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Ein chinesisches Statement

Mit einer durchschnittlichen Leistung von 35 Billiarden Gleitkommaoperationen in der Sekunde ist der chinesische Rechner "Tianhe-2" etwa doppelt so schnell wie sein direkter Konkurrent "Titan" aus den USA. IT-Experten fürchten, dass der Supercomputer für staatliche Überwachungsprogramme genutzt werden könnte.

Von Peter Welchering | 22.06.2013
    Tianhe ist das chinesische Wort für "Milchstraße". Und das bringt die Ambitionen der chinesischen Supercomputerentwickler ganz gut auf den Punkt: Sie beanspruchen eine Führungsrolle, nicht nur in der asiatischen Welt, gegenüber Japan, sondern auch gegenüber Europa und vor allen Dingen gegenüber den USA. Entsprechend stolz stellt Professor Ruibo Wang von der Nationalen Universität für Verteidigungstechnologie die Rahmendaten des derzeit schnellsten Rechners vor.

    "Der Tianhe-2 – das sind 170 Computerschränke, die aus je 125 Racks bestehen. In der Leistungsspitze schafft der Rechner 50 Petaflops. Mit dem Linpack-Test wurden 34,9 Petaflops gemessen. Deshalb sind wir jetzt auf dem ersten Platz der Top 500 Weltrangliste. Zurzeit steht der Tinahe-2 in Changsha, er wird aber noch in diesem Jahr nach Guangzhou umziehen."

    Der Umzug des Tianhe-2 nach Guangzhou hat in erster Linie politische Gründe. Die chinesische Regierung will damit deutlich machen, dass der Schwerpunkt des Rechnereinsatzes in der Produktentwicklung, und damit im Rechnen von Simulationen liegt. Im Vorfeld hatten Entwickler der Nationalen Universität für Verteidigungstechnologie, an der der Tinahe-2 entwickelt wurde, nämlich die Big-Data-Fähigkeiten und die Rechenrasanz bei statistischen Ableitungen betont. Mit solchen statistischen Ableitungen arbeiten alle Überwachungsprogramme der verschiedenen Geheimdienste dieser Welt.

    So war für viele Experten und Journalisten klar: Der Tianhe-2 ist ein militärischer Supercomputer. Dem sind Regierungsoffizielle aus Peking ganz entschieden entgegengetreten. Deshalb betont Ruibo Wang auch nachdrücklich die geplanten Einsatzszenarien des Tianhe-2 in der Simulation.

    "Er ist für die umfangreichsten Anwendungen in den Wissenschaften, im Ingenieurwesen und für industrielle Anwendungen ausgelegt. Wir haben zum Beispiel verschiedene Automobilwerke in Guangzhou, die den Rechner für Simulationsrechnungen bei der Entwicklung neuer Automobile nutzen wollen, ebenso bei der Entwicklung großer Schiffe und Flugzeuge."

    Zwei Ziele verfolgt die chinesische Regierung mit ihrem milliardenschweren Supercomputerprogramm vor allen Dingen: China soll sich als führende Supercomputerkraft im internationalen Wettbewerb etablieren. Und: Die Supercomputer aus chinesischer Produktion sollen eine Art Identifikationspunkt für die Bevölkerung bieten. Die Erfolge in der heimischen Supercomputerentwicklung sollen so auch von den zahlreichen Korruptionsskandalen in der chinesischen Technologiebranche ablenken. Deshalb betont Ruibo Wang, dass beim Tianhe-2 vom chinesischen Unix als Betriebssystem, über die Kommunikationsprozessoren bis hin zu den Kühlsystemen alle Komponenten in China entwickelt wurden. Professor Hans-Werner Meuer, einer der Organisatoren der Supercomputerkonferenz, gießt da ein wenig Wasser in den Wein.

    "Die Chinesen legen Wert darauf, dass sie alles selbst gemacht haben, außer eben den wichtigen Prozessoren von Intel, die da mit drin stecken. Wenn Sie die noch selbst haben, aber das sind sie im Moment noch nicht dazu in der Lage, diese leistungsfähigen Prozessoren zu machen, dann wird das System vollkommen aus einer Hand sein."

    Bis dahin werden aber noch einige Jahre vergehen. Und vor allen Dingen müssen die chinesischen Supercomputerhersteller zunächst einmal Referenzkunden in den USA und Europa finden.

    "Ich selbst erwarte nicht, dass damit jetzt schon bei China der Durchbruch ist. Wir haben die Frage diskutiert, ob es mal dazu kommt, dass China zum Beispiel die USA als größtes Nutzerland wird ablösen können. Das wird in nächster Zeit noch nicht so schnell passieren. Es ist jedoch die Frage, wann die Chinesen mal in der Lage sind, eines ihrer Systeme außerhalb von China zu platzieren. Ich denke, sie haben eine bessere Chance in Europa als in den USA, die jetzt erst einmal wieder geschockt sein werden wie schon des Öfteren von Asien."