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"Eile ist jetzt noch weniger geboten"

Die Einspeisevergütung für Solarstrom wird gesenkt, allerdings nicht so schnell wie ursprünglich geplant. Holger Krawinkel vom Verbraucherzentrale Bundesverband warnt vor voreiligen Käufen. Wenn die Einspeisevergütung sinke, würden auch die Preise zurückgehen.

Holger Krawinkel im Gespräch mit Georg Ehring | 06.07.2010
    Georg Ehring: Die Einspeisevergütung für Solarstrom wird gesenkt, allerdings nicht so schnell wie ursprünglich geplant. Der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat hat sich gestern Abend darauf geeinigt, die Vergütung rückwirkend zum 1. Juli um 13 Prozent zu senken und zum 1. Oktober noch einmal um drei Prozent. Ursprünglich waren 16 Prozent auf einen Schlag zum 1. Juli geplant. Die Politik gibt der Solarbranche also noch etwas mehr Zeit zur Anpassung. In Berlin begrüße ich zu diesem Thema Holger Krawinkel, Energieexperte beim Verbraucherzentrale Bundesverband. Herr Krawinkel, raten Sie denn Hausbesitzern mit günstig gelegenem Dach, jetzt noch schnell eine Fotovoltaikanlage aufs Dach zu setzen?

    Holger Krawinkel: Also ich glaube, Eile ist jetzt noch weniger geboten, es wird sicher auch Preisanpassungen nach unten geben. Also wenn die Einspeisevergütung sinkt, werden über kurz oder lang auch die Preise zurückgehen. Da ist noch eine Menge Luft drin, deswegen wird sich die Rendite für die Investoren nicht sehr stark durch diese Kürzung verändern.

    Ehring: Ist die Rendite denn attraktiv?

    Krawinkel: Nach unserer Auffassung ist sie sogar sehr attraktiv, deswegen hatten wir ja vorgeschlagen, durchaus stärker zu kürzen.

    Ehring: Das heißt, die Überförderung, die abgebaut werden sollte, wird Ihrer Ansicht nach nicht vollständig abgebaut?

    Krawinkel: Nein, das Problem lag ja darin, dass insbesondere Module aus dem Ausland, aus China insbesondere, deutlich billiger angeboten werden als deutsche Module, und man wollte jetzt die deutschen Hersteller nicht aus dem Markt rausnehmen. Das hat jetzt zur Folge, dass die chinesischen Hersteller natürlich noch mehr Profite machen können, weil sie günstiger produzieren und entsprechend dann eine höhere Spanne erwirtschaften können. Also das dient jetzt vor allem auch den ausländischen Herstellern.

    Ehring: Was heißt die Kürzung jetzt für Verbraucher, die sich keine eigene Solaranlage aufs Dach setzen können, was heißt die Kürzung für den Strompreis?

    Krawinkel: Ja, da fängt ja das Problem an. Zunächst waren Experten davon ausgegangen, dass in 2010 etwa 6500 Megawatt neu zugebaut werden, das wären noch mal fast doppelt so viel wie 2009. Durch diese Verzögerung bin ich mir fast sicher, dass es deutlich mehr wird. Einige Experten gehen davon aus, dass wir sogar 10.000 Megawatt erreichen, also so viel, wie bis Ende 2009 gebaut worden sind. Und das bedeutet natürlich dann, dass die Umlage des EEG, das alle Stromkunden zu zahlen haben – private Haushalte wie gewerbliche Kunden, außer der energieintensiven Industrie – wahrscheinlich von heute zwei auf etwa 3,5 bis vier Cent ansteigen wird.

    Ehring: 3,5 bis vier Cent auf was gerechnet?

    Krawinkel: Pro Kilowattstunde. Das heißt, die Stromrechnung des privaten Haushaltes könnte um fast zehn Prozent teurer werden, die von Gewerbekunden noch deutlich darüber.

    Ehring: Wie müsste die Politik denn Ihrer Meinung nach darauf reagieren?

    Krawinkel: Ja, das ist natürlich jetzt schwierig. Das Kind ist sozusagen in den Brunnen gefallen, die Fehler wurden schon 2008 gemacht. Man hätte sehen müssen, dass sich hier ein Riesen Berg von Solaranlagen aufbaut, zu sehr teuren Preisen. Wie man das jetzt stoppen kann, wird sehr schwierig sein. Ich denke, da hat sich die Politik jetzt in eine ziemliche Klemme manövriert, und ich bin mal gespannt, wie die da rauskommen.

    Ehring: Was erwarten Sie denn für die Zukunft? Die Solarförderung soll ja weiter abgesenkt werden – das ist erklärte Absicht der Politik.

    Krawinkel: Ja, wir haben aber trotzdem einen Berg von Solaranlagen, der jetzt schon gebaut wurde, mit hohen Einspeisevergütungen, die gelten 20 Jahre lang. Das heißt, die Gesamtkosten, die in den nächsten 20 Jahren sozusagen getilgt werden müssen, belaufen sich wahrscheinlich ab Ende dieses Jahres auf über 100 Milliarden Euro. Und das ist natürlich ein Problem, was wie gesagt nicht mehr gelöst werden kann. Ich habe die Befürchtung, dass es eine grundlegende Debatte über die Zukunft des EEG geben wird, weil auf der anderen Seite ist ja das, was eigentlich viel Strom erzeugen sollte, nämlich die Offshore-Windenergie, längst nicht so ausgebaut, wie das geplant war. Das heißt, wir haben weniger Windenergie, aber dafür mehr Solarenergie. Das heißt, insgesamt steigt der Anteil an erneuerbaren Energien nicht so stark an wie ursprünglich geplant, aber das teure Segment, nämlich die Solarenergie, wird immer wichtiger. Das heißt, wir haben weniger Zuwachs zu höheren Preisen.

    Ehring: Herzlichen Dank! Das war Holger Krawinkel, Energieexperte beim Verbraucherzentrale-Bundesverband.