Freitag, 17. Mai 2024

Archiv


Eigeninitiative gegen Fachkräftemangel

43.000 Stellen in der IT- und Kommunikationstechnik-Brache können nicht besetzt werden, sagt der Branchenverband BITKOM. Vom Fachkräftemangel besonders betroffen sind kleine und mittelständische Unternehmen: Sie gelten als unattraktiv im Vergleich zu internationalen Multis. Immer mehr Mittelständler werben deshalb aktiv um qualifizierte Hochschulabsolventen. Weiterbildung ist dabei ein entscheidendes Stichwort.

Von Philip Banse | 27.02.2008
    "Ja, schönen guten Tag, Herr Münter, mein Name ist Thiedemann von der Infopark AG, ich grüße Sie. Herr Münter wir hatten uns ja neulich auf der Messe getroffen und ..."

    Sven Thielemann, 30 Jahre, arbeitet im Vertrieb der Infopark AG, einer Berliner Softwareschmiede mit rund 100 Mitarbeitern. Der studierte Betriebswirt hat eine Ausbildung als Industriekaufmann hinter sich, Praktika, einen Auslandsaufenthalt und spezialisierte sich auf Wirtschaftsinformatik - und dennoch: Auch in Zeiten des Fachkräftemangels reichte all das reichte nicht, um gleich eine feste Stelle beim mittelständischen Softwareunternehmen zu bekommen, Infopark-Vorstand Bernd Völcker:

    "Naturwissenschaftler, Informatiker und Betriebswirte werden nicht praxisnah genug an den Universitäten ausgebildet. Plakativ gesagt ist es so: Sie lernen als Informatiker nicht, wie man professionell Software entwickelt und als Betriebswirt lernen sie nicht, wie man verkauft."

    Besonders betroffen von diesem Fachkräftemangel seien kleine und mittelständische Unternehmen: Sie gelten als unattraktiv im Vergleich zu internationalen Multis. 70 Prozent der Mittelständler sehen den Fachkräftemangel als Wachstumsbremse, geschätzter Umsatzverlust: rund einer Milliarde Euro.

    Immer mehr Mittelständler würben daher aktiv um qualifizierte Hochschulabsolventen, so der der Branchenverband BITKOM: Auch kleine Unternehmen betrieben etwa Imagekampagnen, werben mit Weiterbildung. Das hält auch Infopark-Vorstand Völckers für den richtigen Weg. Zuzug von Fachkräften aus dem Ausland, Umstrukturierung der Studiengänge - alles richtig, sagt der Manager. Aber die staatlichen Maßnahmen brächten kurzfristig keine Besserung.

    "Insofern kann ich all meinen Kollegen nur raten, auch verstärkt daran zu denken, was man selber machen kann, was einem selber kurzfristig hilft. Und da sind diese Trainingsprogramme auf jeden Fall eine Möglichkeit."

    Kaum ein Mittelständler hätte allerdings ein so durchdachtes und vielseitiges Trainingsprogramm wie Infopark, so Völckers: Seit sieben Jahren stellt die Software-Schmiede jährlich zwei bis drei Trainees ein, um aus Akademikern Fachkräfte zu machen: Zwei Jahre lernen die Naturwissenschaftler und Betriebswirte im Betrieb, was sie zum Arbeiten brauchen, erklärt Infopark-Vorstand Völcker:

    "Im ersten Jahr ist man mit einem Kollegen zusammen, einem erfahren Mitarbeiter unterwegs und lernt dann Kundensegmentierung, Kundenbeziehungsmanagement, vertriebsmethodische Ansätze, Beratungstechniken, Rhetorikkurse und all das, was man braucht. Und im zweiten Jahr bekommt man dann in einem kleinen Umfang einen eigenen Verantwortungsbereich zugeteilt und kann da selber dann quasi im Sandkasten noch mal Erfahrungen sammeln."

    Externe Trainer, 100 Stunden Theorie-Schulungen, Zuarbeit für erfahrene Kollegen - diese strukturierte Begegnung mit der Praxis sei das, was das Trainingsprogramm bei Infopark von Angeboten anderer Mittelständler unterscheide, so Völcker. Auch Peter Mielke weiß diese feste Struktur zu schätzen. Der 24jährige hat an der FH Strahlsund ein internationales Wirtschaftsstudium mit einem BA beendet. Seit einer Woche ist der gelernte Manager Trainee bei Infopark und eignet sich Software-Knowhow an:

    "Die Grundlagen kann ich nur hier lernen. Weil, genau diese speziellen Anwendungsgebiete hätte ich in Kursen, die ich an der FH hätte belegen können, nicht bekommen. Und da ich hier mit Leuten zusammenarbeite, die es jeden Tag anwenden, geht's auch viel schneller und ich kriege kompakt das Wissen vermittelt, was ich auch brauche. "

    Die Trainees seien keine hochqualifizierten Billig-Arbeiter, heißt es bei Infopark. 2000 Euro monatlich gibt es im ersten Jahr, 3000 Euro im zweiten. Oben drauf noch variable Zulagen. Der heutige Vertriebsmanager Sven Thielemann bekam netto rund 1300 bis 1700 Euro heraus. Das sei akzeptabel gewesen, weil er durch gute Leistungen sein Trainings-Programm habe verkürzen können: Statt zwei Jahre dauerte es zehn Monate.

    "Also ich habe mich in der Phase nicht unterdurchschnittlich bezahlt gefühlt. Wobei ich natürlich sagen muss: Deswegen war es mir eben wichtig, dass ich diese Zeitdauer letztlich durch meine Leistung mit beeinflussen kann. Denn es wäre jetzt sicherlich keine Bezahlung, die ich mir für zwei Jahr hätte vorstellen können."

    18 Trainees hatte infopark bisher. Rund die Hälfte wurde übernommen, sagt Vorstand Bernd Völcker.

    "Ein Teil hat es nicht geschafft, das ist ungefähr immer ein Viertel. Andere sind gegangen aus unterschiedlichen gründen: familiär - oder weil sie die Konkurrenz abgeworben hat. Das passiert."

    Und ist teuer: Die Weiterbildung eines Akademikers zur Fachkraft kostet infopark rund 50.000 Euro.