Carlo (Tenor), zunächst Poet, Träumer, in Kürze entführt, flüchtig, von der Polizei inhaftiert. - Heloise (Sopran), eingangs Carlos Geliebte, später Spionin, Diplomatin und Partnerin eines Putschisten, der Staatspräsident wird. - Adriano (Bariton), Psychoanalytiker, später Biograph einer Schönheits-Königin. Hier anfangs liiert mit Aminta (Mezzosopran): attraktiv, stets zum Flirt aufgelegt. Sie als Liebhaberin auch der Musik gibt das Stichwort: Was hier als Zitat und aus dem Radio klingt, stammt aus Mozarts Oper "Cosi fan tutte" - und so wie in dieser geht es auch hier um die Treue der Frauen. Genauer gesagt, es geht um die Treue von Paaren, die blitzartig zerbirst, als in der Flughafenhalle der Phantasiestadt Romadra ein politischer Umsturz beginnt.
So in etwa beginnt die Oper "Sardakai" von Ernst Krenek. Die zweiaktige Oper entstand im Auftrag der Staatsoper Hamburg zu Kreneks Siebzigstem und wurde im Sommer 1970 uraufgeführt. Der Mozart-Bezug des gebürtigen Wieners ist oberflächlich und zugleich substanziellerer Art. Aus zunächst rein aufführungspraktischen Gründen bat Intendant Rolf Liebermann den Komponisten, für eine Cosi-Besetzung zu schreiben. Krenek, 1938 in die USA emigriert, nahm die Herausforderung dergestalt an, dass er auch Elemente des Mozart'schen Operngeschehens für sich adaptierte. Sardakai allerdings ist keine postmoderne Übermalung - die vermeintliche Treueprobe ist nur ein Startschuss und katapultiert die Figuren in ein burleskes Spiel voller Extreme und Überraschungen.
Zunächst greift ein drittes, kaum als solches zu bezeichnendes Paar ins Geschehen: Er, Bass, Urumuru genannt, gleicht einem Chamäleon, das vielerlei Gestalt anzunehmen vermag - Sie, Sopran und Titelfigur, ist im ersten Akt Königin einer Südseeinsel für Dollar-Touristen:
" Musikbeispiel: Ernst Krenek, Sardakai "
Zwei politische Gegner, in den ersten Takten der Oper bereits musikalisch ineinander verkeilt. Königin Sardakai wie Rebell Urumuru wollen beide den nicht gewinnbaren Kampf gegeneinander durch eine Intrige entscheiden: Sie plant, ihn zu enttarnen, zu entführen und - selbst noch Jungfrau - im Bett eines Edelhotels zu bezwingen. Er, eher asexuell, hat mit ihr eine Gehirnwäsche vor.
Kein politischer Thriller beginnt hier, sondern eine Groteske. Komponist Krenek, der sich auch dieses Libretto selbst schrieb, überzeichnet nicht nur die beiden Figuren aus dem Milieu von Staat und Politik. Der Gang der Handlung als solche hat Momente von Absurdem Theater, von Commedia d'ell arte, Zeichentrickfilm und Cartoon. Natürlich wird sogleich der Falsche gekidnappt: nicht Urumuru, sondern Carlo, der dichtende Möchtegernrevoluzzer. Carlos Partnerin, deren vermeintliche Untreue der Poet noch eben zu prüfen gedachte, ist inzwischen Spionin im Dienst Urumurus und entdeckt Carlo sogleich im Bett der enthemmten polynesischen Queen.
Krenek, ein Schüler Franz Schrekers, wählt für das Szenario eine expressive, beinahe schon illustrative Klangsprache von locker dodekaphonem Gepräge und treibt das Handlungsgeschehen durch 11 musikalisch wie dramaturgisch turbulente Szenen voran. Das Parodistische reicht bis in die Tiefenstruktur. Es beginnt beim Figurentableau von Mozarts Cosi, nur dass die Paare sich hier schließlich ganz neu sortieren; es zeigt sich in Maskeraden und Demaskierungen, es begegnet im anspielungsreichen Einsatz von Lautsprecheransagen, Radio- und Fernseh-Einwürfen, die entscheidende Stichworte liefern. Bis hinein in Figuren-Texte wird dabei - man denke an falsche Zimmermädchen, an den auf der Flucht splitternackten Poeten, an den Psychologen als Liebhaber oder an den Fernsehmonteur, der im TV eine Abhöranlage justiert - bis in Figuren-Texte und Szenenabläufe hinein wird mit Klischees und Zitaten gespielt. - Eine in diesem Zusammenhang illustre Szene ist der Auftritt Sardakais als Mrs. Wilson beim Analytiker Adriano, der in seinem von Urumuru bereits verwanzten Büro höchst phantastische Träume notiert:
" Musikbeispiel: Ernst Krenek, Sardakai "
Sardakai bei Adriano, Tiefenpsychologie als Parodie. Von Sopranistin Ksenja Lukic und Bariton Markus Köhler verlangt die Szene nicht nur artistische Treffsicherheit - vor allem ist stets der richtige Gestus zu finden, der blitzschnell wechselt. Lukic und Köhler, noch mehr Dirigent Reinhard Schmiedel sind jedoch reichlich Krenek-erfahren. Sie haben wiederholt Lieder, vor allem jedoch auch das Pendant-Stück, Kreneks Oper Vertrauenssache aufgeführt und produziert. Der Weimarer Dirigent insbesondere, der Krenek noch persönlich erlebte, bemüht sich seit Ende der 80er Jahre, das Vokalwerk des Komponisten bekannter zu machen. Vorliegende Einspielung, die im Auftrag von DeutschlandRadio Kultur mit dem Rundfunksinfonieorchester Berlin im Dahlemer Studio Jesus-Christus Kirche entstand, ist der bisherige Höhepunkt dieses Engagements. Die an nur vier Tagen eingespielte Konserve klingt reichlich frisch, energievoll, theatralisch und farbig - und höchst präzis musiziert. Auch wenn sie beim Label Capriccio sechs Jahre auf Eis lag - sie war auch im Spätherbst vergangenen Jahres, als sie erschien, ein Markstein auf dem Weg zur Erkundung des noch immer zu wenig bekannten Opern-Autors Ernst Krenek.
Am Schluss, nach 11 Szenen und sieben Zwischenmusiken sind die Verhältnisse, d.h. die Beziehungen der Paare ganz unmozartisch, d.h. illusionslos neu geordnet. Königin Sardakai ist heruntergekommen zur Schönheitskönigin; Ex-Psychologe Adriano formuliert ihre Biographie. Heloise ihrerseits (Maacha Deubner darf Urumuru (Robert Junghans), erst Rebell, nun Staatschef von Migo-Migo, politische Aufsätze schreiben. Aminta und Carlo hingegen (Cornelia Entling; Jörg Dürmüller) sind, was sie waren: leere Gefäße für Träume, Trash - stets aufs Neue empfänglich für nimmermüde Illusions-Maschinerien.
Im Finale sind alle Extreme gemildert, die Konvention des Sextetts verlangt ihren Tribut und ein dodekaphoner Ohrwurm hebt an:
" Musikbeispiel: Ernst Krenek, Sardakai "
Ernst Krenek, "Sardakai". Oper in zwei Akten. Revidierte Fassung. Eingespielt mit dem Rundfunksinfonieorchester Berlin unter der musikalischen Leitung von Reinhard Schmiedel. Diese Produktion ist Ende 2006 beim Label Capriccio erschienen
CD 1:
Titel: Ernst Krenek: "Sardakai"
div. Solisten
Orchester: Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin
Leitung: Reinhard Schmiedel
Label: Capriccio
Labelcode: LC 08748
Bestellnr.: 60129
CD 2:
Titel: Michael Haydn: "Andromeda und Perseus"
div. Solisten
Ensemble: Vokalensemble Köln
Orchester: Rundfunk-Sinfonieorchester Saarbrücken
Leitung: Reinhard Goebel
Label: Oehms Classics
Labelcode: LC 112424
Bestellnr.: OC 911
So in etwa beginnt die Oper "Sardakai" von Ernst Krenek. Die zweiaktige Oper entstand im Auftrag der Staatsoper Hamburg zu Kreneks Siebzigstem und wurde im Sommer 1970 uraufgeführt. Der Mozart-Bezug des gebürtigen Wieners ist oberflächlich und zugleich substanziellerer Art. Aus zunächst rein aufführungspraktischen Gründen bat Intendant Rolf Liebermann den Komponisten, für eine Cosi-Besetzung zu schreiben. Krenek, 1938 in die USA emigriert, nahm die Herausforderung dergestalt an, dass er auch Elemente des Mozart'schen Operngeschehens für sich adaptierte. Sardakai allerdings ist keine postmoderne Übermalung - die vermeintliche Treueprobe ist nur ein Startschuss und katapultiert die Figuren in ein burleskes Spiel voller Extreme und Überraschungen.
Zunächst greift ein drittes, kaum als solches zu bezeichnendes Paar ins Geschehen: Er, Bass, Urumuru genannt, gleicht einem Chamäleon, das vielerlei Gestalt anzunehmen vermag - Sie, Sopran und Titelfigur, ist im ersten Akt Königin einer Südseeinsel für Dollar-Touristen:
" Musikbeispiel: Ernst Krenek, Sardakai "
Zwei politische Gegner, in den ersten Takten der Oper bereits musikalisch ineinander verkeilt. Königin Sardakai wie Rebell Urumuru wollen beide den nicht gewinnbaren Kampf gegeneinander durch eine Intrige entscheiden: Sie plant, ihn zu enttarnen, zu entführen und - selbst noch Jungfrau - im Bett eines Edelhotels zu bezwingen. Er, eher asexuell, hat mit ihr eine Gehirnwäsche vor.
Kein politischer Thriller beginnt hier, sondern eine Groteske. Komponist Krenek, der sich auch dieses Libretto selbst schrieb, überzeichnet nicht nur die beiden Figuren aus dem Milieu von Staat und Politik. Der Gang der Handlung als solche hat Momente von Absurdem Theater, von Commedia d'ell arte, Zeichentrickfilm und Cartoon. Natürlich wird sogleich der Falsche gekidnappt: nicht Urumuru, sondern Carlo, der dichtende Möchtegernrevoluzzer. Carlos Partnerin, deren vermeintliche Untreue der Poet noch eben zu prüfen gedachte, ist inzwischen Spionin im Dienst Urumurus und entdeckt Carlo sogleich im Bett der enthemmten polynesischen Queen.
Krenek, ein Schüler Franz Schrekers, wählt für das Szenario eine expressive, beinahe schon illustrative Klangsprache von locker dodekaphonem Gepräge und treibt das Handlungsgeschehen durch 11 musikalisch wie dramaturgisch turbulente Szenen voran. Das Parodistische reicht bis in die Tiefenstruktur. Es beginnt beim Figurentableau von Mozarts Cosi, nur dass die Paare sich hier schließlich ganz neu sortieren; es zeigt sich in Maskeraden und Demaskierungen, es begegnet im anspielungsreichen Einsatz von Lautsprecheransagen, Radio- und Fernseh-Einwürfen, die entscheidende Stichworte liefern. Bis hinein in Figuren-Texte wird dabei - man denke an falsche Zimmermädchen, an den auf der Flucht splitternackten Poeten, an den Psychologen als Liebhaber oder an den Fernsehmonteur, der im TV eine Abhöranlage justiert - bis in Figuren-Texte und Szenenabläufe hinein wird mit Klischees und Zitaten gespielt. - Eine in diesem Zusammenhang illustre Szene ist der Auftritt Sardakais als Mrs. Wilson beim Analytiker Adriano, der in seinem von Urumuru bereits verwanzten Büro höchst phantastische Träume notiert:
" Musikbeispiel: Ernst Krenek, Sardakai "
Sardakai bei Adriano, Tiefenpsychologie als Parodie. Von Sopranistin Ksenja Lukic und Bariton Markus Köhler verlangt die Szene nicht nur artistische Treffsicherheit - vor allem ist stets der richtige Gestus zu finden, der blitzschnell wechselt. Lukic und Köhler, noch mehr Dirigent Reinhard Schmiedel sind jedoch reichlich Krenek-erfahren. Sie haben wiederholt Lieder, vor allem jedoch auch das Pendant-Stück, Kreneks Oper Vertrauenssache aufgeführt und produziert. Der Weimarer Dirigent insbesondere, der Krenek noch persönlich erlebte, bemüht sich seit Ende der 80er Jahre, das Vokalwerk des Komponisten bekannter zu machen. Vorliegende Einspielung, die im Auftrag von DeutschlandRadio Kultur mit dem Rundfunksinfonieorchester Berlin im Dahlemer Studio Jesus-Christus Kirche entstand, ist der bisherige Höhepunkt dieses Engagements. Die an nur vier Tagen eingespielte Konserve klingt reichlich frisch, energievoll, theatralisch und farbig - und höchst präzis musiziert. Auch wenn sie beim Label Capriccio sechs Jahre auf Eis lag - sie war auch im Spätherbst vergangenen Jahres, als sie erschien, ein Markstein auf dem Weg zur Erkundung des noch immer zu wenig bekannten Opern-Autors Ernst Krenek.
Am Schluss, nach 11 Szenen und sieben Zwischenmusiken sind die Verhältnisse, d.h. die Beziehungen der Paare ganz unmozartisch, d.h. illusionslos neu geordnet. Königin Sardakai ist heruntergekommen zur Schönheitskönigin; Ex-Psychologe Adriano formuliert ihre Biographie. Heloise ihrerseits (Maacha Deubner darf Urumuru (Robert Junghans), erst Rebell, nun Staatschef von Migo-Migo, politische Aufsätze schreiben. Aminta und Carlo hingegen (Cornelia Entling; Jörg Dürmüller) sind, was sie waren: leere Gefäße für Träume, Trash - stets aufs Neue empfänglich für nimmermüde Illusions-Maschinerien.
Im Finale sind alle Extreme gemildert, die Konvention des Sextetts verlangt ihren Tribut und ein dodekaphoner Ohrwurm hebt an:
" Musikbeispiel: Ernst Krenek, Sardakai "
Ernst Krenek, "Sardakai". Oper in zwei Akten. Revidierte Fassung. Eingespielt mit dem Rundfunksinfonieorchester Berlin unter der musikalischen Leitung von Reinhard Schmiedel. Diese Produktion ist Ende 2006 beim Label Capriccio erschienen
CD 1:
Titel: Ernst Krenek: "Sardakai"
div. Solisten
Orchester: Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin
Leitung: Reinhard Schmiedel
Label: Capriccio
Labelcode: LC 08748
Bestellnr.: 60129
CD 2:
Titel: Michael Haydn: "Andromeda und Perseus"
div. Solisten
Ensemble: Vokalensemble Köln
Orchester: Rundfunk-Sinfonieorchester Saarbrücken
Leitung: Reinhard Goebel
Label: Oehms Classics
Labelcode: LC 112424
Bestellnr.: OC 911