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Ein deutscher Alleingang zum Wohle der Verbraucher

Im Sommer 2000 ist erstmals in der breiten Öffentlichkeit über die Belastung von Getreide- und Getreideerzeugnissen mit Schimmelpilzen diskutiert worden. Die so genannten Mykotoxine traten teilweise in einer Größenordnung auf, die viele Wissenschaftler als bedenklich für die menschliche Gesundheit ansahen. Der Nachteil: es gab damals gar keine Grenzwerte, die den Schimmelpilz-Gehalt in Getreideerzeugnissen regelten. Das will nun das Bundeslandwirtschaftsministerium ändern und hat eine neue Mykotoxin-Höchstmengenverordnung auf den Weg gebracht.

Von Volker Mrasek | 12.12.2003
    Dass das Verbraucherschutz- und Landwirtschaftsministerium dem Bundesrat jetzt den neuen Entwurf vorlegt, darf schon als Erfolg angesehen werden. Schließlich handelt es sich um einen nationalen Alleingang, mit dem Deutschland den Gehalt von Schimmelpilz-Giften in Getreide vermindern will. So etwas geht nicht ohne Grünes Licht aus Brüssel. Und dafür musste Berlin lange und beharrlich kämpfen. Es gab monatelangen heftigen Widerstand nicht nur der EU-Kommission, sondern auch von Seiten anderer Mitgliedsländer.

    Am Ende gingen den Gegnern neuer und scharfer Höchstwerte aber die Argumente aus. Es gebe noch gar keine brauchbaren Meßmethoden für die so genannten Mykotoxine, wurde moniert. Und überhaupt sei es technisch unmöglich, die von Deutschland vorgeschlagenen Höchstwerte einzuhalten.

    Doch Renate Künasts Experten konnten die Kommission in beiden Fällen vom Gegenteil überzeugen. Heino Rosner vom Bundesinstitut für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, der zuständigen Fachbehörde des Künast-Ministeriums:

    Die EU-Regelungen umfassen nur einen relativ kleinen Anteil der Lebensmittel, die wir für regelungswürdig halten. Und wir haben dann die Chance, in Deutschland eben andere Werte zu formulieren als bei der EU.

    Diese Chance ergreift die Bundesregierung nun, um Höchstgrenzen für weitere Schimmelpilzgifte in weiteren Getreideprodukten auf dem deutschen Markt zu erlassen. Dabei geht es um Stoffe mit schier unaussprechlichen Namen wie Deoxynivalenol oder Fumonisin.


    Sie treten alle in pflanzlichen Lebensmitteln auf, sind zum Teil krebserregend. In der Regel kann man davon ausgehen, dass alle auch immun-suppressiv sind. Insofern würde das ja bedeuten: Sie tragen zur Verringerung des Immunstatus des Menschen bei. Wir müssen dafür insgesamt sorgen, dass die Konzentrationen, mit denen wir es zu tun haben, auf einem möglichst niedrigen Niveau gehalten werden können.

    Der Entwurf aus dem Hause Künast zielt nun auf die am häufigsten belasteten Grundnahrungsmittel.

    Das ist zunächst Getreide aus heimischem Anbau wie Weizen, Roggen, Gerste und Hafer. In feuchten Erntejahren können sich darin besonders viele Schimmelpilze einnisten und ihre Giftstoffe absondern. Reguliert werden soll aber auch Import-Mais, etwa aus Italien.

    Neue Mykotoxin-Höchstwerte sind dabei nicht nur für Körner und Mehle vorgesehen, sondern auch für Fertigprodukte wie Brot, Backwaren und Cornflakes. Am wenigsten Pilzgift soll Babykost enthalten dürfen. Allerdings: Bevor aus dem Entwurf ein Gesetzes-Text wird, muss ihn der Bundesrat absegnen. Mit einem Veto der Länder wird aber nicht gerechnet. Und Regierungsexperte Rosner hofft, ...

    ... dass wir möglichst bald eine eigene nationale Gesetzgebung haben, in der alle diese Stoffe genannt sind. Und insofern werden wir dann auch eine bessere Regelung haben als in der gesamten EU.


    Für einen besseren Schutz des Verbrauchers vor den Schimmelpilzgiften machen sich auch Wissenschaftler stark. So fordert die Gesellschaft für Mykotoxin-Forschung schon lange zusätzliche Höchstmengen-Regelungen. Denn dadurch, so ihr langjähriger Vorsitzender Ewald Usleber, ...

    ... schneidet man die Spitzen ab, das heißt: Das hochkontaminierte Material kann man damit sehr effektiv reduzieren. Und damit senkt man ganz dramatisch die durchschnittliche Belastung.

    Gar nichts vom deutschen Alleingang hält übrigens die Kaffee-Industrie. Sie kämpfte mit aller Kraft gegen neue gesetzliche Höchstwerte, wie aus Brüssel verlautet. Denn auch die Kaffee-Erzeuger haben ein Problem mit Mykotoxinen: Ihre Rohware enthält gelegentlich Ochratoxin A, ein Schimmelpilzgift, das im Verdacht steht, Krebs auszulösen.