Erstaunlich: Der junge Regisseur Roger Vontobel hat mit dem Klassiker nicht aufgesetzt und überangestrengt herum spektakelt (womit er in früheren Klassiker-Annäherungen, am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg etwa, durchaus auch schon mal weit am Ziel vorbei schoss), sondern er hat bei aller Modernität und Zeitgenossenschaft den gedanklichen Kern, den Schiller-Sound ganz unbehelligt gelassen, ja ihn in halbwegs ungewohnter Frische neu vermessen. Klaußner und Friedel, die Kino-Stars und Protagonisten, sind bei diesem Bemühen nur sorgsam platzierte Bausteine in einem generell sehr starken Ensemble.
Was konkret vermag Vontobel mit dem alten Stoff neu zu erzählen? Vor allem findet er Bilder (und behält mit ihnen eine Sprache) für die zwanghaften Abhängigkeiten und unausweichlichen Brüche in jedermanns Persönlichkeiten, die ein politisches System mit sich bringen muss, dass auf Unfreiheit basiert – Schillers Spanien, ausgestattet mit allen Insignien der europäischen Groß, ja Welt-Macht, inklusive der kirchlichen Inquisition, ist hier ein Überwachungsstaat, in dem nichts und niemand unentdeckt bleiben kann. Und auf Magdas Willis zu Beginn, in der königlichen Sommerfrische, noch hell ausgeschlagener Bühne kommt aus der Tiefe der Versenkung ein Palast ganz in Schwarz herauf gefahren, mit haushohen Flügeltüren überall, schmal wie Schießscharten, hinter denen jederzeit die geballte Staatsmacht in Gestalt eines quasi ständig präsenten Bedienten-Korps erscheinen kann. Draußen vor der Tür herrscht im übrigen die Überwachungskamera und zeigt all das, was nicht in den königlichen Gemächern stattfindet, und oft genug ist auch der Zuschauerraum angefüllt mit raunendem Geflüster und wissendem, gefährlichem Getuschel – da fehlt nur noch der Computer, der dieses Herrschaftswissen vernetzt in perfekter Staatssicherheit.
Aber eben auf den (und auch auf die in Dresden und zwanzig Jahre danach immer noch recht nahe liegenden Assoziationen zur Welt der Stasi-Informanten) kann Vontobel verzichten, und schon die demonstrativ ordensbehängte Brust der Chef-Charge Herzog Alba wirkt um ein paar Spuren zu deutlich. Es reicht eigentlich völlig, wenn Burghart Klaußners König Philipp das Sakko ablegt und die Krawatte öffnet, um die Enge und Ausweglosigkeit zu markieren, worin sich diese Macht hier eingesponnen hat. Zum finstren Ende hin, nach dem Pistolen-Geballer bei der etwas überreizt mafiosen Hinrichtung des dezent nach Alt-68er aussehenden Freiheitshelden Marquis Posa sowie des Königs Mord am eigenen Sohn, taucht als Kardinal-Inquisitor (und Ober-Guru einer über-finstren All-Gewalt, wie sie einst eben "die Kirche” war) Lore Stefanek wieder auf, die zuvor den ganzen Abend über die Chefin der Bediensteten war im schwarzen Schloß der Macht und ganz zu Beginn, in den schönen Ferien-Tagen von Aranjuez, mit dem königlichen Kindchen spielte, von dem niemand (nur die Königin) weiß, ob es vom König ist oder vom Prinzen. Noch dieser letzte, monströse Auftritt der Inquisition ist mit Stefanek eine klug gesetzte Pointe - denn die letzte, die mörderische Macht, der dieses ganze System sich komplett unterworfen hat, kann und jederzeit und überall und ganz alltäglich menschlich-abgründige Gestalt annehmen: wie die Monster, die wir immer wieder rufen.
Alle siedeln ganz privat am eigenen Abgrund in diesem durch alle Zeiten hoch politischen Stück, und alle können fallen – Schauspielerinnen und Schauspieler zeigen in Dresden, wie das geht: Klaußner als furios in und an sich selber zerbrechender Machthaber, Friedel als zögernder, immer wieder im Selbstgespräch sich verstörender Sohn, dessen Impuls die unerfüllte Liebe zu jener Frau ist, die einst ihm versprochen war und nun sein Mutter sein muss; Matthias Reichwald schließlich als selbstsicher intrigierender, aber auch an der eigenen Sehnsucht nach Heldentum scheiternder Revoluzzer Posa. Zwischen ihnen die Frauen: hie Sonja Beißwenger als dunkel-schmale, mutig-entschlossene Königin Elisabeth, da die grandiose Christine Hoppe als tragisch in die Irre liebende Hofdame Eboli. Noch Thomas Eisen und Christian Erdmann als stark verknappter Hofstaat halten ihre schmalen Rollen eng und kompakt – noch mit ihnen beginnt das Publikum zu vergessen, dass hier ein dramatisch politisches Märchen aus uralten Zeiten erzählt worden ist.
Kein Wunder, dass es uns nicht aus dem Sinn gehen will.
Was konkret vermag Vontobel mit dem alten Stoff neu zu erzählen? Vor allem findet er Bilder (und behält mit ihnen eine Sprache) für die zwanghaften Abhängigkeiten und unausweichlichen Brüche in jedermanns Persönlichkeiten, die ein politisches System mit sich bringen muss, dass auf Unfreiheit basiert – Schillers Spanien, ausgestattet mit allen Insignien der europäischen Groß, ja Welt-Macht, inklusive der kirchlichen Inquisition, ist hier ein Überwachungsstaat, in dem nichts und niemand unentdeckt bleiben kann. Und auf Magdas Willis zu Beginn, in der königlichen Sommerfrische, noch hell ausgeschlagener Bühne kommt aus der Tiefe der Versenkung ein Palast ganz in Schwarz herauf gefahren, mit haushohen Flügeltüren überall, schmal wie Schießscharten, hinter denen jederzeit die geballte Staatsmacht in Gestalt eines quasi ständig präsenten Bedienten-Korps erscheinen kann. Draußen vor der Tür herrscht im übrigen die Überwachungskamera und zeigt all das, was nicht in den königlichen Gemächern stattfindet, und oft genug ist auch der Zuschauerraum angefüllt mit raunendem Geflüster und wissendem, gefährlichem Getuschel – da fehlt nur noch der Computer, der dieses Herrschaftswissen vernetzt in perfekter Staatssicherheit.
Aber eben auf den (und auch auf die in Dresden und zwanzig Jahre danach immer noch recht nahe liegenden Assoziationen zur Welt der Stasi-Informanten) kann Vontobel verzichten, und schon die demonstrativ ordensbehängte Brust der Chef-Charge Herzog Alba wirkt um ein paar Spuren zu deutlich. Es reicht eigentlich völlig, wenn Burghart Klaußners König Philipp das Sakko ablegt und die Krawatte öffnet, um die Enge und Ausweglosigkeit zu markieren, worin sich diese Macht hier eingesponnen hat. Zum finstren Ende hin, nach dem Pistolen-Geballer bei der etwas überreizt mafiosen Hinrichtung des dezent nach Alt-68er aussehenden Freiheitshelden Marquis Posa sowie des Königs Mord am eigenen Sohn, taucht als Kardinal-Inquisitor (und Ober-Guru einer über-finstren All-Gewalt, wie sie einst eben "die Kirche” war) Lore Stefanek wieder auf, die zuvor den ganzen Abend über die Chefin der Bediensteten war im schwarzen Schloß der Macht und ganz zu Beginn, in den schönen Ferien-Tagen von Aranjuez, mit dem königlichen Kindchen spielte, von dem niemand (nur die Königin) weiß, ob es vom König ist oder vom Prinzen. Noch dieser letzte, monströse Auftritt der Inquisition ist mit Stefanek eine klug gesetzte Pointe - denn die letzte, die mörderische Macht, der dieses ganze System sich komplett unterworfen hat, kann und jederzeit und überall und ganz alltäglich menschlich-abgründige Gestalt annehmen: wie die Monster, die wir immer wieder rufen.
Alle siedeln ganz privat am eigenen Abgrund in diesem durch alle Zeiten hoch politischen Stück, und alle können fallen – Schauspielerinnen und Schauspieler zeigen in Dresden, wie das geht: Klaußner als furios in und an sich selber zerbrechender Machthaber, Friedel als zögernder, immer wieder im Selbstgespräch sich verstörender Sohn, dessen Impuls die unerfüllte Liebe zu jener Frau ist, die einst ihm versprochen war und nun sein Mutter sein muss; Matthias Reichwald schließlich als selbstsicher intrigierender, aber auch an der eigenen Sehnsucht nach Heldentum scheiternder Revoluzzer Posa. Zwischen ihnen die Frauen: hie Sonja Beißwenger als dunkel-schmale, mutig-entschlossene Königin Elisabeth, da die grandiose Christine Hoppe als tragisch in die Irre liebende Hofdame Eboli. Noch Thomas Eisen und Christian Erdmann als stark verknappter Hofstaat halten ihre schmalen Rollen eng und kompakt – noch mit ihnen beginnt das Publikum zu vergessen, dass hier ein dramatisch politisches Märchen aus uralten Zeiten erzählt worden ist.
Kein Wunder, dass es uns nicht aus dem Sinn gehen will.