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Eigenartiger Streit

In Schweden streiten die Schriftsteller und es scheint ein Streit der Geschlechter zu sein: Da gibt es etwa Ernst Brunner, er schreibt Gedichte, Romane und Hörspieler durchaus anspruchsvoller Natur und wetterte gegen die Flut von Krimis weiblicher Autoren- sie sei wie Scheiße von den Möwen, die seine Insel in den Stockholmer Schären kaputtmache. Reiner Gatermann berichtet von einem eigenartigen Streit.

Moderation: Katja Lückert |
    Katja Lückert: Reiner Gatermann in Stockholm, alte Männer gegen Fräulein-Wunder-Autorinnen, oder worum geht es hier eigentlich?

    Rainer Gatermann: Es ist ein eigenartiger Streit. Einige nennen ihn das literarische Sommertheater. Und das eigenartige ist, die Kritik richtet sich gar nicht so sehr gegen den Allgemeinbegriff Kriminalautoren, sondern Kriminalautorinnen. Das ist zunächst einmal das eigenartige. Wenn man ein bisschen tiefer geht, dann geht die Trennlinie dort, dass einige, die sich selbst als seriöse Schriftsteller betrachten, sich in Gefahr sehen mit ihrer Literatur, dass sie von diesen leichtfertigen Kriminalautorinnen an die Wand gedrückt werden. Als Beispiel kann man nennen: In der derzeitigen Bestsellerliste in Schweden sind unter den ersten zehn Büchern acht Kriminalromane. Wenn man diese größten Kritiker einkommensmäßig vergleicht mit den Kriminalautoren, dann gibt es zwölf, die mehr verdienen als die beiden schärfsten Kritiker in dieser Sache. Dann gibt es die andere Trennlinie, dass die einigen sagen, diese Bevorzugung der Kriminalautoren, Kriminalautorinnen, dass die Belletristik an die Wand gespielt wird. Andere behaupten wiederum, Schweden habe einen hochattraktiven Büchermarkt, der in den letzen zehn Jahren um 25 Prozent gewachsen sei, und dieser Zuwachs sei teilweise den Kriminalschriftstellerinnen zuzuschreiben.

    Lückert: Wir wollen mal Namen nennen. Also zum Beispiel Gustav Willy Persson. Er ist 62 Jahre alt, er ist Kriminologieprofessor aber auch ein erfolgreicher Krimiautor, auch in Deutschland. Und er sagte zum Beispiel über seine jüngere Kollegin, auch eine Autorin, Camilla Läckberg in einem Interview, sie lege ihre Krimis an wie Kitschnovellen für Pferdemagazine. Was ist da der Hintergrund?

    Gatermann: Der eine Hintergrund - übrigens hat Camilla Läckberg Persson jetzt ein Abonnement geschenkt für diese Novellenzeitschrift "Das Pferd".

    Lückert: Das ist doch mal eine ganz witzige Reaktion.

    Gatermann: Das mal so nebenbei. Die einen sagen, dass das reiner Neid sei und dass das auch so ein Generationenwechsel sei. Und nun ist Persson hier auch bekannt als - also einige würden ihn Frauenhasser nennen und einen recht chauvinistischen älteren Herren, der jetzt noch versucht, sein Territorium zu verteidigen, aber was er bereits verloren habe. Eigenartigerweise, und das ist ziemlich ungewöhnlich für Schweden, hat sich dieser jetzige Streit so sehr konzentriert auf Autorinnen. Dafür gibt es eigentlich keine so plausible Begründung. Lediglich eben der Erfolg dieser Frauen.

    Lückert: Wo wird dieser Streit ausgetragen? Lesen das die Menschen in Zeitungen, gibt es da im Fernsehen Reaktionen?

    Gatermann: Zumindest in den Zeitungen bezeichnenderweise haben sich die großen Klassiker der schwedischen Literatur wie Enquist oder Jersild, auch Mankell, an dieser Debatte überhaupt nicht beteiligt. Die findet auf einer unteren Ebene statt. Und man fragt sich auch, wie sich so einige dieser Autoren, dieser Kritiker aus dieser Affäre eigentlich wieder herausziehen wollen. Denn der Erfolg spricht für die Frauen und spricht für die Kriminalautoren insgesamt, von denen jetzt gesagt wird, sie würden eigentlich ein Feld der Gesellschaftskritik in ihren Romanen belegen, die früher mal den Klassikern, den tiefgreifenden Autoren gehört hat. Aber heute sei das eben ein akzeptables Gebiet der Kriminalautoren.

    Lückert: Haben Sie mal was gelesen von Camilla Läckberg oder Lisa Marklund?

    Gatermann: Ja, sicher. Wenn man in Schweden wohnt, kommt man an ihnen nicht vorbei. Nein, die schreiben, haben einen recht lockeren Stil, das ist nicht philosophisch so tiefschürfend. Aber die Leute haben Recht, die sagen, die schneiden durchaus gesellschaftskritische Themen an. Und mit der Hilfe des Kriminalfalles versuchen sie das auch zu analysieren und machen damit durchaus einen Beitrag zur Gesellschaftsdebatte.