Sein erster Gedichtband mit der eindrücklichen Titelzeile "Die Straßen komme ich entlang geweht" hat 1912 große Aufmerksamkeit und Anerkennung geerntet. Und Kurt Hiller meinte, "eine Art deutschen Verlaine" gefunden zu haben. Die Welt des Ernst Blass ist die Großstadt, im wesentlichen Berlin. Doch man kann seine Dichtungen nicht mit dem später zum Schmähwort gewordenen Begriff "Asphaltlyrik" bezeichnen.
In seinen Gedichten wollte er, nicht anders als Baudelaire, "das volle Leben einer grauen Stadt" einfangen, und zwar nicht im romantischen Sinne negativ-kritisch, sondern als Versuch einer inneren Teilhabe. "Als Lyriker", schreibt Blass, wird der Dichter "dieses feurig fühlen: das ganze Sternschnuppenhafte einer Menschenexistenz, diese Einmaligkeit, das Umwogtsein - und das Stürzen und die Lust und die Melodei". Solche Emphase eines Zweiundzwanzigjährigen kann nur enttäuscht werden, und Blass macht selbst im Vorwort zu seinem Gedichtband auf "jene kritische, beschwingte, fechtlustige Daseinsstimmung selbst in der Lyrik" aufmerksam. Das Titelgedicht des ersten Bandes, das auch diese Ausgabe übernommen hat, endet jedenfalls mit weichen Tönen:
Die Straßen komme ich entlang geweht,
Die Lichter scheinen sanft aus mir zu saugen,
Was mich vorhin noch von den Menschen trennte;
So seltsam bin ich, der die Nacht durchgeht...
Freundin, wenn ich jetzt dir begegnen könnte,
Ich bin so sanft, mit meinen blauen Augen!
Das Subjekt, das Ich erscheint in diesen Versen nicht allzu gefestigt, und nicht ohne Grund sind wir argwöhnisch gegenüber Leuten, die sich als sanft und seltsam vorstellen. Die Lektüre der weiteren Gedichte gibt diesem Vorurteil weitgehend Recht. Ernst Blass probiert in seinen Gedichten immer wieder große Posen aus, vielleicht wie es junge Mädchen mit Kleidern oder Schmuck tun. In einem Sonett, das dem ewigen Romeo & Julia-Thema nachempfunden ist, bringt das Ich seiner Geliebten einen Trank. Die unheilvolle Stimmung lässt den Leser ahnen, dass er vergiftet ist: "Es ist des Todes und der Liebe Stunde". Eine tragische Notwendigkeit scheint nicht auf, auch wenn sie angedeutet wird: "Vergangen nun sind trennende Gewalten". Dass die nicht überschätzt werden dürfen, drückt sich im Wort "Kummer" aus. Der sei nun vorbei. Also wieder einmal adoleszente Gefühlsposen, wie sie seit "Werthers Leiden" ausreichend bekannt sind - was gilt schon ein Menschenleben, wenn man selbst Kummer hat. (Man darf an die Hausse der Attentäter denken, bis hin zum Königinfest in den Niederlanden am 30. April.)
Die unberatene, weil ausweglose Sensibilität der jungen Dichter aus zumeist gutbürgerlichem Hause ist das zentrale Thema der Literatur um die vorletzte Jahrhundertwende, und das wirkt anrührend, wo es große Literatur zeitigt, bei Hesse und Robert Walser, bei Thomas Mann , Franz Kafka, Werfel, Brecht und vielen anderen. Ist das auch bei Ernst Blass gelungen? Warum haben wir so wenig von ihm gehört? Lohnt die Neuentdeckung? Die Antwort ist wohl ein bedingtes Ja. So zur Seite gelegt und vergessen, wie es Ernst Blass geschah, ist ganz und gar ungehörig, unproportional. Und es ist eine große Leistung, ein äußerst lobenswertes Verdienst, dass Thomas B. Schumann diese dreibändige Werkausgabe in seiner "Edition Memoria" herausgebracht hat. Anerkennung für die Förderung dieses Projekts gehört auch der Kunststiftung Nordrhein-Westfalen. Nicht nur die Gedichte von Ernst Blass, auch seine Erzählungen, Aufsätze und Feuilletons haben unsere Zuwendung verdient.
Seine inzwischen berühmten Zeitgenossen haben immer wieder Mittel und Wege gefunden, ihre Seelenschmerzen zu sublimieren, das heißt in eine Kunst umzusetzen, die Anteilnahme provoziert. Sie wird ermöglicht, weil der Schmerzzustand als verlassen oder überschritten ausgestellt wird. Anteilnahme und Abstand werden zugleich vermittelt. Doch manchen ist das nie recht gelungen, Robert Walser nicht, auch vielen Expressionisten nicht, und auch Ernst Blass blieb seinen Seelenschmerzen stets 1:1 treu, auch wenn er auf sie "in wundenloser Trauer" zurückzublicken sucht. Eine frühe kleine Erzählung, nicht ohne Thomas-Mann-Anflüge, heißt Mecklenburgisches Umwogtsein. Sie stammt von 1912 und spricht anrührend von lauter vorausgenommenen Verlustschmerzen:
"Schmerzlich und klanglos ging die Zeit vorbei. Es war im August, an der See, auf der Reise. Da zog sich dieser taube und zerrüttende Schmerzenskrampf zusammen, den ich heut überstanden habe. Wenn ich heute aus dem geheizten Zimmer auf die kleine, rührend emsige Bewegung unten auf der Straße schaue, und wenn ich - wie oft - gerade an damals denke, so fühle ich gedenkend manches Selige mit, neben allem Gedrückten; manches vom Leben, vom Umwogtsein. (...) Damals litt ich: leer und sinnlos. Heute spüre ich in wundenloser Trauer den Glanz der Weiten. Erlittenes; - dennoch etwas, das ferne ruhig leuchtet - und winkt."
Was diesen Zeilen fehlt - im Vergleich etwa zu Robert Walser - ist die unbeschreibliche Anmut, die es braucht, um den Leser an Schmerzenskrämpfen interessiert zu halten. Es ist zuzugeben, dass diese Erwartung etwas viel verlangt, aber auch nur, weil sie wundersam oft eingelöst worden ist. Die Erzählungen entwickeln immer wieder den Typus des Nicht-erwachsenen-Menschen, in vollkommener Einfühlung und zugleich so kalt und genau beschrieben, dass es dem Leser leicht wird, eine Gegenposition einzunehmen und mit dem Erzähler in einen provozierten stillen Dialog einzutreten. Blass entwickelt so eine Erzählform, die seit den siebziger Jahren bei uns von jedem zweiten Autor probiert worden ist. Er hält freilich die zugrunde liegende Pathologie durchsichtiger, während die Gegenwartsautoren, vom Fernsehen gereizt, dem schnöden Ich keine Chance zur Selbstrelativierung lassen. Es bekommt immer Recht. Das reizvoll Irritierende der Erzählungen von Ernst Blass liegt darin, dass sie, wie bei Kafka, sich jeden Urteils enthalten, auch zumeist einen offenen Schluss haben, aber den Helden allein lassen, nicht etwa stützen.
Großartig sind seine Skizzen, die gelegentlich von Jugenderinnerungen ausgehen oder aber auch von Begegnungen, etwa mit dem Philosophen Max Scheler, der uns hier ganz neu erscheint: als ein lebensbegeisterter, heiterer, weltlicher Mensch. Und Blass entdeckt etwas vom eigenen Wesen, wenn er Scheler zuschreibt:
"Schmiegsam war seine Art, der Wirklichkeit nahe zu kommen, als ob er sich scheute, ihr philosophisch Gewalt anzutun. (...) Er versuchte, wie er sagte, mit beiden Augen zu sehen und nicht einäugig wie ein Zyklop entweder nur die Wolken oder nur die untere Materie zu betrachten, (...) versuchte, das Menschenhafte immer voller, reiner und höher zu genießen und zu realisieren.."
"Ferien vom Berliner Pflaster" ist der Band überschrieben, der die Erzählungen und Feuilletons von Erst Blass gesammelt vorstellt. Und die darin enthaltenen Porträts berühmter Zeitgenossen beweisen einmal mehr, dass Blass in den zwanziger Jahren energisch über die Themen Decadence, Jugend, Werthertum (wie er es nannte) hinausgewachsen ist, seinen Blick energisch über den Tellerrand der "Weltstadt", wie sich Berlin schon damals nannte, hinaushob. So fesselte ihn das Phänomen Stefan George in München, das Bild des prophetischen Dichters, einsam gegen die Wirren der Zeit gestellt, und Blass meint sich selber mit, wenn er im Hinblick auf den selbsternannten Meister schreibt:
"Für den Dichter unserer Zeiten aber ist die Umwelt Menge, er ist verwundbar, und davon ward sein Weg einsam und schwer. Sein tiefster Wert wird von den Anderen nicht geglaubt, so muss er sich, der Ehre hat wie sonst kein Mensch, von ihnen trennen, (...) und der Verheißung einer anderen Verwirklichung folgen."
Die Gedichte von Ernst Blass versuchen bald, der strengen Form Georges gerecht zu werden, fünffüßige Jamben in jeweils drei vierzeiligen Strophen. Blass richtet darin das Zuviel des Nennens, das die Gegenwart entleert, die Wut und den Hohn in lauter überflüssigen Streitereien. Indem er seinen beklemmenden Gefühlen eine geschichtsphilosophische Signatur zumisst, gewinnen seine Gedichte auch an allgemeiner Bedeutung. Der ernste Ton fasst wichtige Themen, zentrale Gegenstände und in den Gedichten nach dem Ersten Weltkrieg ist Blass nicht nur auf der Höhe seiner Kunst, sondern auch seiner Zeit. Im Januar 1933 starb Blass, noch keine 50 Jahre alt, an einer akuten Herzschwäche, die auf eine nicht erkannte Tuberkulose zurückging. Er kam damit sozusagen seiner Einlieferung ins KZ zuvor, wohin seine jüngste Schwester kurze Zeit später verbracht wurde. Die vorausgehende Not und den langsamen Zerfall seiner Persönlichkeit beschreibt das Nachwort des Herausgebers Thomas B. Schumann informiert und einfühlsam. Als Glanzlichter wirken die vielen Zitate von bedeutenden Zeitgenossen, die Ernst Blass schätzten und verehrten. Vielleicht bringt die neue Ausgabe auch heutige Leser zu einer kritisch-sympathetischen Lektüre...
In seinen Gedichten wollte er, nicht anders als Baudelaire, "das volle Leben einer grauen Stadt" einfangen, und zwar nicht im romantischen Sinne negativ-kritisch, sondern als Versuch einer inneren Teilhabe. "Als Lyriker", schreibt Blass, wird der Dichter "dieses feurig fühlen: das ganze Sternschnuppenhafte einer Menschenexistenz, diese Einmaligkeit, das Umwogtsein - und das Stürzen und die Lust und die Melodei". Solche Emphase eines Zweiundzwanzigjährigen kann nur enttäuscht werden, und Blass macht selbst im Vorwort zu seinem Gedichtband auf "jene kritische, beschwingte, fechtlustige Daseinsstimmung selbst in der Lyrik" aufmerksam. Das Titelgedicht des ersten Bandes, das auch diese Ausgabe übernommen hat, endet jedenfalls mit weichen Tönen:
Die Straßen komme ich entlang geweht,
Die Lichter scheinen sanft aus mir zu saugen,
Was mich vorhin noch von den Menschen trennte;
So seltsam bin ich, der die Nacht durchgeht...
Freundin, wenn ich jetzt dir begegnen könnte,
Ich bin so sanft, mit meinen blauen Augen!
Das Subjekt, das Ich erscheint in diesen Versen nicht allzu gefestigt, und nicht ohne Grund sind wir argwöhnisch gegenüber Leuten, die sich als sanft und seltsam vorstellen. Die Lektüre der weiteren Gedichte gibt diesem Vorurteil weitgehend Recht. Ernst Blass probiert in seinen Gedichten immer wieder große Posen aus, vielleicht wie es junge Mädchen mit Kleidern oder Schmuck tun. In einem Sonett, das dem ewigen Romeo & Julia-Thema nachempfunden ist, bringt das Ich seiner Geliebten einen Trank. Die unheilvolle Stimmung lässt den Leser ahnen, dass er vergiftet ist: "Es ist des Todes und der Liebe Stunde". Eine tragische Notwendigkeit scheint nicht auf, auch wenn sie angedeutet wird: "Vergangen nun sind trennende Gewalten". Dass die nicht überschätzt werden dürfen, drückt sich im Wort "Kummer" aus. Der sei nun vorbei. Also wieder einmal adoleszente Gefühlsposen, wie sie seit "Werthers Leiden" ausreichend bekannt sind - was gilt schon ein Menschenleben, wenn man selbst Kummer hat. (Man darf an die Hausse der Attentäter denken, bis hin zum Königinfest in den Niederlanden am 30. April.)
Die unberatene, weil ausweglose Sensibilität der jungen Dichter aus zumeist gutbürgerlichem Hause ist das zentrale Thema der Literatur um die vorletzte Jahrhundertwende, und das wirkt anrührend, wo es große Literatur zeitigt, bei Hesse und Robert Walser, bei Thomas Mann , Franz Kafka, Werfel, Brecht und vielen anderen. Ist das auch bei Ernst Blass gelungen? Warum haben wir so wenig von ihm gehört? Lohnt die Neuentdeckung? Die Antwort ist wohl ein bedingtes Ja. So zur Seite gelegt und vergessen, wie es Ernst Blass geschah, ist ganz und gar ungehörig, unproportional. Und es ist eine große Leistung, ein äußerst lobenswertes Verdienst, dass Thomas B. Schumann diese dreibändige Werkausgabe in seiner "Edition Memoria" herausgebracht hat. Anerkennung für die Förderung dieses Projekts gehört auch der Kunststiftung Nordrhein-Westfalen. Nicht nur die Gedichte von Ernst Blass, auch seine Erzählungen, Aufsätze und Feuilletons haben unsere Zuwendung verdient.
Seine inzwischen berühmten Zeitgenossen haben immer wieder Mittel und Wege gefunden, ihre Seelenschmerzen zu sublimieren, das heißt in eine Kunst umzusetzen, die Anteilnahme provoziert. Sie wird ermöglicht, weil der Schmerzzustand als verlassen oder überschritten ausgestellt wird. Anteilnahme und Abstand werden zugleich vermittelt. Doch manchen ist das nie recht gelungen, Robert Walser nicht, auch vielen Expressionisten nicht, und auch Ernst Blass blieb seinen Seelenschmerzen stets 1:1 treu, auch wenn er auf sie "in wundenloser Trauer" zurückzublicken sucht. Eine frühe kleine Erzählung, nicht ohne Thomas-Mann-Anflüge, heißt Mecklenburgisches Umwogtsein. Sie stammt von 1912 und spricht anrührend von lauter vorausgenommenen Verlustschmerzen:
"Schmerzlich und klanglos ging die Zeit vorbei. Es war im August, an der See, auf der Reise. Da zog sich dieser taube und zerrüttende Schmerzenskrampf zusammen, den ich heut überstanden habe. Wenn ich heute aus dem geheizten Zimmer auf die kleine, rührend emsige Bewegung unten auf der Straße schaue, und wenn ich - wie oft - gerade an damals denke, so fühle ich gedenkend manches Selige mit, neben allem Gedrückten; manches vom Leben, vom Umwogtsein. (...) Damals litt ich: leer und sinnlos. Heute spüre ich in wundenloser Trauer den Glanz der Weiten. Erlittenes; - dennoch etwas, das ferne ruhig leuchtet - und winkt."
Was diesen Zeilen fehlt - im Vergleich etwa zu Robert Walser - ist die unbeschreibliche Anmut, die es braucht, um den Leser an Schmerzenskrämpfen interessiert zu halten. Es ist zuzugeben, dass diese Erwartung etwas viel verlangt, aber auch nur, weil sie wundersam oft eingelöst worden ist. Die Erzählungen entwickeln immer wieder den Typus des Nicht-erwachsenen-Menschen, in vollkommener Einfühlung und zugleich so kalt und genau beschrieben, dass es dem Leser leicht wird, eine Gegenposition einzunehmen und mit dem Erzähler in einen provozierten stillen Dialog einzutreten. Blass entwickelt so eine Erzählform, die seit den siebziger Jahren bei uns von jedem zweiten Autor probiert worden ist. Er hält freilich die zugrunde liegende Pathologie durchsichtiger, während die Gegenwartsautoren, vom Fernsehen gereizt, dem schnöden Ich keine Chance zur Selbstrelativierung lassen. Es bekommt immer Recht. Das reizvoll Irritierende der Erzählungen von Ernst Blass liegt darin, dass sie, wie bei Kafka, sich jeden Urteils enthalten, auch zumeist einen offenen Schluss haben, aber den Helden allein lassen, nicht etwa stützen.
Großartig sind seine Skizzen, die gelegentlich von Jugenderinnerungen ausgehen oder aber auch von Begegnungen, etwa mit dem Philosophen Max Scheler, der uns hier ganz neu erscheint: als ein lebensbegeisterter, heiterer, weltlicher Mensch. Und Blass entdeckt etwas vom eigenen Wesen, wenn er Scheler zuschreibt:
"Schmiegsam war seine Art, der Wirklichkeit nahe zu kommen, als ob er sich scheute, ihr philosophisch Gewalt anzutun. (...) Er versuchte, wie er sagte, mit beiden Augen zu sehen und nicht einäugig wie ein Zyklop entweder nur die Wolken oder nur die untere Materie zu betrachten, (...) versuchte, das Menschenhafte immer voller, reiner und höher zu genießen und zu realisieren.."
"Ferien vom Berliner Pflaster" ist der Band überschrieben, der die Erzählungen und Feuilletons von Erst Blass gesammelt vorstellt. Und die darin enthaltenen Porträts berühmter Zeitgenossen beweisen einmal mehr, dass Blass in den zwanziger Jahren energisch über die Themen Decadence, Jugend, Werthertum (wie er es nannte) hinausgewachsen ist, seinen Blick energisch über den Tellerrand der "Weltstadt", wie sich Berlin schon damals nannte, hinaushob. So fesselte ihn das Phänomen Stefan George in München, das Bild des prophetischen Dichters, einsam gegen die Wirren der Zeit gestellt, und Blass meint sich selber mit, wenn er im Hinblick auf den selbsternannten Meister schreibt:
"Für den Dichter unserer Zeiten aber ist die Umwelt Menge, er ist verwundbar, und davon ward sein Weg einsam und schwer. Sein tiefster Wert wird von den Anderen nicht geglaubt, so muss er sich, der Ehre hat wie sonst kein Mensch, von ihnen trennen, (...) und der Verheißung einer anderen Verwirklichung folgen."
Die Gedichte von Ernst Blass versuchen bald, der strengen Form Georges gerecht zu werden, fünffüßige Jamben in jeweils drei vierzeiligen Strophen. Blass richtet darin das Zuviel des Nennens, das die Gegenwart entleert, die Wut und den Hohn in lauter überflüssigen Streitereien. Indem er seinen beklemmenden Gefühlen eine geschichtsphilosophische Signatur zumisst, gewinnen seine Gedichte auch an allgemeiner Bedeutung. Der ernste Ton fasst wichtige Themen, zentrale Gegenstände und in den Gedichten nach dem Ersten Weltkrieg ist Blass nicht nur auf der Höhe seiner Kunst, sondern auch seiner Zeit. Im Januar 1933 starb Blass, noch keine 50 Jahre alt, an einer akuten Herzschwäche, die auf eine nicht erkannte Tuberkulose zurückging. Er kam damit sozusagen seiner Einlieferung ins KZ zuvor, wohin seine jüngste Schwester kurze Zeit später verbracht wurde. Die vorausgehende Not und den langsamen Zerfall seiner Persönlichkeit beschreibt das Nachwort des Herausgebers Thomas B. Schumann informiert und einfühlsam. Als Glanzlichter wirken die vielen Zitate von bedeutenden Zeitgenossen, die Ernst Blass schätzten und verehrten. Vielleicht bringt die neue Ausgabe auch heutige Leser zu einer kritisch-sympathetischen Lektüre...