Bei dem neuen Theater-Chef Wolfgang Reiter, der aus Graz, vom "steirischen herbst" kommt, weiß man noch nicht so genau, wohin es geht. Gewiß, Gegenwartsdramatik, das ist am Neumarkt die Vorgabe für jeden Intendanten - schon um sich gegen das übermächtige Züri-cher Schauspielhaus abzugrenzen. Aber Reiter plant nur bis zum nächsten Stück, einen Spielplan gibt es nicht, dafür "größtmögliche Offenheit" - wenn das mal gut geht.
Zur Eröffnungspremiere hat man sich einen Klassiker gegriffen und radikal modernisiert, Lessings "Emilia Galotti", jetzt nur noch "E..." geheißen. Die junge Regisseurin Charlotte Roos, die als Regieassis-tentin immerhin die Herren Dimiter Gotscheff, Matthias Hartmann, Johan Kresnik und Christoph Schlingensief überlebt hat, interessiert sich einen feuchten Kehricht für Lessing, die Aufklärung und die höchst ambivalente, von Konventionen umstellte Gefühlssituation der Hauptfigur.
Emilia, das ist heute: ein Top-tragendes Oberstufenmädel aus bürgerlichem Hause, geschult an den Posen der Modebranche. Der Prinz, der Herr Gonzaga, hat es mit den Zahlen, also mit dem Geld, so ein sich langweilender Yuppie -Broker, nach allen Seiten offen.
Für Charlotte Roos, die Regie offenbar für das Umarbeiten, das Neuschreiben von Stücken hält, ist nun klar: das Problem der Emilia be-steht nicht darin, dass sie sich - gegen ihren Willen - zu einem wenig sympathischen Machtmenschen sexuell hingezogen fühlt. Bei Roos sind die (mit einem anderen verlobte) Emilia und der coole Prinz ma-nifest verknallt. Sie sagen einander gar trunkene Liebes-Elogen auf, die sich bei Lessing so gar nicht finden lassen, wohl aber bei Autoren, die bei Tempo, Prinz, Max oder Cosmopolitan gelernt haben. Lifestyle-Liebesschwüre.
Zu diesem Lebensgefühl gehört natürlich ein gewisser Groove, den gibt’s umsonst dazu. Popmusik als ständiges Hintergrundgeräusch unterspült die Inszenierung, entschärft jeden Dialog, macht alles mo-disch und schick. Der Maler Conti bringt dem Prinzen keine Ölgemälde, sondern stellt die zu portraitierenden Frauen einfach in ein Schaufenster: posierendes Menschenmaterial als Installation.
Marinelli, der dem Prinzen die Weiber zuführt, betätigt sich ebenfalls als Familien-Aufsteller und hat jede Menge Soziologen-Gewäsch drauf. Außerdem liest er den Werther (als Reclam-Heft), weil Werther vor seinem Ableben "Emilia Galotti" las. Und wenn man dann die gute Emilia entführt und deren Verlobten killt, den Grafen Appiani, in Zürich der Wunschmann aller Schwiegermütter, dann probt man das als Film-Szene, als Stunt, und macht ganz viel Peng-Peng.
Ja, das Theater ist ein Kinderspiel. Oder auch: eine Beziehungskiste. Emilia kann sich in Zürich nicht recht entscheiden zwischen Kopf und Bauch und fühlt sich dann von bösen Männern umstellt. Ihre einzige Erkenntnis: "es muß aufhören". Ja, aber warum muß sie sich dann gleich entleiben, statt zum Abiball zu gehen? Warum hat sie überhaupt so altmodische Eltern, die zwischen Tugend und Opportunismus schwanken?
Das Problem der Inszenierung ist, dass sie mit ihrem Aktualisierungs-Kitsch alles banalisiert, statt die Figuren in ihrer Fremdheit zu belassen. Daß sie auch schauspielerisch schwankt zwischen dem Unterspielen von Emotionen und dem stadttheatralischen Ausbrechen in große Gefühle. Ein junges Ensemble, voller Energie, aber auch ein bisschen naiv. Die Bühnenbildnerin Stephanie Wagner hat zwei Sofas nebst Hinterzimmer jeweils an die Saalenden gestellt, eines links, der neureiche Gonzaga, eines rechts, die Familie Galotti, dazwischen ein Laufsteg - so dass man vom ständigen Hin- und Hergucken ganz kirre wird, wie beim Tennis. Emilia ist in Zürich ein braves Mädel aus gu-tem Hause, der Prinz ein liebestoller Wuschelkopf, der seine elektrisches Zahnbürste surren lässt. Ein Drama der Wohlstandskinder, interessant misslungen.
Zur Eröffnungspremiere hat man sich einen Klassiker gegriffen und radikal modernisiert, Lessings "Emilia Galotti", jetzt nur noch "E..." geheißen. Die junge Regisseurin Charlotte Roos, die als Regieassis-tentin immerhin die Herren Dimiter Gotscheff, Matthias Hartmann, Johan Kresnik und Christoph Schlingensief überlebt hat, interessiert sich einen feuchten Kehricht für Lessing, die Aufklärung und die höchst ambivalente, von Konventionen umstellte Gefühlssituation der Hauptfigur.
Emilia, das ist heute: ein Top-tragendes Oberstufenmädel aus bürgerlichem Hause, geschult an den Posen der Modebranche. Der Prinz, der Herr Gonzaga, hat es mit den Zahlen, also mit dem Geld, so ein sich langweilender Yuppie -Broker, nach allen Seiten offen.
Für Charlotte Roos, die Regie offenbar für das Umarbeiten, das Neuschreiben von Stücken hält, ist nun klar: das Problem der Emilia be-steht nicht darin, dass sie sich - gegen ihren Willen - zu einem wenig sympathischen Machtmenschen sexuell hingezogen fühlt. Bei Roos sind die (mit einem anderen verlobte) Emilia und der coole Prinz ma-nifest verknallt. Sie sagen einander gar trunkene Liebes-Elogen auf, die sich bei Lessing so gar nicht finden lassen, wohl aber bei Autoren, die bei Tempo, Prinz, Max oder Cosmopolitan gelernt haben. Lifestyle-Liebesschwüre.
Zu diesem Lebensgefühl gehört natürlich ein gewisser Groove, den gibt’s umsonst dazu. Popmusik als ständiges Hintergrundgeräusch unterspült die Inszenierung, entschärft jeden Dialog, macht alles mo-disch und schick. Der Maler Conti bringt dem Prinzen keine Ölgemälde, sondern stellt die zu portraitierenden Frauen einfach in ein Schaufenster: posierendes Menschenmaterial als Installation.
Marinelli, der dem Prinzen die Weiber zuführt, betätigt sich ebenfalls als Familien-Aufsteller und hat jede Menge Soziologen-Gewäsch drauf. Außerdem liest er den Werther (als Reclam-Heft), weil Werther vor seinem Ableben "Emilia Galotti" las. Und wenn man dann die gute Emilia entführt und deren Verlobten killt, den Grafen Appiani, in Zürich der Wunschmann aller Schwiegermütter, dann probt man das als Film-Szene, als Stunt, und macht ganz viel Peng-Peng.
Ja, das Theater ist ein Kinderspiel. Oder auch: eine Beziehungskiste. Emilia kann sich in Zürich nicht recht entscheiden zwischen Kopf und Bauch und fühlt sich dann von bösen Männern umstellt. Ihre einzige Erkenntnis: "es muß aufhören". Ja, aber warum muß sie sich dann gleich entleiben, statt zum Abiball zu gehen? Warum hat sie überhaupt so altmodische Eltern, die zwischen Tugend und Opportunismus schwanken?
Das Problem der Inszenierung ist, dass sie mit ihrem Aktualisierungs-Kitsch alles banalisiert, statt die Figuren in ihrer Fremdheit zu belassen. Daß sie auch schauspielerisch schwankt zwischen dem Unterspielen von Emotionen und dem stadttheatralischen Ausbrechen in große Gefühle. Ein junges Ensemble, voller Energie, aber auch ein bisschen naiv. Die Bühnenbildnerin Stephanie Wagner hat zwei Sofas nebst Hinterzimmer jeweils an die Saalenden gestellt, eines links, der neureiche Gonzaga, eines rechts, die Familie Galotti, dazwischen ein Laufsteg - so dass man vom ständigen Hin- und Hergucken ganz kirre wird, wie beim Tennis. Emilia ist in Zürich ein braves Mädel aus gu-tem Hause, der Prinz ein liebestoller Wuschelkopf, der seine elektrisches Zahnbürste surren lässt. Ein Drama der Wohlstandskinder, interessant misslungen.