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Ein Beruf mit Zukunft

Jung- und Alttiere grasen friedlich nebeneinander. In dem Naturschutzgebiet im schleswig-holsteinischen Kreis Rendsburg-Eckernförde fressen die Heidschnucken auf einer Lichtung. Sie sollen verhindern, dass die Fläche verbuscht. Der Schäfergeselle Axel Kielbaum arbeitet mit zwei Helfern. Ein kleines Kopfnicken genügt und die altdeutschen Hütehunde Feli und Lupina umkreisen die Herde und treiben Ausreißer zurück:

Von Isa-Maria Kuhn |
    Ich habe den Hund im zweiten Lehrjahr bekommen. Der ist total auf mich geprägt und macht alles. Ich brauche mich nur ein bisschen zu bewegen und sie registriert das. Wir haben Augenkontakt.

    Die Wanderschäfer sind das ganze Jahr über draußen und somit Wind und Wetter ausgesetzt. Um diese Strapazen auszuhalten, muss man schon ein wahrer Naturfreund sein, erzählt der 30-Jährige:

    Dies draußen sein. Das ist das Phantastische daran. Bei Wind und Wetter, das ist auch extrem. Wie weit schafft man das? Im Winter haben wir 20 Grad minus und man kann nicht weg. Aber dafür gibt es warme Klamotten. Das ist super.

    Wenn John Kimmel mit seinem Geländewagen zur Arbeit fährt, dann trägt er derbe Stiefel, einen Filzhut mit einer Greifvogelfeder dran und hat immer einen Hund bei sich. Der gebürtige Pfälzer ist Schäfermeister und Besitzer von 600 Mutterschafen. Sie weiden in zwölf verschiedenen Naturschutzgebieten über Schleswig-Holstein verteilt. Wie sein Schäfergeselle genießt der Familienvater den Arbeitsplatz Natur:

    Die Herde geht morgens um halb elf raus und wird dann drei bis vier Stunden gehütet. Dann stehen die Tiere, wenn es heiß ist, im Schatten und käuen wieder. Das Ganze wiederholt sich dann noch mal. Gegen acht ist Feierabend. Über Nacht kommen die Tiere in einen Elektrozaun.

    Besonders in der ersten Jahreshälfte werden die Männer gefordert. Die Jungtiere wissen noch nicht so recht, wo es langgeht:

    Das ist total schön. Man sieht zwar das Leben von den Kleinen, aber es ist auch anstrengender, denn die kennen die Hunde und Gebiete noch nicht. Die halten den Schäfer auf Trab,

    John Kimmel pflegt die Naturschutzgebiete nicht mit einer modernen Fleischrasse, sondern mit den bedeutend leichteren Landschafrassen. Seine weißen gehörnten Heidschnucken bringen ausgewachsen 40 bis 70 Kilogramm auf die Waage. Damit sind sie nur halb so groß wie herkömmliche Fleischschafe. Der Vorteil ist, dass sie sehr anspruchslos sind und auch mit der manchmal recht nasskalten schleswig-holsteinischen Witterung zurechtkommen:

    Das ist eine sehr alte Rasse. Sie stammt ursprünglich von der braunen Heidschnucke ab, aber sie hat bessere Unterwolle und kommt leichter mit der Feuchtigkeit zurecht.

    Das Land zahlt Land pro Hektar für die Pflege. John Kimmel versteht sich als moderner Dienstleister, der idealerweise zwei Fliegen mit einer Klappe schlägt. Er betreibt Naturschutz und produziert nebenbei eine Delikatesse für seine Gastronomie und Privatkunden:

    Schmeckt wie Wildbret und hat weniger Fett.

    Zur Zeit sind die Wanderschäfer zufrieden mit ihrem Einkommen. Zwei bis 2,50 Euro bekommen sie für das Kilogramm Lebendgewicht. Rein äußerlich sind John Kimmel und seine zwei Mitarbeiter traditionelle Wanderschäfer. Ihre Kleidung, ihr Wanderstab und ihre Hunde haben auch schon ihre Berufskollegen in der Vergangenheit bei sich getragen. Aber die Arbeitsbedingungen haben sich im 21. Jahrhundert verbessert:

    Was bei uns gleichgeblieben ist, ist das Hüten, aber das Umfeld hat sich modernisiert. Wenn heute was ist, der Hund ist verletzt oder ein Schaf krank, dann kann man anrufen und die Situation ist gerettet.

    Die Wanderschäferei, so Kimmel, sei ein Beruf mit Zukunft. Denn mittlerweile gäbe es wissenschaftliche Untersuchungen darüber, wie wichtig es sei, dass Naturschutzgebiete gepflegt würden. Dafür bieten sich die kleinen und anspruchslosen Schafrassen geradezu an.