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Eigene Währung und Steuern verweigern

Die Bundesrepublik gibt es für sie nicht, sie gründen Kommissarische Reichsregierungen, eine eigene Währung mit Bank und nennen sich selber Reichsbürger. Inzwischen nerven sie auch zunehmend deutsche Behörden, denn sie treten oft dominant und aggressiv auf.

Von Claudia van Laak | 07.11.2013
    Wittenberg an einem Samstagvormittag. Kleine Gruppen von Touristen flanieren durch die Lutherstadt, besuchen die Stätten der Reformation.

    "Luther, als der, der auf die Schrift zeigt ..."

    Ein paar Schritte weiter, auf dem Weg zur Schlosskirche: die "Königliche Reichsbank". Sie heißt wirklich so. Und den passenden Herrscher gibt es auch: Peter, Imperator Fiduziar.

    "Das, was wir machen wollen, ist, dass den Menschen immer mehr klar wird, dass das Königreich Deutschland tatsächlich auch ein souveräner Staat ist."

    König Peter – mit bürgerlichem Namen Peter Fitzek - trägt an diesem Tag ein schwarzes Hemd mit goldener Krone. Bevor er sich selber krönte, war der 48-jährige Koch und Kampfsportler. Die Bundesrepublik Deutschland?

    "Wir erkennen nur nicht an, dass hier ein Staat ist mit einer Verfassung."

    Und das hat weitreichende Konsequenzen – Fitzek hat sich eigenes Geld und Dokumente gedruckt, den Führerschein abgegeben, sich ein Nummernschild für die schwarze Limousine gebastelt. Steuern zahlt er nach eigenen Angaben nicht.

    "Die Gewerbesteuer beispielsweise oder die Körperschaftssteuer oder beispielsweise die Einkommenssteuer sind alles illegale Steuern. Die Gesetze nach 1933 sind eigentlich illegal. Das heißt, also diese illegalen Gesetze, warum sollen wir diese Dinge denn fördern? Das tun wir auf keinen Fall."

    Menschen, die die Existenz der Bundesrepublik Deutschland negieren, nennen sich selber Reichsbürger. Sie irrlichtern durchs Internet, gründen sogenannte "Kommissarische Reichsregierungen" und autonome Fürstentümer. Es sind Verrückte darunter, Spinner, Verschwörungstheoretiker, aber auch Vertreter einer braunen Esoterik und knallharte Nationalsozialisten. Eines eint diese heterogene Bewegung: Die selbst ernannten Reichsbürger nerven zunehmend die Behörden. Sie melden sich aus der Bundesrepublik ab, fechten Wahlen an, zahlen keine Steuern, treten oft dominant und aggressiv auf, bedrohen Beamte. Rolf Lindemann, Beigeordneter des brandenburgischen Kreises Oder-Spree erzählt ein Beispiel aus der KFZ-Zulassungsbehörde.

    Rolf Lindemann:
    "Dort wollte ein Bürger ein Fahrzeug neu zulassen bzw. ummelden und legte also zu diesem Zweck Fantasiedokumente vor, verwickelte die Mitarbeiterin da in eine anstrengende Diskussion und ließ dann rein zufällig auch noch ein Stilett auf den Tresen fallen. Nachdem er also demonstrativ die Mitarbeiter bzw. den Amtsleiter gefilmt hat, haben wir die Polizei eingeschaltet und haben ihm jetzt Hausverbot erteilt und Strafanzeige erstattet."

    In Sachsen und Brandenburg sind Vertreter des sogenannten Deutschen Polizeihilfswerks unterwegs - eine paramilitärische Organisation, die selbst gefertigte Uniformen trägt, gerne Gerichtsvollzieher festnimmt und Waffen hortet. Die Staatsanwaltschaft Dresden ermittelt gegen sie wegen Gründung einer kriminellen Vereinigung. Auch der Verfassungsschutz hat inzwischen ein waches Auge auf die Reichsbürger geworfen. Brandenburgs Verfassungsschutzchef Carlo Weber:

    "Es gibt die Irren, aber wir haben auch gesicherte Erkenntnisse, das sich darunter Neonazisten befinden, Antisemiten befinden, die ihr übles Spiel betreiben und die wir ernst nehmen müssen."

    Was den Verfassungsschutz besorgt macht: Es gibt erste Vernetzungen zwischen einschlägigen Rechtsextremisten und dem Milieu der Reichsbürger.

    Carlo Weber:
    "So etwas können wir beobachten. Die Neonaziszene, die unorganisierte wie auch die parteilich organisierte, sucht verzweifelt Anschluss. Sie findet ihn nur sehr begrenzt in der Bevölkerung. Aber in solchen Milieus, die so staatskritisch eingestellt sind, da versuchen, sie zu fischen."

    Brandenburgs Verfassungsschutz berät gemeinsam mit Juristen, Staatsanwälten und Sicherheitsexperten verunsicherte Mitarbeiter von Landratsämtern und Rathäusern. Auch die Sicherheitsbehörden anderer Bundesländer haben das Thema aufgegriffen: mit Broschüren, Handlungsempfehlungen, Veranstaltungen. Kenner wie der Kriminalpsychologe Jan-Gerrit Keil warnen davor, die Reichsbürger einfach gewähren zu lassen:
    "Vor Ignoranz würde ich doch warnen, das wird natürlich in dieser Szene als Sieg gefeiert. Die Szene ist vernetzt über Internet, über Facebook und dann gibt es noch mehr Anhänger, weil man in einer Dorfgemeinschaft sagt: Ja, ich habe einen Trick gefunden, wie ich keine Steuern zahlen muss und keine Abgaben. Und dann erzähl mal und wie und was. Und davor würden wir doch warnen, weil das so Scheinerfolge sind, die wir der Bewegung eigentlich nicht gönnen wollen."

    Im sachsen-anhaltischen Wittenberg allerdings lassen die Behörden den selbst ernannten König Peter weitgehend gewähren. Der sammelt Geld ein bei Leichtgläubigen, kassiert für sogenannte Staatsbürgerschaftsseminare, für Tage der offenen Tür im "Königreich Deutschland" und eine selbst errichtete "Gesundheitskasse". Die Wittenberger sind sauer auf die untätigen Behörden.

    Passantin:
    "Dieser Mensch macht das seit vier Jahren. Er zahlt gar nichts und die Stadt macht nichts. Für mich ist das: Er führt uns alle vor. Verarsche. Und ich finde es gegenüber unseren Bürgern hier ganz schlimm."

    Im Rathaus gibt man sich hilflos. Zu einer Stellungnahme ist der Bürgermeister nicht bereit.
    Die Reichsbank der selbsternannten Reichsbürger in Wittenberg
    Die Reichsbank der selbst ernannten Reichsbürger in Wittenberg (Claudia von Laak)
    Peer Fitzeck aut am Rande von Wittenberg grad sein "Königreich Deutschland"
    Peer Fitzeck aut am Rande von Wittenberg grad sein "Königreich Deutschland" (Claudia von Laak)