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"Ein Einstieg in die Naturbeobachtung"

Zur Naturbeobachtung kämen gerade Kinder und Jugendliche meistens über die Vögel, meint Marc Süsser, Vogelexperte beim Naturschutzbund Deutschland (NABU). Bei der Aktion "Stunde der Gartenvögel" ruft der Verband die Bevölkerung auf, Vogelbeobachtungen in Garten oder Park zu melden.

Jule Reimer im Gespräch mit Marc Süsser | 11.05.2012
    Jule Reimer: So klingt es im Garten oder auch im Wald. Die Briten tun es mit Begeisterung schon seit einem guten Jahrhundert: Sie machen "bird watching", Vögel beobachten. In Deutschland breitet sich dieses Hobby ebenfalls zunehmend aus, gern gesehen von den Naturschutzverbänden und auch gefördert, zum Beispiel durch die "Stunde der Gartenvögel". Die schlägt wieder ab heute an diesem Wochenende. Der Naturschutzbund Deutschland "NABU" lädt zur Beobachtung all dessen ein, was da im Garten, Park oder vor dem Balkon zirpt und pickt. – Marc Süsser, Vogelexperte beim NABU, was soll da genau beobachtet werden und wie teilen Ihnen die Hobby-Ornithologen ihre Ergebnisse mit?

    Marc Süsser: Guten Tag! – Wir machen dieses Jahr von heute an bis zum Sonntag wieder unsere "Stunde der Gartenvögel", wo wir die Bevölkerung aufrufen, ihre Beobachtungen, also die Vögel in ihrem Garten oder im Park oder vom Balkon aus zu melden. Und zwar geht das so vor sich: Sie können aus dem Internet unter www.stundedergartenvoegel.de einen Meldebogen herunterladen und dann setzen Sie sich irgendwo in eine ruhige Ecke Ihres Gartens und beobachten für eine Stunde lang alle Vögel, die dort auftauchen, und zwar so, dass Sie immer die maximale Anzahl, die Sie gleichzeitig sehen, dort auf dem Meldebogen eintragen. So vermeiden wir Doppelmeldungen, Doppelzählungen.

    Dieser Meldebogen kann dann entweder eingeschickt werden unter NABU, "Stunde der Gartenvögel", 10469 Berlin, oder wir haben auch die Möglichkeit im Internet unter www.stundedergartenvoegel.de dort die Daten direkt online zu melden, und wir haben auch morgen und am Sonntag in der Zeit von 10 bis 18 Uhr eine Hotline geschaltet, wo die Daten auch telefonisch übermittelt werden können unter der Nummer 0800/1157115.

    Reimer: Okay! – Ihr Verband schaut ja dieses Jahr besonders auf die Amseln. Warum?

    Süsser: Ja. Bei der Amsel ist es so, dass wir seit letztem Frühjahr vermehrt Todesfälle registriert haben, also dass uns besorgte Gartenbesitzer informiert haben, vor allem im Südwesten, also im Oberrhein-Gebiet ist das sehr stark aufgetreten, dass dort verendete Amseln aufgefunden wurden. Die wurden dann untersucht und es hat sich herausgestellt, dass die an dem sogenannten Usutu-Virus, also einem eigentlich in Afrika verbreiteten Virus, gestorben waren und dort teilweise in der Region die Amselpopulation sehr drastisch zurückgegangen ist. Wir konnten das Phänomen auch dieses Jahr schon bei unserer "Stunde der Wintervögel" noch mal beobachten, dass also die Amseln in diesen Regionen sehr selten geworden sind, und wir sind jetzt gespannt, ob die Population sich dort in diesem Jahr erholen kann, wenn jetzt die neue Brutsaison beginnt, oder ob wir womöglich mit einer Ausbreitung des Virus oder der toten Vögel dort zu rechnen haben.

    Reimer: Vögel erfreuen uns mit ihrem Gesang und manchmal nerven sie uns auch, wenn sie schimpfen, wenn zum Beispiel die Elstern so richtig loslegen. Wozu brauchen wir jenseits dieser Eigenschaften Vögel?

    Süsser: Zum einen sind Vögel natürlich große Insektenvertilger. Gerade jetzt im Frühjahr, wenn die Jungen großgezogen werden, dann muss eine große Anzahl auch proteinreiche Nahrung herangeschafft werden, das sind vor allem Insekten. Es gibt Hochrechnungen, dass ein einziges Kohlmeisenpaar im Laufe eines Jahres über 50 Kilogramm Insekten vertilgt beziehungsweise an seine Jungen verfüttert.

    Reimer: Das heißt, sie befreien uns von lästigen Mücken?

    Süsser: Genau, zum Beispiel. Oder auch der Hobby-Gärtner wird seine Raupen am Salat oder am Kohl los. Zum anderen sind Vögel natürlich dadurch, dass sie dem Menschen sehr nahe sind und sehr viele Menschen großes Interesse auch für Vögel haben, ein Einstieg in die Naturbeobachtung, gerade für Kinder und Jugendliche, die meistens dann auch über die Vögel zum ersten Mal zur Naturbeobachtung kommen. Deswegen machen wir ja auch diese "Stunde der Wintervögel", "Stunde der Gartenvögel", wo wir die Bevölkerung aufrufen, mit ihren Kindern dort zu beobachten. Als Drittes sind Vögel natürlich sehr gute Bioindikatoren. Dadurch, dass sie gut zu beobachten sind und wir auch sehr langjährige Daten dazu haben, können wir sehr gut nachverfolgen, wie sich die Bestände entwickelt haben, und sie sind natürlich auch Spiegel wiederum, wie sich unsere Landschaft verändert.

    Reimer: Vielen Dank an Marc Süsser, er ist Vogelexperte beim NABU. Weitere Informationen gibt es unter www.stundedergartenvoegel.de oder auch beim Hörerservice des Deutschlandfunk.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.