Archiv


"Ein bisschen Freude gehört auch zum Leben"

Verbraucherschutzminister Horst Seehofer hat einer Kennzeichnung von Süßigkeiten durch den Gesetzgeber eine Absage erteilt. Das von Verbraucherschützern vorgeschlagene Ampelsystem sei "zu simpel", um bei der Kaufentscheidung eine Hilfe zu sein. Darüber hinaus wandte sich der CSU-Politiker gegen Nährwertangaben auf Lebensmittelverpackungen, die einem Arzneimittelbeipackzettel glichen.

Moderation: Günter Hetzke |
    Günter Hetzke: Bis morgen noch findet in Köln derzeit die Internationale Süßwarenmesse statt. Wir hatten gestern ja bereits über Neuigkeiten auf diesem Markt und über Geschmacksentwicklungen berichtet. Heute nun ist auf dem Messegelände der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Horst Seehofer zu Gast, um sich über diese Branche zu informieren und sicherlich auch, um das eine oder andere zu probieren. Und ich freue mich, dass der Minister neben dem Naschen auch noch Zeit für ein Interview gefunden hat und begrüße am Telefon in Köln, aber auf der anderen Seite des Rheins, Horst Seehofer. Guten Tag, Herr Seehofer!

    Horst Seehofer: Guten Tag, Herr Hetzke!

    Hetzke: Wenn ein Bundesminister für Ernährung und Verbraucherschutz über die Süßwarenmesse geht, denken Sie da eigentlich nur an kaputte Zähne und dicke Kinder, oder können Sie das auch genießen und sich locken lassen?

    Seehofer: Nein, da denke ich jetzt überhaupt nicht an die Schattenseiten, die übrigens mit jedem Lebensmittel oder Nahrungsmittel verbunden sein können. Sondern einfach auch daran, dass die Süßigkeiten ein Genussmittel sind und ein Lebensmittel und auch natürlich Nährwertstoffe enthalten, auf die wir Menschen ja angewiesen sind. Es kommt auch hier einfach wie bei allen Lebensmitteln auf die richtige Dosierung an.

    Hetzke: In Maßen naschen, ist also okay, in Mengen nicht. Brauchen wir beim richtigen Umgang mit Süßwaren gesetzliche Regeln, oder sagen Sie, auf diesem Feld hat die Politik nichts zu suchen, das ist Sache der Eltern beziehungsweise der Erziehung?

    Seehofer: Mit Verboten möchte ich hier nicht arbeiten in diesem Bereich, weil es ja ureigen die Angelegenheit der Menschen ist, welche Nahrung sie zu sich nehmen. Wo man den Menschen helfen kann, ist mit Informationen, mit Aufklärung zum richtigen Verhalten. Das ist politische Aufgabe, da müssen wir unterstützen, aber jetzt nicht durch Verbote oder gar Strafen.

    Hetzke: Sehr wohl in der Pflicht ist ja die Politik bei den Nährwertangaben. Fett und Zucker sind nun mal bei vielen Süßigkeiten wesentliche Bestandteile. Viele Verbraucherschützer in Deutschland finden eine Art Ampelzeichen auf der Verpackung hilfreich. Ein schlichter roter Punkt beispielsweise signalisiert dem Käufer, dass das Produkt zu viel Fett oder Zucker enthält. Sie sind davon gar nicht angetan. Warum nicht?

    Seehofer: Es ist einfach zu simpel und einfach zu wenig Hilfe für die Menschen. Schauen Sie, wenn ich jetzt dann anschließend durch die Messe gehe, müssten wir auf den meisten Produkten einen roten Punkt aufbringen. Aber was sagt das jetzt den Menschen, wenn auf einer Packung einer weltberühmten Firma ein roter Punkt ist? Was kann der Mensch damit anfangen? Ich glaube, herzlich wenig. Man müsste ihm dann erklären, es ist Zucker drin. Aber wenn du das in Maßen zu dir nimmst, ist es wieder in Ordnung. Da halte ich mehr von der Nährwertkennzeichnung, die jetzt mit hoher Wahrscheinlichkeit auf europäischer Ebene kommt und die wir Deutschen ja vorgeschlagen haben, dass man eine Angabe macht, zum Beispiel zum Zucker, und diese Angabe ins Verhältnis setzt zu einer vernünftigen Tagesration. Zum Beispiel diese Packung, wenn Sie da ein Glas davon trinken, dann sind das 20 Prozent Ihres vernünftigen Zuckerbedarfs am Tage. Dann kann der Mensch damit was anfangen.

    Hetzke: Sie haben es ja schon angesprochen. Morgen Mittag wird ja EU-Gesundheitskommissar Kyprianou einen neuen Gesetzesvorschlag zu den Nährwertangaben auf Lebensmittelverpackungen präsentieren. Das heißt, wir kriegen da keine neue Ampeldiskussion auf europäischer Ebene auf den Tisch?

    Seehofer: Ich glaube nicht, weil es sich jetzt doch durchgesetzt hat in ganz Europa, dass die Ampel einfach zu einfach ist. Ich glaube, ein grüner Punkt, ein gelber Punkt, ein roter Punkt ist einfach zu wenig Information für den Verbraucher, um vernünftig einkaufen zu können. Andererseits wollen wir auch keine Lebensmittelkennzeichnung, die einem Arzneimittelbeipackzettel gleicht. Wo man am Schluss, wenn man ihn gelesen hat, weniger weiß als am Anfang. Wir brauchen einen vernünftigen Mittelweg. Und ich glaube, diese Nährwertkennzeichnung, die gewissermaßen angibt, wenn man eine Portion zu sich nimmt oder ein Glas von einem bestimmten Getränk, was bedeutet dies im Verhältnis zu einer vernünftigen, verträglichen Tagesration. Und damit können die Menschen was anfangen. Und ich glaube, diese Ampelkennzeichnung ist jedenfalls in Europa vom Tisch.

    Hetzke: Die Werbung mit gesundheitsbezogenen Angaben bei Lebensmitteln ist ja weitgehend geregelt. Die Behauptung muss künftig nachweisbar sein. Diesen Zusatznutzen in der Werbung, wie die Extraportion Vitamin C, gibt es ja auch bei Süßwaren. Gilt diese Regel auch für dieses Marktsegment?

    Seehofer: Für alle. Wir haben den Grundsatz für die Information der Verbraucher, dass die Verbraucher nicht getäuscht werden dürfen. Und es heißt, das, was behauptet wird für ein Produkt, das muss auch tatsächlich drin sein.

    Hetzke: Was mich immer wundert, allen Appellen zum Trotz findet sich im Handel immer noch gerade im Kassenbereich, da wo Eltern mit ihren Kindern anstehen, und wo es langweilig ist, ein umfangreiches Süßwarenangebot. Diese ja sehr geschickte Form der Vermarktung, ist das etwas, was auf Ihrer Agenda steht, worüber Sie mit dem Handel reden?

    Seehofer: Ach, jetzt das eigentlich weniger. Wissen Sie, ich bin dafür, wenn ein Stoff echt gesundheitsschädlich ist, dadurch, dass er überhaupt gebraucht wird, -zum Beispiel wie Rauchen - dass man da mit Verboten arbeitet, weil es um den Schutz der Gesundheit geht. Aber dort, wo es um die richtige Dosis geht, um das richtige Verhalten, das setze ich jetzt nicht darauf, dass man mit Verboten arbeitet, sondern, wie gesagt, dass man den Menschen hilft mit Information und Aufklärung. Und ich möchte jetzt nicht in einer Gesellschaft, wo die Politik ohnehin dazu neigt, zu viel zu reglementieren, auch noch damit beginnen, dass man schaut, wo darf in den Supermärkten die Süßigkeit aufgestellt werden. Nur im Regal oder an der Kasse oder sonst wo. Das, muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen, widerstrebt mir. Das wäre mir zu kleinkrämerisch.

    Hetzke: Eine persönliche Frage noch zum Schluss. Wenn Horst Seehofer nascht, Süßes oder Saures, Schokolade oder Chips? Was ist Ihr Favorit, wo greifen Sie am liebsten zu?

    Seehofer: Sowohl als auch. Ich habe manche Wochenenden, da nehme ich, ganz ehrlich gesagt, immer in der richtigen Dosierung Salzletten, Chips. Und dann habe ich mal wieder Wochenenden, da ist die Schokolade Favorit. Und dann habe ich wieder Wochenenden, da spielen Bonbons und vergleichbare Süßigkeiten eine Rolle. Ich finde, ein bisschen Freude gehört auch zum Leben. Und deshalb darf man nicht auf Schritt und Tritt sich im ganzen Leben nur vom Verzicht begleiten lassen.

    Hetzke: Das war der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Horst Seehofer, heute zu Gast auf der Süßwarenmesse in Köln. Vielen Dank, Herr Seehofer, dass Sie sich die Zeit genommen haben!

    Seehofer: Ich danke auch, Herr Hetzke! Schönen Tag!