großflächigen Ikonendarstellungen und den riesigen goldenen Kronleuchtern. Jeder hält eine Kerze in der Hand, die aber noch nicht entzündet ist. Plötzlich wird es ganz ruhig; die Lichter gehen aus.
Jetzt kommt der Pfarrer mit dem ewigen Licht, sagt ein Mann, Mitte 50 und schaut ehrfürchtig nach vorne. Ein anderer ergänzt: Das ewige Licht kommt aus Jerusalem, aus der Heiligen Stadt. Vor dem Altar entzündet ein Pfarrer in wenigen Minuten die Kerzen aller Gläubigen, die nach vorne eilen. Dann zieht der Pfarrer mit weiteren Gläubigen nach draußen, umrundet einmal die gesamte Kathedrale. Immer wieder hört in der Masse der Menschen neben Rumänisch auch Ungarisch, Serbisch - und Deutsch.
"Temeswar oder Temeschburg ist eine multinationale Stadt. Es gibt verschiedene Traditionen. Die Leute kommen sehr gut zusammen: Deutsche, Ungarn, Serben gibt es. Links habe ich ein Ungarn. Dann habe ich sehr viele Deutsche in der Straße. Sehr viele überhaupt sprechen Deutsch."
Vasilie Andries arbeitet heute als Schlossermeister in Temeswar, besuchte aber vor gut 30 Jahren eine Dolmetscherschule in Nürnberg. Temeswar, die multiethnische Stadt: Unter den fast 400 000 Einwohnern leben ethische Serben, Ungarn und Deutsche schon seit Jahrhunderten mit den Rumänen konfliktfrei zusammen - ein Modell für friedliche multiethnische Koexistenz. Auch viele Rumäninnen und Rumänen haben Deutsch gelernt. Doch jetzt, zur Mitternachtsstunde in der Kathedrale, gibt es einen Gruß, den jeder jedem entbietet:
"Christus ist auferstanden!" Millionenfach hallt dieser Ruf in der Osternacht nicht nur durch die Temeswarer Kathedrale, sondern durch alle orthodoxen Kirchen Rumäniens. Die Messe danach geht bis in die frühen Morgenstunden; in der Kathedrale stehen junge Teenager neben Männern mit Krawatte, Rentnern in abgewetzten Hemden und Hosen, alte Frauen in der Schütze. In der Osternacht, so scheint es, sind alle vereint. Dann ein paar Stunden Schlaf, bevor das typische Ostergericht serviert wird:
"Lamm, sauerem Lamm oder vom Grill Lamm, alles Lamm."
Doru ist Kellner im "Lolyds", einem Traditionslokal am Opernplatz mit Stühlen, Tischen und Holzschnitzereien aus der k. und k-Zeit. Als Koch hat er früher auf einem Donau-Damper gearbeitet und dabei ein wenig Deutsch gelernt. Die meisten essen ihr Osterlamm aber zuhause, in der Familie, wie Andrea Oance. Sie freut sich im Übrigen auch aufs Desert:
"Es gibt da auch ein spezielles Gebäck, das nur zu Ostern gebacken wird, und zwar die Pasque, heißt es auf Rumänisch: Das ist so ein Kuchen, so ein Hefekuchen mit Süßkäse und Rosinen. - Genau mit Frischkäse mit Rosinen. Und das macht man dann in seiner runden Form. Und das ist dann Teig bedeckt. Und in einer Kreuzform sieht man dann diesen Käse rausragen wie ein Kreuz. Eine kirchliche Sache ist das."
Doru, der Ober im Traditionslokal Lloyds, schlägt seinen Gästen Osterlamm auch noch den passenden Wein aus Rumänien vor. Und für alle hat er den selben Wunsch auf den Lippen:
"Glückliche Ostern !" - "Ja, danke!"