"Rosa – eigenartig grün" und "Rosenknöspchen auf Tintenfüßchen" – so nannte sie der Hamburger Ikonologe Aby Warburg, nachdem sie ihm auf dem Darmstädter Kunsthistoriker-Kongress 1907 als kämpferische Verfechterin der soeben gegründeten Dresdener "Brücke-Künstler" aufgefallen war: Mit solch zwiespältigen Kosenamen mussten Akademikerinnen in jenen Zeiten rechnen, auch die damals gar nicht mehr so junge Rosa Schapire.
Die 33-Jährige war – als eine der ersten in Deutschland – in Heidelberg promoviert worden und soeben der Künstler-Gruppe "Brücke" (kurz: KGB) beigetreten. Ihr Original-KGB-Ausweis – ein symbolisches Exponat gleich zu Beginn der Schau – weist sie als passives Mitglied aus. Und sie sollte Zeit ihres bewegten Lebens Förderin, Sammlerin und Interpretin der deutschen Expressionisten bleiben. Im Zentrum der Hamburger Ausstellung steht eine nahezu komplette Rekonstruktion der beeindruckenden Sammlung Rosa Schapires, an der die Kuratorin Leonie Beiersdorf in den letzten anderthalb Jahren gearbeitet hat.
Vor allem werfen die Exponate Licht auf die enge Beziehung, die Rosa Schapire zu Karl Schmidt-Rottluff hatte. Er fertigte ihr nicht nur Gemälde und Grafiken, auch Briefköpfe und persönlichen Schmuck. Doch die eigensinnige Kunsthistorikerin war keineswegs eine erotische Muse, sondern was man heute eine Netzwerkerin nennen würde: Rastlos zum höheren Wohle der eher naiven Brücke-Bohèmiens tätig, knüpfte sie handfeste Verbindungen zu Museen, Sammlern und Kunsthallen, schrieb so einfühlsame wie kenntnisreiche Feuilletons, gründete Hilfsvereinigungen, wie den einzigartigen "Frauenbund zur Förderung deutscher bildenden Kunst".
Nicht etwa Wohltätigkeit für Künstlerinnen war Ziel des 1916 gegründeten Vereins, sondern gleichsam Nachhilfe für begriffsstutzige Museumsdirektoren. Der wackere Gustav Pauli, der mit seinem Einsatz für van Gogh und die französischen Impressionisten vor dem 1. Weltkrieg noch in Bremen für einen "Deutschen Künstlerstreit" gesorgt hatte, war – nach dem Weltkrieg als Direktor der Hamburger Kunsthalle – nur durch gutes Zureden, beziehungsweise mildtätige Schenkungen davon zu überzeugen, deutsche Expressionisten in die Sammlung aufzunehmen.
Anders Max Sauerland, damals Direktor des Hamburger Museums für Kunst und Gewerbe: Er kaufte – beraten von Rosa Schapire – ein bedeutendes Konvolut expressionistischer Malerei, Grafik und Plastik an.
Solche Erfolge machten Rosa bei den Künstlern zur umschwärmten Gestalt.
An die hundert Künstlerpostkarten aus ihrem Nachlass – gemalt und geschrieben vor allem von Karl Schmidt-Rottluff und Erich Heckel, aber auch Pechstein und Radziwill – beglaubigen die freundschaftlichen Beziehungen, die die Künstler zu ihr pflegten. Es ist eine der grausamen Ironien der Kunstgeschichte, dass der später zum Nationalsozialismus konvertierte Radziwill 1935 genau wegen dieser seiner expressionistischen "Jugendsünden" von den Nazis in Düsseldorf Berufs- und Ausstellungsverbot erhielt. Im gleichen Jahr wandte sich die streitbare Rosa Schapire empört öffentlich dagegen, dass als "entartet" verfemte expressionistische Werke klammheimlich aus Hamburger Museen entfernt wurden. Zeitweise wurde ihr deswegen Hausverbot in der Kunsthalle erteilt.
Auf der Ausstellung "Entartete Kunst" war dann auch ein Porträt Rosa Schapires zu sehen. Gleichsam in letzter Minute – nämlich 1939 – entschied sie sich resignierend ins Londoner Exil zu gehen. Ihr gesamter Besitz aber, der im Hamburger Hafen eingelagert war, wurde später als "Judenbesitz" verschleudert, er ist bis heute verschollen. Auf Umwegen konnte sie immerhin ihre Schmidt-Rottluff-Sammlung nach England retten.
Die Hamburger Schau überinszeniert den schmerzlichen Weg der Ausgrenzung allzu dramatisch mit Schwarzlicht und Weißlicht-Blitzen. Instruktiver ist hier der Katalog, der die Schwierigkeiten ihrer Integration illustriert, und auch die Vorbehalte, auf die Werke deutscher Expressionisten in England auch lange nach dem 2. Weltkrieg noch stießen. So ließ sich die Londoner Tate Gallery erst nach längerem Drängen dazu herbei, das Gemälde "Dame mit Handtasche", ein Schlüsselwerk Schmidt-Rottluffs aus dem Kriegsjahr 1915, anzunehmen. Jetzt ist das eigenartig-grüne, düster-pathetische Bild auf Zeit nach Hamburg zurückgekommen.
Rosa Schapire selbst kehrte nie wieder nach Deutschland zurück. Verarmt starb sie 1954 an einem Herzschlag bei einem Besuch der Tate Gallery. Erst posthum wurden der "Volljüdin" Rosa Schapire 40.000,- DM Wiedergutmachung gewährt. Ihr Schicksal ist ein eindringliches Beispiel dafür, wie sich Hitler-Deutschland seiner besten Intellektuellen und Künstler entledigte. Die Hamburger Erinnerungsausstellung ist immerhin ein kleines Stück Wiedergutmachung.
Die 33-Jährige war – als eine der ersten in Deutschland – in Heidelberg promoviert worden und soeben der Künstler-Gruppe "Brücke" (kurz: KGB) beigetreten. Ihr Original-KGB-Ausweis – ein symbolisches Exponat gleich zu Beginn der Schau – weist sie als passives Mitglied aus. Und sie sollte Zeit ihres bewegten Lebens Förderin, Sammlerin und Interpretin der deutschen Expressionisten bleiben. Im Zentrum der Hamburger Ausstellung steht eine nahezu komplette Rekonstruktion der beeindruckenden Sammlung Rosa Schapires, an der die Kuratorin Leonie Beiersdorf in den letzten anderthalb Jahren gearbeitet hat.
Vor allem werfen die Exponate Licht auf die enge Beziehung, die Rosa Schapire zu Karl Schmidt-Rottluff hatte. Er fertigte ihr nicht nur Gemälde und Grafiken, auch Briefköpfe und persönlichen Schmuck. Doch die eigensinnige Kunsthistorikerin war keineswegs eine erotische Muse, sondern was man heute eine Netzwerkerin nennen würde: Rastlos zum höheren Wohle der eher naiven Brücke-Bohèmiens tätig, knüpfte sie handfeste Verbindungen zu Museen, Sammlern und Kunsthallen, schrieb so einfühlsame wie kenntnisreiche Feuilletons, gründete Hilfsvereinigungen, wie den einzigartigen "Frauenbund zur Förderung deutscher bildenden Kunst".
Nicht etwa Wohltätigkeit für Künstlerinnen war Ziel des 1916 gegründeten Vereins, sondern gleichsam Nachhilfe für begriffsstutzige Museumsdirektoren. Der wackere Gustav Pauli, der mit seinem Einsatz für van Gogh und die französischen Impressionisten vor dem 1. Weltkrieg noch in Bremen für einen "Deutschen Künstlerstreit" gesorgt hatte, war – nach dem Weltkrieg als Direktor der Hamburger Kunsthalle – nur durch gutes Zureden, beziehungsweise mildtätige Schenkungen davon zu überzeugen, deutsche Expressionisten in die Sammlung aufzunehmen.
Anders Max Sauerland, damals Direktor des Hamburger Museums für Kunst und Gewerbe: Er kaufte – beraten von Rosa Schapire – ein bedeutendes Konvolut expressionistischer Malerei, Grafik und Plastik an.
Solche Erfolge machten Rosa bei den Künstlern zur umschwärmten Gestalt.
An die hundert Künstlerpostkarten aus ihrem Nachlass – gemalt und geschrieben vor allem von Karl Schmidt-Rottluff und Erich Heckel, aber auch Pechstein und Radziwill – beglaubigen die freundschaftlichen Beziehungen, die die Künstler zu ihr pflegten. Es ist eine der grausamen Ironien der Kunstgeschichte, dass der später zum Nationalsozialismus konvertierte Radziwill 1935 genau wegen dieser seiner expressionistischen "Jugendsünden" von den Nazis in Düsseldorf Berufs- und Ausstellungsverbot erhielt. Im gleichen Jahr wandte sich die streitbare Rosa Schapire empört öffentlich dagegen, dass als "entartet" verfemte expressionistische Werke klammheimlich aus Hamburger Museen entfernt wurden. Zeitweise wurde ihr deswegen Hausverbot in der Kunsthalle erteilt.
Auf der Ausstellung "Entartete Kunst" war dann auch ein Porträt Rosa Schapires zu sehen. Gleichsam in letzter Minute – nämlich 1939 – entschied sie sich resignierend ins Londoner Exil zu gehen. Ihr gesamter Besitz aber, der im Hamburger Hafen eingelagert war, wurde später als "Judenbesitz" verschleudert, er ist bis heute verschollen. Auf Umwegen konnte sie immerhin ihre Schmidt-Rottluff-Sammlung nach England retten.
Die Hamburger Schau überinszeniert den schmerzlichen Weg der Ausgrenzung allzu dramatisch mit Schwarzlicht und Weißlicht-Blitzen. Instruktiver ist hier der Katalog, der die Schwierigkeiten ihrer Integration illustriert, und auch die Vorbehalte, auf die Werke deutscher Expressionisten in England auch lange nach dem 2. Weltkrieg noch stießen. So ließ sich die Londoner Tate Gallery erst nach längerem Drängen dazu herbei, das Gemälde "Dame mit Handtasche", ein Schlüsselwerk Schmidt-Rottluffs aus dem Kriegsjahr 1915, anzunehmen. Jetzt ist das eigenartig-grüne, düster-pathetische Bild auf Zeit nach Hamburg zurückgekommen.
Rosa Schapire selbst kehrte nie wieder nach Deutschland zurück. Verarmt starb sie 1954 an einem Herzschlag bei einem Besuch der Tate Gallery. Erst posthum wurden der "Volljüdin" Rosa Schapire 40.000,- DM Wiedergutmachung gewährt. Ihr Schicksal ist ein eindringliches Beispiel dafür, wie sich Hitler-Deutschland seiner besten Intellektuellen und Künstler entledigte. Die Hamburger Erinnerungsausstellung ist immerhin ein kleines Stück Wiedergutmachung.