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Ein durstiger Planet

Umwelt. - Ein Schwerpunkt der Weltwasserwoche in Stockholm ist in diesem Jahr die sanitäre Grundversorgung. Denn mangelhafte Aufbereitung, aber auch enorme Defizite in der Wasserentsorgung vernichten kostbares Trinkwasser. Der Wissenschaftsjournalist Volker Mrasek berichtet darüber im Gespräch mit Uli Blumenthal.

    Uli Blumenthal: Warum haben die Vereinten Nationen die unzureichenden sanitären Einrichtungen zum Schwerpunkt der Konferenz erklärt?

    Volker Mrasek: Das liegt daran, dass in diesem Sektor einfach so unglaublich wenig passiert. Man muss sich vorstellen, dass das eines der Jahrtausend-Entwicklungsziele ist, die Zahl der Menschen zu halbieren, die keinen Zugang zu sauberem Wasser haben. Das wollte man bis zum Jahr 2015 schaffen. Bis zum Jahr 2025 soll sogar jeder Mensch auf der Erde über eine Toilette verfügen. Das ist nicht der Fall. Es gibt Zahlen zwischen ein und zwei Milliarden Menschen, die hier genannt werden. Das ist die Zahl von Menschen, die heute noch keinen Zugang zu sauberem Wasser haben. Da muss man sich natürlich fragen, woran liegt das. Wissenschaft und Technik haben ihre Hausaufgaben gemacht, kann man sagen, die Technologien wären vorhanden und die sind teilweise auch sehr simpel und bei uns lange gebräuchlich. Aber es gibt natürlich Krisengebiete in der Welt, es gibt arme Länder, es gibt manchmal mangelndes Wissen, mangelndes Interesse von Regierungen, andere Prioritäten. Ein Thema, das hier in Stockholm auch angesprochen worden ist, ist Korruption. In diesem Jahr ist eine neue Ausgabe des Weltkorruptionsberichts veröffentlicht worden, die sich gerade dem Wassersektor widmet. Da sind einige sehr anschauliche Beispiele genannt, etwa Afrika, ein Land, in dem Wasserknappheit gebietsweise sehr stark verbreitet ist, da hat eine Untersuchung an rund 20 Wasseraufbereitungsanlagen gezeigt, dass zwei Drittel der Betriebskosten Bestechungsgelder sind. In China ist es so, dass durch Korruption Umweltschutzauflagen nicht erfüllt werden, und das hat die Folge, dass in städtischen Gebieten in 75 Prozent der Fälle Flüsse nicht für die Trinkwassergewinnung gebraucht werden können.

    Blumenthal: Welt-Wasser-Woche, damit verbindet man Wasserknappheit weltweit. Wenn nun alle Zugang zu sanitären Einrichtungen auf der Welt finden, dann könnte man sich vorstellen, dass das eigentlich die Situation nur noch verschärft.

    Mrasek: Im Prinzip nicht, oder vielleicht geringfügig. Natürlich ist es so, dass die Menschen heute auch Wasser nutzen, nur ist das nicht sauber. Und eine andere Zahl, die hier genannt wird, ist zum Beispiel, dass fast 90 Prozent aller Erkrankungen in Entwicklungsländern heute mit unsauberem Wasser zusammenhängen. Auch eine solche Zahl, die hier genannt wird. Was natürlich auch dramatisch ist oder dramatisch werden könnte, ist, dass die Weltbevölkerung noch wachsen wird. Man geht davon aus, dass im Jahr 2050 2,5 Milliarden Menschen mehr auf der Erde leben werden. Die benötigen nicht nur Wasser, sondern auch Nahrungsmittel, und für deren Produktion wird natürlich auch Wasser benötigt. Hier gibt es so eine Zahl, die genannt wird, dass für jede Kalorie, die in einem Lebensmittel steckt, ein Liter Wasser gebraucht wird. Ein einzelner Mensch braucht so 2000 bis 3000 Liter Wasser am Tag. Wenn man das jetzt mal 2,5 Milliarden Menschen nimmt, dann kommen halt im Jahr 2050 2000 Kubikkilometer Wasser dazu an zusätzlichem Bedarf. Das ist jetzt erstmal eine Größenordnung, unter der man sich noch nicht so viel vorstellen kann. Wenn man das übersetzt oder anschaulich machen will, dann ist das die mehr als zweifache Wassermenge, die heute für die künstliche Bewässerung von Feldern benutzt wird. Das heißt also, die Experten sagen, wenn wir uns mit Wasserknappheit beschäftigen und mit dem Blick auf die Zukunft, dann müssen wir den Fokus stärker auf Nahrungsmittel legen, weil die natürlich auch Wasser verbrauchen.

    Blumenthal: Das heißt aber auch ein Thema wird sein die Landwirtschaft und wie sie mit Pflanzen arbeitet, die wenig Wasser verbrauchen, also die stressresistent gegen diese trockenen Zustände sind.

    Mrasek: Ganz richtig, da wird auch hier in Stockholm ein neuer Report "Wasser für Lebensmittel" vom schwedischen Forschungsrates für Umwelt, Landwirtschaft und Raumplanung vorgestellt, das ist eine Fachbehörde der schwedischen Regierung, und die sagt ganz genau das - diese sich zuspitzende Wasserknappheit ist eine Herausforderung für die Pflanzenzucht. Es gibt ja schon die Tendenz, dass Reissorten entwickelt werden und entwickelt worden sind, die nicht mit den Wurzeln im Wasser stehen und nicht mehr diesen hohen Wasserbedarf haben. Es gibt ähnliche Entwicklungen beim Mais, also Cultivare, die weniger Wasser in der Wachstumsphase benötigen. Und das wird im Prinzip eine Richtung sein, die man verstärken muss. Auf der anderen Seite zum Beispiel in Entwicklungsländern, dass man dort die Regenbewässerungskultur stärker fördert. Das heißt, man sammelt Regenwasser in der Regenzeit, legt das in Kavernen an und hat es dann für die Trockenzeit und muss nicht überflüssigerweise das Wasser aus Flüssen abziehen, die sowieso übernutzt sind.