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"Eigentlich bin ich ganz anders"

Als Reporter für die Zeitschrift "Bunte" stand Paul Sahner auch privat mit dem kürzlich verstorbenen Schauspieler und Entertainer Harald Juhnke in Kontakt. Im Kulturinterview erzählt er von dessen Karriere, Alkoholsucht und Träume.

Von Michael Köhler | 01.04.2005
    Köhler: Zuerst einmal müssen wir über den Tod eines deutschen Schauspielers und Unterhaltungskünstlers sprechen. Der Schauspieler und Entertainer Harald Juhnke ist tot. Der 75jährige ist heute nach schwerer Krankheit in einer Klinik bei Berlin gestorben. Der an Demenz erkrankte Künstler lebte seit 2001 in einem Pflegeheim. "Eigentlich bin ich ganz anders - ich komme nur so selten dazu", ein Satz von Ödön von Horvath, von Harald Juhnke gesprochen, er schien auf ihn selber zu passen. Der gebürtige Berliner gehörte zu den bekanntesten deutschen Bühnen-, Film- und Fernsehschauspielern, wurde vor allem durch das Fernsehen populär, Juhnkes Alkoholsucht sorgte immer wieder für Schlagzeilen.

    Einer der seinen Weg in vielerlei Hinsicht beobachtet und auch begleitet hat ist Paul Sahner, Reporter der Illustrierten Bunte. An ihn die Frage: Juhnke wurde am 10. Juni 1929 als Sohn eines Polizisten geboren, nahm nach dem Abitur Schauspielunterricht und sein Bühnendebüt war früh, schon 1948. In Deutschland verbindet sich mit seinem Namen nach dem Krieg zunächst Bühnenkunst, dann Film- und Fernseharbeit. Er kommt also aus kleinen Verhältnissen. Hat er das Ihnen gegenüber je zum Thema gemacht, es "geschafft" zu haben?

    Sahner: Für ihn war das natürlich eine ganz großartige, eigentlich nie zu erwartende Karriere. Er, der Sohn eines kleinen Polizisten aus Wedding, der Vater nahm ihn damals mit in die Kneipen und sagte "du bist doch Papas Großer, dann lass uns mal ein Schnäpsken trinken", da war er zehn. Das ist vielleicht auch der Schlüssel für seine spätere Alkoholkrankheit, dass der Vater das gesagt hat, "lass uns mal ordentlich einen trinken, das schaffst du schon". Natürlich muss man sich das so vorstellen: damals waren die Amerikaner in Westberlin, und die hatten ihre Klubs, und in diesen ist er dann schon aufgetreten. Dort hat er irgendwelche Parodien gemacht von irgendwelchen alten Jazz- oder Rocklegenden, und das war so sein erstes Honorar quasi. Ich habe ihn mal gefragt: Harald was gab es denn damals? Na ja, sagte er, im Grunde genommen gab es nicht viel, also Kaugummi, und die haben mir dann auch wieder zu trinken gegeben.

    Köhler: Einem breiten Publikum wurde der als Urberliner geltende Juhnke vor allem durchs Fernsehen bekannt, er spielte mit Grit Boettcher in der Unterhaltungsserie "ein verrücktes Paar", stand mit Eddi Arendt vor der Kamera, moderierte im ZDF "Musik ist Trumpf", spielte aber auch in Molières Tartuffe, begeisterte das Publikum auch als Hauptmann von Köpenick. Hat er sich Ihnen gegenüber mal geäußert, was ihm unter diesen vielfältigen künstlerischen Tätigkeiten das Liebste war?

    Sahner: Am liebsten wäre ihm gewesen, wenn er ein ganz großer, von allen Kritikern anerkannter Schauspieler geworden wäre und eben nicht nur in Klammern der Komödiant. Das war ihm zu wenig. Er hat auch Zeit seines Lebens davon geträumt, den König Lear zu spielen. Er sagte mir mal, er habe sein Buch gelesen damals, "Meine sieben Leben" in Wien im Schauspielhaus und Peymann sei dort gewesen und Peymann hatte gesagt: "Mensch, Harald, das hat mir saugut gefallen, und ich hätte gerne mal, dass wir zusammen was machen". Und da sagte er mir: "Vielleicht kommt er ja nach Berlin und macht mit mir den König Lear und dann spiele ich den König Lear, und der König Lear stirbt ja dann, und dann sterbe ich mit, und dann kommt der Regisseur, der Peymann, und tritt auf die Bühne und sagt: meine Damen und Herren, ich muss Ihnen mitteilen, nicht nur König Lear ist gestorben, Harald Juhnke ist auch gestorben." Das wäre so im Grund genommen ein für ihn großes Ende gewesen. Als Schauspieler in einer Rolle, die immer seine Traumrolle geblieben ist, eben König Lear, dann plötzlich in sich zusammenzusacken und tot zu sein.

    Köhler: Ein ganz anders geartetes großes Ende ist es geworden. In den letzten Jahrzehnten ist er vielleicht der bekannteste deutsche Alkoholiker gewesen, hat sich darüber auch selber noch lustig machen können. Marlon Brando hat sich vielleicht überfressen am Ende. Hat sich Harald Juhnke kaputt gesoffen, kann man das so sagen und wenn, warum?

    Sahner: Er hat sich sicherlich kaputt gesoffen, und er hat mir dann auch immer darüber erzählt, warum er sich, sagen wir mal, die Schwarte gibt, so hat er manchmal gesagt. Er sagte, solange ich drehe, bin ich diszipliniert, wenn ich dann abgedreht habe, falle ich in ein Loch. Das ist ja ähnlich so wie auch bei vielen berühmten Schriftstellern. Wenn die ihr Buch fertiggestellt hatten, fingen die an, gnadenlos zu saufen. Er wollte auch seiner Frau und auch seinen beiden Söhnen und Leuten, die er mochte, natürlich nie wehtun, aber die Versuchung war stärker.

    Köhler: Sie sind der vielleicht bekannteste Gesellschaftsjournalist; manche nennen Sie, ich weiß nicht, ob Sie es gerne hören, Beichtvater der Prominenten, andere den Klatschkönig. Wie sehr arbeitet man als Journalist an dem Weg einer solchen Persönlichkeit mit, hievt Leute hoch, lässt sie straucheln, vielleicht manchmal auch in Abgründe fallen oder kann sie sogar vor Gefahren retten? Wie gut kannten Sie sich, dass Sie darauf Einfluss nehmen konnten?

    Sahner: Ich wollte ihn natürlich immer als Freund, aber auch als Journalist, vor diesen Abstürzen retten. Wir haben das immer versucht, haben uns auch außerhalb der Beziehung Star oder Prominenter und Journalist oft getroffen, oft telefoniert, aber da war ihm nicht zu helfen. Er hat ja nun auch wirklich die erfahrensten Ärzte gehabt, den Professor Müller-Spahn in Basel und auch andere, die wirklich alles versucht haben - vorher war es Professor Kielholz - ihm zu helfen, aber ihm war nicht zu helfen. Der Spahn hat noch zu ihm gesagt: wieder eine Schlacht verloren und wieder eine Schlacht verloren, immer wenn er wieder eingeliefert wurde nach Basel und dann sagte er: "Aber den Krieg gewinnen wa, wa?"