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Ein Bayer singt über "das Leben und Schlimmeres"

Aufgewachsen ist er im bayerischen Reichenhall, wo "der Österreicher schon bedrohlich über den Bergkamm drüberschaut". Medizin studierte er im hohen Norden, doch die Kardiologie war ihm nicht genug: Georg Ringsgwandl verlegte sich auf bitterböse Lieder - seine Texte sind immer noch geprägt von dieser ganz eigenen, ringsgwandlten Weltsicht.

Georg Ringsgwandl im Gespräch mit Knut Benzner | 11.01.2012
    Knut Benzner: Herr Ringsgwandl, Sie sind, soweit ich weiß, der einzige Kardiologe, der Kabarettist und Liedermacher ist.

    Georg Ringsgwandl: Ja, ich meine, es gibt in Deutschland nicht so wahnsinnig viele Kardiologen, ja, und Gott sei Dank gehen die meisten ihrem Beruf nach, wofür es gebraucht werden und wofür es ausgebildet sind, und mein halbes Berufsleben war ich ja auch Arzt gewesen, eben 18, 20 Jahre lang in der Medizin gearbeitet, inzwischen sind es 18, 20 Jahre lang Musik, wo ich Theaterstücke geschrieben habe, Konzerte gemacht habe, Platten gemacht habe, und ein bisserl was geschrieben hin und wieder, inzwischen sogar ein kleines Buch geschrieben, ja, aber Gott sei Dank die meisten Kardiologen wissen, was sie können, und lassen sonst das Publikum in Frieden, das ist gut so.

    Benzner: Die Kardiologen gehören zu der Gruppe von Ärzten, die nicht so ganz besonders beleumundet sind. Sie sind Bad Reichenhaller, ziemlich tiefes Bayern, Sie haben in Kiel studiert, viel norddeutscher geht es nicht mehr, darüber kommt noch Flensburg, und dann ist die Bundesrepublik vorbei.

    Ringsgwandl: Ja, das ist so, ich bin in Reichenhall aufgewachsen, Reichenhall ist ja schon an Österreich dran, vier Kilometer von der österreichischen Grenze weg, das heißt, in Reichenhall schaut der Österreicher schon bedrohlich über den Bergkamm drüber, runter. Und manche Leute behaupten auch, dass man es an meinem Dialekt hört, dass es österreichisch-bayrisches Grenzgebiet ist, und da bin ich ganz schön aufgewachsen, die ersten 18, 19 Jahre, aber der Sohn von einem Postboten, mittellos, komplett ungebildet, ist natürlich in einer Kleinstadt dieser damaligen Nachkriegsverhältnisse dazu verdammt gewesen, dass er immer ein kleiner Hosenscheißer bleibt, und ich dachte mir einfach, ich muss da mal raus und ich muss eine andere Welt kennenlernen, ich muss eine Welt kennenlernen, in der ich von null anfange, wo ich alle Möglichkeiten habe und wo ich eine komplett andere Mentalität und andere Kultur kennenlerne, wie man heutzutage sagt dazu. Ja und das war dann etwas herb, dieser Anfang in Kiel, sprachlich herb, die schauen dich an, wie wenn du von einem anderen Planeten kommen würdest, aus dem Westen von Nordfriesland, ja, Leck und Eiderstedt, nette Burschen, aber es dauert einige Jahre, bis man sie kennenlernt, wenn man sie dann kennengelernt hat, dann bleiben sie einem ein Leben lang treu dann, das ist ja ganz schön so, und es hat etwas gedauert, bis ich in Kiel da heimisch wurde, aber es hat sich gelohnt, es war so eine neue Erfahrung, ich habe nie gedacht, dass so lange Wochen Nebel herrschen kann, ohne dass die Bevölkerung rebellisch wird, das ist wirklich eine eigene Erfahrung gewesen, ja, und es war wirklich auch erstaunlich, dass es im Sommer dann ein paar schöne Tage gab, im Juni und Juli, ich bin ja einer von diesen Bayern, die sich zum Meer hingezogen fühlen, und dann hätte ich noch beinahe geheiratet hier im Norden.

    Benzner: Beinahe - was ist dazwischen gekommen?

    Ringsgwandl: Als wirklich eine dunkelhaarige Schönheit aus dem Wendland kennengelernt, die mir komplett den Verstand geraubt hat damals, ich wollte die an sich heiraten, wild entschlossen war ich da, und dann hat sie mir aber ein persischer Revolutionär weggeschnappt, und der war einfach marxistisch-leninistisch mir um ein paar Nasenlängen voraus gewesen, ja und dann musste der reaktionäre Bayer, der Medizin studiert, hinter dem persischen Revolutionär zurückstehen. Aber das hat mein Verhältnis zum Norden nicht getrübt. Heutzutage bin ich ganz dankbar, dass ich nicht praktischer Arzt im Wendland bin.

    Benzner: Ihr musikalisches Spektrum, damit meine ich das, was Sie mögen, das ist relativ umfangreich und das hat vor allen Dingen mit dem, was Sie als Kabarettist oder als Liedermacher, ich finde diesen Ausdruck Liedermacher fürchterlich, selbst gemacht haben, relativ wenig zu tun.

    Ringsgwandl: Ich habe natürlich so ein musikalisches Spektrum, ich glaube, das geht von der alpenländischen Volksmusik, mit der ich aufgewachsen bin, mit Operettenmelodien, die damals im Radio gekommen sind immer, Wunschkonzert furchtbarer Weise am Sonntag Nachmittag natürlich über Jazzelemente verschiedener Epochen und dann Funk und die ganze Beatmusik und 70er-Jahre-Glamrock über Abba, Drafi Deutscher, Talking Heads, Fred Frith, Prince, George Clinton und das ganze Zeug, habe ich alles mögliche aufgesogen, aber ich denke, wenn man selbst Musik macht, ich wollte ja nie Kabarettist werden, ich bin ja auch kein wirklicher Kabarettist, sondern ich habe in meinen Konzerten Geschichten erzählt, was man dann als Kabarettist einstuft, meine Idee war immer die gewesen der alten Musichall-Entertainment sozusagen, aber wenn man selbst Musik schreibt und selbst Musik macht, dann denke ich, kann man das nicht anders machen, als dass man einen ganz extrem breiten Horizont hat an Musik, für die man sich interessiert, wenn ich kann, höre ich auch Penderecki oder Arvo Pärt oder so was, weil das sind einfach Elemente, die inspirierend und bereichernd sind. Die sich verändernden Zeiten, die sich veränderte Welt hinterlässt natürlich auch ihre Spuren, wie musiziert wird, sonst hätte ich einfach auf einer meiner drei Lebenszeit-Beamtenstellen bleiben können, die ich im Laufe der Jahre hatte.

    Benzner: Wir haben vorhin die Begriffe Kabarettist und Liedermacher benutzt, eigentlich sind Sie ja beides nicht. Es gab Zeiten, da sind Sie in Kleidern, in Frauenkleidern aufgetreten.

    Ringsgwandl: Ja, bunte Strumpfhosen und Polyesterbadeanzüge, oder zum Teil einfach auch wie aus dem Schrott, hatte dann einen Müllsack an oder einen zerschnittenen Fußball als Kopfbedeckung, Taucherbrille, Schweißerbrille, das war sozusagen eine überdrehte Art von Konsumkritik gewesen, von postmoderner Ad-absurdum-Führung von irgendwelchen Showritualen und so weiter. Das liegt daran, dass ich glaube, dass eine gute Bühnenperformance und der ideale Abend, den ich mir immer vorgestellt habe, ein Abend, der mit Musik, mit Text, mit gesprochenen Anteilen läuft und wo auch bewegungsmäßig auf der Bühne was passiert, wo sich Leute bewegen, wo Choreografien eingebaut sind, wo Kostüme, Licht, und wo das ganze Bühneninstrumentarium bewegt ist, also Musik, aber mit gewissen theatralischen oder theatralen Elementen dabei, das war so eine gesamtheitliche Vorführung, das war immer meine Idealvorstellung gewesen, und des habe ich über Jahre versucht, so weit zu treiben, wie es geht, wie weit es mir gelungen ist, müssen andere Leute beurteilen, aber des macht mir viel Spaß, des habe ich gern gemacht, und deswegen lag des dann auch nahe, dass ich dann mal Musiktheater-Projekte gemacht habe, natürlich, des was wir zur Zeit machen, das ist quasi mehr der gegensätzliche Pol, ganz schlicht, Typ setzt sich auf die Bühne, nimmt seine Gitarre, singt einen Song, und hofft, dass der Song so gut ist, dass er für sich wirkt, das ist eine Kunst für sich dann.

    Benzner: Das ist quasi die nächste Frage, Sie sind auf Tournee. Und die Frage ist: Mit welchem Programm, mit wie viel Mitmusikern oder möglicherweise solo und was ist das für ein Programm, was beinhaltet es?

    Ringsgwandl: Also das jetzige Programm, des basiert vom Namen her auf diesem Buch, das ich geschrieben habe letztes Jahr, das heißt "Das Leben und Schlimmeres", das ist also eine Sammlung von Geschichten, die ich im Laufe der Jahre auf der Bühne erfunden und erzählt habe, und die ich dann letztes Jahr mal in gedruckte Form gebracht habe, diese Geschichten erzähle ich, also ich sitze jetzt nicht auf der Bühne mit einem Glas Wasser und lese da vor, diese Geschichten erzähle ich und dann spiele ich mit der Band Songs aus den letzten 30 Jahren, die guten Sachen, die über die Jahre hinweg sich als haltbar erwiesen haben, und zwischendurch gehe ich an die Zither und spiele mit der Zither was dazwischen, sozusagen, um die Leute daran zu erinnern, dass es Instrumente gibt, die heutzutage vollkommen aus der Mode sind, die aber irgendwann mal ihre Berechtigung hatten und ja, also was sehr schönes.

    Informationen:
    Homepage von Georg Ringsgwandl