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"Eigentlich frei von ausländerfeindlichen Positionen"

Wie ausländerfeindlich sind eigentlich Studenten? Eine brisante Frage, die aber nur selten gestellt wird, heißt es doch, die Bildungselite sei besonders tolerant und weltoffen. Eine neue Studie des Deutschen Akademischen Austauschdienstes DAAD bestätigt diese These. Allerdings kommt die Untersuchung zu dem Ergebnis, dass das Miteinander von deutschen und ausländischen Studenten dennoch stark zu wünschen übrig lässt.

Von Jens P. Rosbach |
    Sozialforscher wissen seit Jahren: Rund 25 Prozent aller Jugendlichen in Deutschland vertreten ausländerfeindliche Positionen. Ulrich Heublein vom Hochschul-Informations-System in Hannover hat nun ermittelt, dass es bei Studenten ganz anders aussieht.
    "Hier haben wir festgestellt, dass doch Ausländerfeindlichkeit nur eine sehr geringe Verbreitung unter deutschen Studierenden genießt. Also wie haben hier einen Wert von vier Prozent Studierender, denen ausländerablehnende Haltungen eigen sind. Das heißt, die überwiegende Mehrzahl der deutschen Studierenden ist eigentlich frei von ausländerfeindlichen Positionen."

    Nun zu den Details, die die Forscher nachdenklich stimmen: Es gibt große Unterscheide zwischen den einzelnen Fachrichtungen. So sind bei den Ingenieurwissenschaften neun Prozent der Studierenden ausländerfeindlich - mehr als dreimal so viele wie etwa bei den Sprach- und Kulturwissenschaften. Die zukünftigen Ingenieure, so Untersuchungsleiter Heublein, bekämen in der Ausbildung viel weniger interkulturelle Kompetenz vermittelt.

    "Solche Fächer wie Sprach- und Kulturwissenschaften und Sozialwissenschaften reflektieren ja in ihrem Stoff, in ihrer Lehre, über diese Probleme der interkulturellen Kommunikation. Dort wird also dieses Problem direkt verhandelt. Das ist natürlich in den Ingenieurwissenschaften weniger der Fall. "

    Große Unterschiede auch zwischen den Hochschultypen: Während an den Universitäten drei Prozent der Studenten sich entschieden gegen Migranten aussprechen, sind es an den Fachhochschulen acht Prozent. Der Auftraggeber der Studie, der Deutsche Akademische Austauschdienst, sieht die Ursache für die Differenz in der unterschiedlichen "sozialen Schichtung". DAAD-Experte Sebastian Fohrbeck kennt den Hintergrund.

    "An Fachhochschulen und auch in ingenieurwissenschaftlichen Studiengängen sind ganz überproportional Leute vertreten, die erste Generation Akademiker sind. Deren Eltern nicht schon Akademiker waren, und das sind Leute aus bildungsferneren Schichten. Und offensichtlich zeigt sich, dass eben Leute, die aus einem Akademikerhintergrund kommen wahrscheinlich etwas weniger Vorurteile haben und dass Bildung da zur Aufklärung dieses Problems beiträgt. "

    Der Knackpunkt - in der gesamten Studentenschaft: Deutsche und Ausländer sehen sich zwar in den Vorlesungen, reden danach aber kaum miteinander.

    "Wir haben festgestellt, dass nur ein Fünftel der deutschen Studierenden sich in einem intensiven Gespräch mit ihren ausländischen Kommilitonen befindet. Das ist doch eine geringe Zahl. "

    Und je weniger Kontakt mit ausländischen Studierenden - so die Studie - desto mehr Klischees und Vorurteile über "die Fremden". Der DAAD plädiert deshalb für mehr Sprachkurse und organisierte Begegnungen, für mehr ausländische Unimitarbeiter sowie mehr deutsche Betreuer in Wohnheimen mit hohem Ausländeranteil.

    "Ein weiterer, ganz interessanter Zusammenhang ist, dass Leute, die selber Auslandserfahrungen haben, dass die viel aufgeschlossener sind gegenüber Ausländern. Die sagen: Also ich würde ne Patenschaft übernehmen, ich würde gern an Arbeitsgruppen mit Ausländern teilnehmen. Das heißt also: Die These, die unserer ganzen Arbeit als Deutscher Akademischer Austauschdienst zugrunde liegt, dass wir sagen: Ein Aufenthalt im Ausland ist ne gute Sache, der bringt die Leute auch menschlich weiter, das scheint sich da auch zu bestätigen. "

    Die neue Studie "Aspekte der Internationalität deutscher Hochschulen" stößt auf Lob bei ausländischen Studierenden. Etwa beim Studentenverband BTBTM, der türkische Ausländer und Migranten vertritt. Der Berliner Verein erklärt, es sei höchste Zeit gewesen, interkulturelle Probleme zu thematisieren. BTBTM-Vorstandsmitglied Serdar Yazar ruft alle einheimischen Kommilitonen auf, sich mehr zu engagieren - gerade in Hinblick auf die Globalisierung.

    "Wenn man schon kein persönliches Interesse hat, einen ausländischen Studenten kennen zu lernen, dann sollte man rational denken. Denn heute ist der oder diejenige vielleicht "nur" ein Kommilitone, aber morgen vielleicht ein Geschäftspartner. Wenn diese Person nämlich Deutschland verlässt. Und man sollte jetzt schon damit anfangen, Kontakte zu knüpfen und diese zu pflegen - und nicht erst nach dem Studium. Dann kann es vielleicht sogar zu spät sein. "