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Ein Ausweg aus der weltweiten Unterernährung?

Ob der Einsatz der Gentechnik in der Landwirtschaft den Hunger in der Welt lindern kann, an dieser Frage scheiden sich die Geister. Entwicklungshilfe- und Nichtregierungsorganisationen sowie die Kirchen sind der Ansicht, dass der Hunger nicht die Folge einer geringen Produktivität sei, sondern Kriege, Misswirtschaft und die ungerechte Verteilung von Reichtum die wirklichen Gründe darstellen. Viele Wissenschaftler sind dagegen überzeugt, dass es sinnvoll sei, Pflanzen gentechnisch so zu verändern, dass sie sich selbst gegen Krankheiten und Umwelteinflüsse zur Wehr setzen können. An der Universität Giessen fand jetzt eine Konferenz statt, auf der sich Phytopathologen aus der ganzen Welt trafen, um über ihre Arbeit zu informieren und über den Einsatz der Gentechnik in der Landwirtschaft zu diskutieren. Phytopathologen sind Wissenschaftler, die sich mit der Lehre von Pflanzenkrankheiten beschäftigen.

Von Andreas Schmitz |
    Laut jüngsten Veröffentlichungen der Welternährungsorganisation FAO leiden weltweit fast eine Milliarde Menschen an chronischer Unterernährung. Und ihre Zahl wächst stetig. Eine Ursuche hierfür liegt in dem großen Ausmaß an Ernteverlusten. Denn etwa die Hälfte der weltweiten Felderträge gehen durch Pflanzenkrankheiten und Schadinsekten verloren. Einen Ausweg aus dem globalen Ernährungsnotstand sehen Experten darum im Einsatz der Biotechnologie. Dazu Diter von Wettstein, Biologe an der Washington State University:

    Wir müssen da natürlich zugeben, dass das gesamte Areal, das verwendet werden kann zur Produktion von Lebensmitteln und Futter heute bereits ausgenützt ist. So ist unsere einzige Möglichkeit die Erträge zu steigern. Und da ist ja gerade die Möglichkeit, durch neue genetische Methoden Resistenzzüchtungen zu machen, so dass man verhindern kann, ein so großer Teil der Erträge durch pathogene Pilze, durch Insekten und andere Organismen zerstört werden.

    Seine Arbeitsgruppe entwickelte eine Gerstensorte, die gegen Wurzelfäule resistent ist. Die Krankheit wird durch eine Pilzinfektion verursacht und hat in Amerika große Ernteausfälle verursacht. Der neuen Getreidesorte wurde ein Gen zugefügt mit dessen Hilfe sie einen Abwehrstoff gegen den Schadpilz produziert. Das zusätzliche Gen stammt aus einem Bodenpilz, der unter natürlichen Bedingungen den Krankheitserreger abtöten kann. Darum sieht der amerikanische Wissenschaftler derart veränderte Nutzpflanzen auch nicht als Kunstprodukt an.

    Das ist gerade eben ein Beispiel, dass wir ja das nicht erfunden haben, sondern von der Natur übernommen haben, und dass dieser Einbau der Gene ja den übrigen Wert der Pflanze nicht beeinflusst.

    Auch Karl-Heinz Kogel von der Universität Gießen versucht mit Hilfe der Biotechnologie Pflanzen zu erzeugen, die sich selbst gegen Erkrankungen wie Mehltau oder Rost zur Wehr setzen können. Er sieht darin sogar einen Fortschritt für den ökologischen Landbau. Allerdings verfügt der Giessener Professor nicht wie sein amerikanischer Kollege über Erfahrungen im Freiland.

    Wir selbst können aber in unseren Labors sehen und zeigen, dass diese Resistenzstrategie funktioniert, dass wir also tatsächlich heute Pflanzen im Labor haben, die eine hohe Resistenz zeigen und von denen man annehmen kann, dass sie deshalb auch in der nachhaltigen Landwirtschaft eingesetzt werden können, insofern als wir erwarten, dass der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln signifikant reduziert werden kann, wenn wir solche Pflanzen im Anbau hätten.

    In der Einsparung von Chemikalien sehen die Wissenschaftler einen großen Fortschritt für die ärmeren Länder. Denn Pflanzenschutzmittel sind teuer und in vielen Regionen der dritten Welt fehlt es zudem an Know-how, um sie sinnvoll und sicher einzusetzen. Damit der Vorteil der neuen Pflanzen diesen Ländern tatsächlich zugute kommt, dürfen die Einsparungen nicht durch teure Lizenzen für patentierte Gene aufgebraucht werden. Karl-Heinz Kogel ist zuversichtlich, dass es hierfür politische Lösungen geben wird.

    Es gibt zum Beispiel den so genannten golden rice, der nur unter Ausnutzung sehr vieler Patente letztlich erstellt werden konnte, da ist aber die Bemühung groß gewesen, ihn für die unterentwickelten Länder patentfrei zu halten, das heißt im Grunde das Saatgut diesen Ländern zur Verfügung zu stellen, ohne dass sie Lizenzgebühren zahlen müssen.

    So glaubt der Giessener Biologe an eine giftfreie Landwirtschaft, auch wenn andere den Eindruck haben, hier solle der Teufel mit dem Belzebub ausgetrieben werden.

    Es ist unser Ziel mittelfristig von den Pestiziden wegzukommen und eine Strategie - nicht die einzige - ist die Biotechnologie. Denken Sie auch an den biologischen Pflanzenschutz. Auch hier sind große Erfolge erzielt worden in der letzten Zeit und eine Kombination dieser biologischen Verfahren und der Biotechnologie ist, glaube ich die Zukunftsstrategie.