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Eigentumsrechte gegen Biopiraterie

Der erste Lizenzvertrag zwischen der britischen Firma Phytopharm und den Buschmännern in Südafrika über eine Beteiligung an dem Patent für einen Appetithemmer, dessen Grundsubstanz aus einem Kaktus gewonnen wurde, erscheint vielen als ein großer Erfolg im Kampf gegen die Biopiraterie. Für Ökonomen wie Timo Goeschl vom Department of Land Economy der Universität Cambridge in Großbritannien ist es durchaus ein Anhaltspunkt dafür, dass nicht nur die Entwicklungsländer von den Industriestaaten abhängig sind, sondern auch die Industriestaaten von den Entwicklungsländern, wenn es um die genetischen Ressourcen für Forschung und Entwicklung geht:

Von Annette Eversberg | 14.07.2003
    Der Grund dafür liegt in der Tatsache, dass diese biologischen Ressourcen ein Reservoir von erfolgreichen ökologischen Strategien darstellen, die Lösungskonzepte sind, die im Forschungs- und Entwicklungsbereich gebraucht werden.

    Damit wird den genetischen Ressourcen, die noch in den 80er Jahren allen zugänglich sein sollten, ein wirtschaftlicher Wert für Wenige zugewiesen, der in dem Maße steigt, in dem diese genetischen Ressourcen knapp werden. Timo Goeschl:

    Die biologische Vielfalt kann Fluch und Segen sein, in dem Rahmen, wie sie einen Produktionswert hat, ist sie ein Teil des Vermögens des Wohlstandes. Andererseits ist die Erhaltung der Ressourcen landintensiv. In dem Maße, wie also Land bereitgestellt wird, um diese Ressourcen zu erhalten, ist es nicht verfügbar für andere Nutzungen.

    Das heißt, wenn die wilden urwaldähnlichen Bereiche, in denen der Artenreichtum besonders hoch ist, erhalten bleiben sollen, ist eines klar. Diese Flächen können nicht mehr zur Produktion hochwertiger Nahrungsmittel benutzt werden.

    Die Beteiligung an dem Patent für den Appetithemmer aus dem Kaktus ist nur eine erste Schlacht. Und keinesfalls ein Sieg im Kampf gegen die Biopiraterie, der in vielen Fällen nicht ohne die Hilfe von Nichtregierungsorganisationen wie beispielsweise Greenpeace möglich ist. Die damit ausgehandelte Beteiligung an Patenten, wie sie das Abkommen über die handelsrelevanten Aspekte der Rechte geistigen Eigentums von 1994 - kurz TRIPS - verlangt, führt nicht automatisch zu mehr Wohlstand in den Entwicklungsländern. Die Verfügungsrechte, wie sie noch in der 1993 von immerhin 179 Staaten unterzeichneten Biodiversitätskonvention im Gefolge von Rio formuliert wurden, räumen den Entwicklungsländern einen breiten Spielraum ein. Aber: Über das Patentrecht können diese Verfügungsrechte wieder eingeschränkt werden. Zugunsten der Industrieländer. Deswegen beurteilt Timo Goeschl die Möglichkeit zur Formulierung von Eigentumsrechten durchaus skeptisch:

    Ob die Entwicklungsländer wirklich in der Lage sind, durch eine globale Anstrengung die Durchsetzung ihrer Rechte in biologischen Ressourcen wirklich durchführen zu können, das ist eher zweifelhaft. Zur Zeit zeichnet es sich nicht ab, dass die Entwicklungsländer einen großen Erfolg hätten.

    Hierbei zeigt sich ein Paradox: Die Entwicklungsländer profitieren nur, wenn die Pharma- und Saatgutfirmen gleichzeitig an den Ressourcen verdienen. Professor Uwe Latacz-Lohmann von der Agrarfakultät der Universität Kiel erläutert, welche Folgen es haben kann, wenn den Saatgutfirmen keine Eigentumsrechte an den genetischen Ressourcen und ihren Produkten zugewiesen werden:

    Im letzteren Fall hätten die Saatgutfirmen dann überhaupt keinen Anreiz, züchterischen Fortschritt voranzutreiben. Im gewissen Sinne fließen die Profite indirekt zurück, durch die Verfügbarkeit besseren Saatguts und dadurch durch die Möglichkeit, höhere Erträge zu erzielen in den Landwirtschaftssektoren der südlichen Länder.

    Zur Zeit ist es also so, dass die Biopiraterie sogar die Grundlage des Wohlstands der Entwicklungsländer ist. Dieser Teufelskreis lässt sich nur durchbrechen, wenn die Entwicklungsländer eigene Pharma- und Pflanzenzuchtunternehmen aufbauen. Das – so Uwe Latacz-Lohmann – sei für diese Länder wichtiger, als bloße Eigentumsrechte zu formulieren:

    Das wäre vom Standpunkt der Verteilungsgerechtigkeit sicher ein präferiertes Modell. Im Moment geschieht das in erster Linie auf der Ebene von staatlich geförderter Forschung. Wir sind noch nicht an dem Standpunkt angelangt, wo der Süden seine eigenen kommerziellen Saatgutfirmen entwickelt und vorantreibt, um die Gewinne, die sich aus der Veredlung genetischer Ressourcen ergeben, selbst abzuschöpfen. Aber natürlich trägt die staatlich geförderte Forschung dazu bei, da eine industrielle Entwicklung in Gang zu setzen.