Betrunken ohne Alkohol
Eigenbrauer-Syndrom kann langen Leidensweg bedeuten

Auch ohne einen Tropfen Alkohol getrunken zu haben, können Menschen mehrere Promille im Blut haben. Beim sogenannten Eigenbrauer-Syndrom produziert der Körper nach dem Essen den Alkohol selbst.

    Verschiedene frisch gezapfte Sorten Craft Beer
    Das Eigenbrauer-Syndrom hat nichts mit Craft Beer zu tun - der Körper stellt vielmehr selbst Alkohol her. (dpa / Franziska Gabbert )
    Weil das Phänomen meist nicht direkt erkannt werde, könne es für Betroffene eine schwere Belastung sein, schreibt ein Medizinerteam im "Canadian Medical Association Journal". Die Diagnose werde häufig erst mit jahrelanger Verzögerung gestellt.
    "Das Eigenbrauer-Syndrom hat erhebliche soziale, rechtliche und medizinische Folgen für die Patienten und ihre Angehörigen", schreibt die Gruppe um Rahel Zewude von der University of Toronto. Berichtet wird über eine Frau in Kanada, die mehrfach wegen extremer Tagesmüdigkeit und undeutlicher Sprache in die Notaufnahme kam. Sie habe jedes Mal eine Alkoholvergiftung mit hohen Blutwerten und Alkohol im Atem gehabt - und stets erklärt, keinen Alkohol getrunken zu haben.

    Zwei Wochen lang arbeitsunfähig

    Die 50-Jährige sei von Internisten, aber auch von Psychiatern untersucht worden. Nach jedem Klinikbesuch habe sie für ein bis zwei Wochen wegen anhaltender Lethargie und Übermüdung nicht arbeiten können. Erst als sie das siebte Mal vorstellig wurde, sei das Eigenbrauer-Syndrom als mögliche Diagnose erwogen worden.
    Als Ursache für die seltene Erkrankung wird angenommen, dass die Darmflora von Pilzen überwuchert wird, die durch Gärung aus Kohlehydraten Alkohol erzeugen. Genannt werden Saccharomyces cerevisiae und Candida-Arten wie C. albicans.
    Wie es in dem Bericht heißt, könnte auch ein Zusammenhang zu anderen Krankheiten wie Diabetes oder Leberproblemen bestehen. Zudem könnte es eine erbliche Komponente geben. Auch bei Gesunden wird den Wissenschaftlern zufolge während der Verdauung Alkohol - genauer: Ethanol - gebildet, allerdings nur in kleinen Mengen.

    Therapie mit Mitteln gegen Pilzerkrankungen

    Im geschilderten Fall hatte die Patientin wegen Harnwegsinfektionen Antibiotika und einen Protonenpumpenhemmer gegen Magenbeschwerden eingenommen, ehe die zunächst rätselhaften Symptome auftraten. Nach der Diagnose des Eigenbrauer-Syndroms erhielt sie antimykotische, also gegen Pilzerkrankungen wirksame Medikamente. Überdies machte sie eine kohlehydratarme Diät. Daraufhin klangen die Symptome dauerhaft ab.
    Das Eigenbrauer-Syndrom hat schon mehrfach Gerichte beschäftigt. So war in Belgien ein Mann vom Vorwurf der Trunkenheit am Steuer erst nach dem Gutachten eines Rechtsmediziners freigesprochen worden.
    Diese Nachricht wurde am 03.06.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.