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Eierlegende Wollmilchsau

Technologie.- Das Internet zieht um – vom Arbeits- ins Wohnzimmer. Die Vermählung von TV und World Wide Web in einem Gerät ist einer der Trends auf der diesjährigen IFA. Weitere sind das Fernsehen in 3D oder auch die Kamera mit Projektor.

Von Wolfgang Noelke |
    IP-TV

    Der 42 Zoll-Bildschirm vor mir hängt nicht an der Wand, sondern liegt wackelsicher auf einem filigranen Stahlrohrgestell. Das Ganze heißt "Loewe Connect" und ist die Kombination eines voll HD-tauglichen Fernsehempfängers für terrestrischen, Satelliten oder Kabelempfang und IP-TV, also Internet-Fernsehen empfängt er auch, sogar im bestmöglichen Format 1080p. Ohne Zusatzgeräte!

    Mit Druck auf die Fernbedienung erscheint das aktuelle Fernsehprogramm. Die wichtigste Taste auf der Fernbedienung heißt "Assist". - Damit komme ich ins Menü, mit der Auswahl: TV, Radio Digital, dann Internet Radio, Teletext – (ja, den gibt es auch noch) und - wenn ich DR-Archiv auswähle... Aha, jetzt weiß ich auch, was das heißt: Digital Records sind das! Hier finde ich alle Sendungen, die ich mal aufgenommen habe. Der Recorder ist nämlich auch gleich im Fernseher eingebaut und hat für 86 Stunden Aufnahmen Platz. Ich springe zurück, wieder mit der Taste Assist – und klicke auf Photo Viewer. Sehen kann ich Fotos aber nur dann, wenn ich die Fotos auf einem USB-Stick oder auf einer Festplatte mitbringe oder gleich die Kamera am USB-Port rechts am Bildschirm anschließe.

    Ich kann die Bilder nur sehen, aber nicht speichern. So ähnlich funktioniert auch die Musicbox. Auch hier muss ich die digitale Musik auf irgendeinem USB-Speichermedium mitbringen. Radio kann ich terrestrisch, digital, über Satellit und Internet empfangen und sogar Hörbuch-Abos sind möglich. Das Hörbuch kommt als digitale Datei, also nicht mehr per CD. Media-Network öffnet das Internet. Ich kann mit der Tastatur der Fernbedienung, ähnlich, wie beim SMS Videoportale wie Youtube anwählen. Und falls ich digital vernetzte Hausgeräte habe, könnte ich vom Sofa aus meinen gesamten Haushalt bedienen. Ehrlich gesagt: So edel, wie diese Fernbedienung ist: Da wünsche ich mir nicht so ein Designteil, sondern lieber richtig dicke Tasten, die ich auch sehen und fühlen kann. Dafür lässt sich diese Fernbedienung auch im Nebenraum benutzen oder unter der Bettdecke – ich muss also nicht auf den Bildschirm zielen, habe aber zur Kontrolle über den Tasten ein Mini-OLED.


    Kamera mit Projektor

    Die Idee entstand wahrscheinlich auf einer Party und das Ergebnis passt jetzt in der Halle 15 am Nikon-Stand genau in meine Handfläche: Die Kamera heißt Coolpix S1000pj und ist nach Herstellerangaben die weltweit erste Kamera mit eingebautem Projektor. Die Coolpix hat also zwei "Augen". Das eine in der Mitte ist ständig geöffnet und das ist der Projektor und unter dem Sucher an der Seite öffnet sich das zweite. Das ist das Objektiv. Der Projektor liegt flach in der Kamera und projiziert über ein Prisma das aufgenommene Foto entweder in meine Hand oder bis zu einem Meter Größe auch an eine Wand. Dafür muss es jedoch dunkel genug sein, was hier in der Halle 15 garantiert nicht der Fall ist. Hier hat der Aussteller sogar extra eine Art Dunkelkammer aufgebaut, auf dessen Rückseite eine DIN A 4 große Projektionsfläche ist, worauf ich wenigstens ein paar Farben des sonst recht flauen Bildes erkennen kann.

    Fazit: Um die Aufnahmen auf den sonnigen Sandstrand oder auf den Schnee zu projizieren, reicht das LED- Licht garantiert nicht. Aber während nächtlicher Partys braucht man seine Kamera künftig nicht mehr aus der Hand zu geben, um allen die Fotos zu zeigen. Im Notfall kann man die Bilder aufs weiße T-Shirt der Begleiterin projizieren. 220 Aufnahmen schafft man mit einem frischen Akku, der Fünffach-Zoom ist ausschließlich digital, aber dafür ist die Kamera flach, hat einen OLED – Touchscreen, dessen Menü einfach zu bedienen ist und eine SD- Karte als Speicher. Ein schöner Partyspaß, dessen Kosten jetzt noch niemand verraten will.


    RGB-Backlight

    Der Bildschirm ist frappierend scharf, kontrastreich, sehr dünn – und wahnsinnig teuer: 9000 Euro die Spezialanfertigung die Sharp in der Halle 3.2 präsentiert. Das Prinzip ist genial: Statt das Hintergrundlicht über Leuchtstoffröhren zu gewinnen, sind hinter der bildgebenden Fläche des 53-Zollbildschirms, mehr als 1000 starke LED-Elemente verbaut, die nicht nur das Licht in drei Grundfarben senden, sondern auch stufenlos von Hell bis dunkel dimmbar sind.

    An den Stellen, an denen eine rote Stelle im LCD Bild hinten mit weißem Licht bestrahlt wird, strahlt die Hintergrundbeleuchtung jetzt ebenfalls rot und hinter schwarzen Bildsegmenten ist die Hintergrundbeleuchtung aus. Schwarz erscheint nicht mehr grau gefiltert, sondern ist dann wirklich schwarz. Und das sehe ich auf diesem Bildschirm sehr deutlich. Die Bilder wirken außerordentlich kontrastreich, selbst in dieser beleuchteten Messehalle. Das Bild ist so extrem scharf und kontrastreich, dass sogar kleinste Fehler des Videomaterials als leichtes "Grisseln" auffallen.

    Den Bildschirm ordne ich mal als "unbestechlich" ein. Dagegen zeigen konventionelle LC-Bildschirme doch etwas verwaschene Bilder. Ich wage mal einen akustischen Vergleich zwischen Mittelwelle und Digital-Radio. Hinzu kommt, dass diese sogenannte Full-LED-Hintergrundbeleuchtung wohl eine Menge Strom spart, gegenüber unseren heutigen konventionellen Typen. Laut Angaben des Herstellers spart diese Technik im Extremfall zwei Drittel Energie. 80 Watt pro Stunde verbraucht so ein Bildschirm, statt, wie bisher 250 Watt. Wenn die Herstellung einfacher ist und das Gerät im nächsten Jahr marktreif sein soll, kommt noch ein weiteres Sparelement hinzu: Der Bildschirm soll merken, wenn die Zuschauer einschlafen – und schaltet sich ab.


    3D-TV

    Es lohnt sich, in der Besucherschlange zu warten, vor dem kleinen schwarzen Raum bei Panasonic in der Halle fünf, den ich gerade staunend verlassen habe. Das ist nämlich ein kleines Kino mit vielleicht zwanzig Plätzen. Hier hatte ich gerade mein ultimatives 3D-Erlebnis. Jeder Besucher erhält vorher eine elastische Brille, mit grünlich schimmernden Gläsern, eine sogenannte Shutter-Brille. Sowas trägt man dann auch zu Hause, wenn im nächsten Jahr vielleicht die ersten 3D- Bildschirme auf den Markt kommen. Die Shutter-Brille öffnet dann synchron zu den beiden Stereo-Filmbildern abwechselnd das linke und das rechte Glas in einer so hohen Geschwindigkeit, dass wir das gar nicht bemerken. Also, bei mir hat nichts geflimmert – und auch die Brille sitzt bequem – und zwar über meiner eigenen Brille, die ich sowieso schon trage.

    Ich sah eben nicht nur Ausschnitte aus 3D-Actionfilmen, sondern beispielsweise auch 3D-Originalaufnahmen der Eröffnung der letzten Olympischen Spiele, inklusive des Konfettiregens im Stadion. Und ich stand plötzlich mittendrin, in diesem Konfettiregen. Gerade diese Sport-Szenen im Stadion zeigen eine ungewöhnliche Tiefe im Bild, ohne dass der Vordergrund unnatürlich wirkt oder der Hintergrund plakativ. Hätte ich vergessen, dass es nur ein Film ist, wäre ich hineinspaziert. Und ich stand in dem kleinen Kino nicht in der Mitte, sondern extrem am Rand des Plasmabildschirms. Und noch was: Ich hab auch mal unter der Shutterbrille durchgeschielt: Kein Doppelbild mit ausgefransten Farben: Auch in 2D, ohne Brille sind 3D-Filme ein Genuss.