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Ein bissiger Kommentar zum Kulturbetrieb

Als eine Liebeserklärung der besonderen Art sieht Intendant Peter Marboe die Oper "I hate Mozart". Die Geschichte wirft einen Blick hinter die Kulissen eines Opernhauses. Es geht um das Zustandekommen einer Opernproduktion mit allen Schwierigkeiten. Damit passt es auch gut in das Theater an der Wien mit seiner Geschichte und seinem Ambiente.

Von Jörn Florian Fuchs |
    Schon der Blick in die Besetzungsliste lässt vermuten: bei "I hate Mozart" handelt es um keine gewöhnliche Oper. Neben den Sängern, einem Chor sowie dem Orchester sind nämlich auch zwei Turntable-Solisten aufgeführt – Dieter Kovaçiç und Wolfgang Fuchs leisten während der zweieinhalbstündigen Aufführung beträchtliches, gilt es doch, Klänge beständig zu verschleifen, übereinander zu schichten oder regelrecht gegeneinander zu scratchen. Im Theater an der Wien – einst reines Musicalhaus und neuerdings eine ziemlich erfolgreiche Alternative zur ehrwürdigen Staatsoper – in diesem schmucken, festlichen Hause geschieht sie, die Auseinandersetzung mit einem technisch hoch- beziehungsweise umgerüsteten Mozart.

    Es gibt mal etwas Don Giovanni, dann wieder Cosi, dazwischen wummert es elektroakustisch fast wie bei Stockhausens unterm Sofa. Der Schöpfer solch eigenwilliger Tonwelten heißt Bernhard Lang, kommt ursprünglich vom Jazz, studierte aber auch ganz solide Komposition bei Gösta Neuwirth und Georg Friedrich Haas – in den Achtziger Jahren war das. Lang vertiefte sich dabei allerdings auch in philosophische Schriften und verschlang die postmodernen Konvolute von Gilles Deleuze, Felix Guattari oder Jacques Derrida. Inspiriert durch die Dekonstruktion und Deleuze Guattaris Theorie des Rhizoms, begann er einen umfangreichen Werkzyklus mit dem Titel Differenz und Wiederholung. Das Kompositionsprinzip ist dabei bestechend einfach und zugleich doch komplex. Einzelne Klangfiguren werden gegeneinander verschoben, wiederholt, übereinandergestapelt und immer wieder durch live-elektronische Apparaturen gejagt, versampelt und geloopt.

    In I hate Mozart geht es um die Frage, was man im Mozartjahr aus Mozart machen kann und soll, wie man die ständige Wiederaufführung seiner Werke produktiv kommentiert. I hate Mozart ist ein bissiger Kommentar zum Kulturbetrieb und zur medialen Ausschlachtung des Jubilars; man erlebt die Proben zu einer neuen Zauberflöte, mit Verwicklungen, Affären und der Angst vor dem ersten – oder vielleicht auch letzten – Auftritt. Librettist und Regisseur Michael Sturminger stellt ein umfangreiches Personal (inklusive ausufernden Problemen) auf die Bühne, Sängerinnen, die nicht singen können oder wollen, ein Dirigent, der an sich und Mozarts Musik letztlich zugrunde geht, scheinheilige Kritiker, nervös-verzweifelte Orchestermusiker und und und. Sehr bunt geht es zu, die einzelnen Handlungsfäden werden turbulent durcheinander gesponnen; eine reichlich wirre, zugleich an Situationskomik, aber auch an ruhigen, berührenden Momenten reiche Soap tischt uns Sturminger da auf, und das Tempo auf der Bühne wird noch angeheizt durch eine sehr bewegliche Drehbühne, die ständig neue Spielorte bietet – eine Drehung und man kommt von einer Wohnküche in eine Luxus-Suite, eine kleine Drehung mehr und wir sind in einem Orchestergraben.

    Der Soundtrack von Bernhard Lang bleibt anfangs etwas hinter dem Bühnengeschehen zurück, holt den Vorsprung der Szene aber rasch ein: das kleinteilige Wiederholen arioser Teile, das Fragmentieren und Neuzusammensetzen Mozart’scher Phrasen ermöglicht ganz ungewohnte ‚Koloraturen’, etwa wenn die Sänger an einer da capo-Stelle so lange verweilen, vielmehr hängenbleiben, bis sie die Turntables daraus befreien. Es entsteht ein ebenso verstörender, wie betörender Klangraum, Mozart wie aus einer geisterhaften Ferne grüßend und doch ganz nah.

    Puristen dürfte solch ein Umgang mit Mozart sicher vor den Kopf stossen, nicht nur für sie gibt es in der Partitur allerdings noch genügend eher konventionell Gearbeitetes sowie Rap-Elemente.

    Johannes Kalitzke leitete das Klangforum Wien mit hoher Präzision, ebenso ausgezeichnet: das Vocal-Ensemble Nova, sängerisch ragten Salome Kammer, Andrea Lauren Brown und vor allem Florian Boesch als Mozart-motziger Dirigent heraus.