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Ein Abriss wird zum Symbol

Nach der von schweren Krawallen begleiteten Räumung des Kopenhagener Jugendzentrums hat der Abriss des Gebäudes begonnen. Zahlreiche Jugendliche protestieren gegen die Arbeiten und trauern um den Verlust eines Symbols für ein freies Leben. Marc-Christoph Wagner berichtet.

    Am Ende ging doch alles schneller als erwartet. Um Drei nach Acht gestern Morgen begann der Abriss des Kopenhagener Jugendzentrums. Maskierte Bauarbeiter und eine ganz in Silber überstrichene Abrissbirne verrichteten ihre Arbeit hinter Polizeisperren. Offenbar möchte keiner der Beteiligten wiedererkannt werden. Die Nachricht machte schnell die Runde. Schon kurze Zeit später versammelten sich Schüler im Alter zwischen 13 und 17 auf der anderen Straßenseite, manche aufgelöst in Tränen, die meisten einfach nur frustriert:

    "Ich war nicht so oft im Jugendzentrum, doch jedes Mal, wenn man vorbeischaute, fühlte man sich willkommen - egal, welche Hautfarbe, ob Junge oder Mädchen. Und man traf immer neue Leute."

    "Gerade das Jugendzentrum war ein einzigartiger Ort. Man konnte tun und lassen, was man wollte. Außerdem wurde es von uns Jugendlichen selbst verwaltet, ohne kommerziellen Hintergrund. So etwas gibt es nicht noch mal in Kopenhagen. Eben darum demonstrieren wir hier. Leider erleben wir in Dänemark derzeit eine immer größer werdende Diskriminierung von Minderheiten. Wir wollen keine gleichgeschaltete Gesellschaft."

    Immer wieder gingen Jugendliche im Laufe des gestrigen Tages auf die andere Straßenseite, wo sie direkt vor der Polizeiabsperrung Blumen, Kerzen und Protestschreiben niederlegten. Auch viele nicht unmittelbar betroffene Passanten blickten auf das im Abriss befindliche Jugendhaus und schüttelten den Kopf, so auch diese junge Mutter mit ihrem wenige Monate alten Sohn auf dem Arm:

    "Ich verstehe den Frust der Jugendlichen. Die Gewalt der letzten Tage ist natürlich nicht okay. Aber: Viele haben unterschätzt, was den Jugendlichen dieses Haus bedeutet und welcher Leerraum sich nun auftut."

    Am späten Nachmittag und am Abend kam es in der dänischen Hauptstadt erneut zu Demonstrationen, an denen sich auch Eltern und viele gewöhnliche Kopenhagener beteiligten. Das Jugendzentrum, so dieser Teilnehmer, sei nicht allein ein lokalpolitisches Anliegen. Vielmehr sei es ein Symbol für die Richtung, in die sich das gesamte Land entwickle:

    "Irgendwie hat unsere Regierung irgendeine Agenda, dass die Freiräume alle weg müssen. Wieso wissen wir nicht, wir verstehen es nicht. Jede Groß-Stadt in der Welt braucht Freiräume."

    "Die Gewalt, rechtfertigt die so eine Anliegen?"

    "In diesem Fall schon. Ja, schon - mit der Polizeigewalt und den Gasmengen, die in den letzten Tagen benutzt worden. Das ist genug."

    Doch das sehen nicht alle so, am wenigsten die Anwohner des betroffenen Stadtteils Nörrebro. Ausgebrannte Autos, demolierte Fahrräder und Geschäfte - den meisten reicht es:

    "Es ist unbegreiflich, verrückt. Ich habe dafür kein Verständnis. Wenn man gegen Gewalt ist, sollte man sich dementsprechend verhalten."

    Mit der Gewalt aber ist es so eine Sache, zumindest was die Benutzer des Jugendhauses betrifft. Die Kopenhagener Polizei hat am vergangenen Wochenende rund 100 ausländische Aktivisten verhaftet, darunter 30 Deutsche. Bei ihnen vermutet man inzwischen den harten Kern der Gewalttäter. Polizeisprecher Flemming Steen Munch:

    "Schon im vergangenen Dezember gab es Ausschreitungen und schon damals waren jede Menge Deutsche beteiligt, die richtig auf den Putz hauten. Das ist dieses Mal nicht anders. Nachdem wir die ausländischen Aktivisten am Wochenende festgenommen haben, ist die Gewaltbereitschaft markant gesunken."