1) Giovanni Felice Sances, O Iesu mi dulcissime (ab 'O Nomen Iesu')
Dies war Giovanni Felice Sances' Motette "O Iesu mi dulcissime—O mein süssester Jesus", vom Ensemble Scherzi Musicali voller Raffinement und Wärme dargeboten. Man könnte als Interpreten alt gediente Profis vermuten, die sich jahrelang mit der frühbarocken Rhetorik beschäftigt haben. Doch wer sich im Internet ein Video von der Aufnahme dieses Stückes ansieht, blickt in Gesichter, die allesamt kaum über zwanzig Jahre alt sind. Der wohl aussagekräftigste Moment für den Enthusiasmus der Musiker ist im Übrigen eine Nahaufnahme, in der einer der beiden Geiger verzückt einen Einsatz des Tenors pantomimisch mitsingt.
Der Spiritus Rector dieser Truppe heißt Nicolas Achten und wird in diesem Jahr 25 Jahre alt. Schon seit seinem 19. Lebensjahr gastiert der Brüsseler in renommierten Alte-Musik-Ensembles wie La Petite Bande oder La Fenice, wobei diese inzwischen diverse Möglichkeiten haben, ihn einzusetzen. Denn Nicolas Achten ist nicht nur Bariton, sondern er hat in Brüssel und Den Haag auch Theorbe, Cembalo und Harfe studiert! Ganz offensichtlich ist der schlaksige junge Mann mit den blonden Strubbelhaaren ein musikalischer Überflieger - er arbeitet inzwischen ja auch schon als Dozent -, wobei seine große Leidenschaft der Vokalmusik des 17. Jahrhunderts gilt! Dieser widmet er sich auch mit seinem Ensemble Scherzi Musicali, das er zusammen mit einer Gambistin und einer Harfenistin gegründet hat, inzwischen umfasst die Stammbesetzung jedoch etwa ein Dutzend Musiker.
Vor anderthalb Jahren hat man mit einer Einspielung von Giulio Caccinis Oper "L'Euridice" bereits nachdrücklich auf sich aufmerksam gemacht, doch befreit von den engen Fesseln des rezitativischen Stils Caccinis treten die Qualitäten des Ensembles in der Neueinspielung noch deutlicher zu Tage.
Es ist spannend zu hören, wie hier Traditionslinien der Alte-Musik-Bewegung aufgegriffen und weiterentwickelt werden. Beispielsweise erinnert die Kombination der Instrumente Harfe, Laute und Lirone - ein Gambeninstrument mit einem vielschichtigen, einschmeichelnden Klang - an das legendäre Ensemble Tragicomedia. Noch deutlicher sind die Bezüge aber zum typischen Sound des Pariser Ensembles L'Arpeggiata, etwa bei den schwebenden Einsätzen von Harfe und Theorbe oder den trompetenartigen frechen Kommentaren des Zink. Dies kann freilich nicht verwundern, denn Nicolas Achten hat bei L'Arpeggiata-Leiterin Christina Pluhar studiert und - wie andere Scherzi Musicali-Mitglieder auch - des öfteren in ihrem Ensemble mitgewirkt. Er geht aber nicht ganz so frei mit dem überlieferten Notenmaterial um wie sie und reichert es auch weniger um eigene Ideen an.
Christina Pluhar hat Nicolas Achten nicht nur die Musik von Sances "entschlüsselt", wie er im CD-Beiheft dankend bemerkt, sie hat ihren Schüler auch auf die Idee gebracht, sich in barocker Manier beim Singen auf einem seiner Instrumente selbst zu begleiten. Er tut dies unter anderem auf dem Titelstück der Neuveröffentlichung, "Dulcis amor Iesu—Jesus, süße Liebe".
2) Giovanni Felice Sances, Dulcis amor Iesu
Nicolas Achten war der Solist in der Solomotette "Dulcis amor Iesu", dem Titelstück der neuen CD des Ensembles Scherzi Musicali mit ein- bis vierstimmigen Motetten des Komponisten Giovanni Felice Sances.
Das größte Verdienst der Aufnahme besteht darin, dass sie zu vermitteln weiß, welch fabelhafter Komponist der wohl im Jahr 1600 in Rom geborene Sances gewesen ist - auch wenn es schon manche Einspielung mit seinen Werken gibt, wird er im Vergleich etwa zu seinem Zeitgenossen Claudio Monteverdi kaum wahrgenommen. Wie sein Vater und sein Bruder wurde Giovanni Felice Sänger; im Jahr 1637 trat er als Tenor in die kaiserliche Kapelle in Wien ein. Er wirkte unter drei Habsburgermonarchen und es gelang ihm bald, eine privilegierte Stellung in der Hofkapelle einzunehmen - am Ende war er zum Kapellmeister aufgestiegen und diente der Herrscherfamilie als Ratgeber in Sachen italienischer Dichtkunst und Musik. Noch etliche Jahrzehnte nach seinem Tod 1679 wurden seine Werke in Wien aufgeführt, ein Indiz für die Qualität seiner Kompositionen.
Nicolas Achten hat seine Einspielung fast komplett auf Beispiele aus Sances' erstem Motettenbuch beschränkt, das kurz nach seinem Eintritt in die Wiener Hofkapelle entstand und dem neuen Kaiser Ferdinand III. gewidmet war. Während er zu Beginn seiner Laufbahn nur weltliche Werke schrieb, darunter eine Oper, schuf Sances in Wien dann erst einmal klein besetzte geistliche Musik und veröffentlichte sieben Sammlungen mit derartigen Kompositionen. Es sind Werke, die inhaltlich von den Themen der "Pietas Austriaca", der von der Gegenreformation geprägten Frömmigkeit am Kaiserhof, bestimmt sind. Formal setzt Sances eine Vielzahl von Techniken ein, um seine Motetten zu strukturieren. Geschickt hat das Ensemble Scherzi Musicali die Instrumentierung des Basso continuo dem jeweiligen Stück angepasst, um Abwechslung und individuelle Wirkung zu erzielen. Überstrahlt wird dies alles jedoch von dem Reichtum und der betörenden Schönheit von Giovanni Felice Sances' Melodien.
3) Giovanni Felice Sances, Vulnerasti cor meum (ab 'Veni de libano')
Dies war der Schlussabschnitt der Hoheliedmotette "Vulnerasti cor meum" mit den Solisten Marie de Roy und Olivier Berten vom Ensemble Scherzi Musicali. Dessen junge Mitglieder begeistern nicht nur mit ihren frischen, einschmeichelnden Stimmen, sondern überzeugen zugleich mit Stilsicherheit und virtuosem Können. Sänger und Instrumentalisten - die die Vokalwerke von Giovanni Felice Sances auf der CD um drei effektvolle Instrumentalsätze anderer Komponisten ergänzen—agieren gleichermaßen sensibel. Das Hören der CD ist ein wahrlich sinnliches Erlebnis!
4) Giovanni Felice Sances, Ave maris stella
Mit der kontrapunktisch reichen vierstimmigen Motette "Ave maris stella" ging die Sendung "Die Neue Platte" im Deutschlandfunk zu Ende, die heute der CD "Dulcis Amor Iesu" des jungen Brüsseler Ensembles Scherzi Musicali gewidmet war. Die von Nicolas Achten geleitete, höchst empfehlenswerte Aufnahme von Werken des Barockkomponisten Giovanni Felice Sances ist beim Label Ricercar erschienen.
Giovanni Felice Sances
Dulcis Amor Iesu
Motetti a 1, 2, 3 & 4 voci (1638)
Scherzi Musicali
Leitung: Nicolas Achten
Dies war Giovanni Felice Sances' Motette "O Iesu mi dulcissime—O mein süssester Jesus", vom Ensemble Scherzi Musicali voller Raffinement und Wärme dargeboten. Man könnte als Interpreten alt gediente Profis vermuten, die sich jahrelang mit der frühbarocken Rhetorik beschäftigt haben. Doch wer sich im Internet ein Video von der Aufnahme dieses Stückes ansieht, blickt in Gesichter, die allesamt kaum über zwanzig Jahre alt sind. Der wohl aussagekräftigste Moment für den Enthusiasmus der Musiker ist im Übrigen eine Nahaufnahme, in der einer der beiden Geiger verzückt einen Einsatz des Tenors pantomimisch mitsingt.
Der Spiritus Rector dieser Truppe heißt Nicolas Achten und wird in diesem Jahr 25 Jahre alt. Schon seit seinem 19. Lebensjahr gastiert der Brüsseler in renommierten Alte-Musik-Ensembles wie La Petite Bande oder La Fenice, wobei diese inzwischen diverse Möglichkeiten haben, ihn einzusetzen. Denn Nicolas Achten ist nicht nur Bariton, sondern er hat in Brüssel und Den Haag auch Theorbe, Cembalo und Harfe studiert! Ganz offensichtlich ist der schlaksige junge Mann mit den blonden Strubbelhaaren ein musikalischer Überflieger - er arbeitet inzwischen ja auch schon als Dozent -, wobei seine große Leidenschaft der Vokalmusik des 17. Jahrhunderts gilt! Dieser widmet er sich auch mit seinem Ensemble Scherzi Musicali, das er zusammen mit einer Gambistin und einer Harfenistin gegründet hat, inzwischen umfasst die Stammbesetzung jedoch etwa ein Dutzend Musiker.
Vor anderthalb Jahren hat man mit einer Einspielung von Giulio Caccinis Oper "L'Euridice" bereits nachdrücklich auf sich aufmerksam gemacht, doch befreit von den engen Fesseln des rezitativischen Stils Caccinis treten die Qualitäten des Ensembles in der Neueinspielung noch deutlicher zu Tage.
Es ist spannend zu hören, wie hier Traditionslinien der Alte-Musik-Bewegung aufgegriffen und weiterentwickelt werden. Beispielsweise erinnert die Kombination der Instrumente Harfe, Laute und Lirone - ein Gambeninstrument mit einem vielschichtigen, einschmeichelnden Klang - an das legendäre Ensemble Tragicomedia. Noch deutlicher sind die Bezüge aber zum typischen Sound des Pariser Ensembles L'Arpeggiata, etwa bei den schwebenden Einsätzen von Harfe und Theorbe oder den trompetenartigen frechen Kommentaren des Zink. Dies kann freilich nicht verwundern, denn Nicolas Achten hat bei L'Arpeggiata-Leiterin Christina Pluhar studiert und - wie andere Scherzi Musicali-Mitglieder auch - des öfteren in ihrem Ensemble mitgewirkt. Er geht aber nicht ganz so frei mit dem überlieferten Notenmaterial um wie sie und reichert es auch weniger um eigene Ideen an.
Christina Pluhar hat Nicolas Achten nicht nur die Musik von Sances "entschlüsselt", wie er im CD-Beiheft dankend bemerkt, sie hat ihren Schüler auch auf die Idee gebracht, sich in barocker Manier beim Singen auf einem seiner Instrumente selbst zu begleiten. Er tut dies unter anderem auf dem Titelstück der Neuveröffentlichung, "Dulcis amor Iesu—Jesus, süße Liebe".
2) Giovanni Felice Sances, Dulcis amor Iesu
Nicolas Achten war der Solist in der Solomotette "Dulcis amor Iesu", dem Titelstück der neuen CD des Ensembles Scherzi Musicali mit ein- bis vierstimmigen Motetten des Komponisten Giovanni Felice Sances.
Das größte Verdienst der Aufnahme besteht darin, dass sie zu vermitteln weiß, welch fabelhafter Komponist der wohl im Jahr 1600 in Rom geborene Sances gewesen ist - auch wenn es schon manche Einspielung mit seinen Werken gibt, wird er im Vergleich etwa zu seinem Zeitgenossen Claudio Monteverdi kaum wahrgenommen. Wie sein Vater und sein Bruder wurde Giovanni Felice Sänger; im Jahr 1637 trat er als Tenor in die kaiserliche Kapelle in Wien ein. Er wirkte unter drei Habsburgermonarchen und es gelang ihm bald, eine privilegierte Stellung in der Hofkapelle einzunehmen - am Ende war er zum Kapellmeister aufgestiegen und diente der Herrscherfamilie als Ratgeber in Sachen italienischer Dichtkunst und Musik. Noch etliche Jahrzehnte nach seinem Tod 1679 wurden seine Werke in Wien aufgeführt, ein Indiz für die Qualität seiner Kompositionen.
Nicolas Achten hat seine Einspielung fast komplett auf Beispiele aus Sances' erstem Motettenbuch beschränkt, das kurz nach seinem Eintritt in die Wiener Hofkapelle entstand und dem neuen Kaiser Ferdinand III. gewidmet war. Während er zu Beginn seiner Laufbahn nur weltliche Werke schrieb, darunter eine Oper, schuf Sances in Wien dann erst einmal klein besetzte geistliche Musik und veröffentlichte sieben Sammlungen mit derartigen Kompositionen. Es sind Werke, die inhaltlich von den Themen der "Pietas Austriaca", der von der Gegenreformation geprägten Frömmigkeit am Kaiserhof, bestimmt sind. Formal setzt Sances eine Vielzahl von Techniken ein, um seine Motetten zu strukturieren. Geschickt hat das Ensemble Scherzi Musicali die Instrumentierung des Basso continuo dem jeweiligen Stück angepasst, um Abwechslung und individuelle Wirkung zu erzielen. Überstrahlt wird dies alles jedoch von dem Reichtum und der betörenden Schönheit von Giovanni Felice Sances' Melodien.
3) Giovanni Felice Sances, Vulnerasti cor meum (ab 'Veni de libano')
Dies war der Schlussabschnitt der Hoheliedmotette "Vulnerasti cor meum" mit den Solisten Marie de Roy und Olivier Berten vom Ensemble Scherzi Musicali. Dessen junge Mitglieder begeistern nicht nur mit ihren frischen, einschmeichelnden Stimmen, sondern überzeugen zugleich mit Stilsicherheit und virtuosem Können. Sänger und Instrumentalisten - die die Vokalwerke von Giovanni Felice Sances auf der CD um drei effektvolle Instrumentalsätze anderer Komponisten ergänzen—agieren gleichermaßen sensibel. Das Hören der CD ist ein wahrlich sinnliches Erlebnis!
4) Giovanni Felice Sances, Ave maris stella
Mit der kontrapunktisch reichen vierstimmigen Motette "Ave maris stella" ging die Sendung "Die Neue Platte" im Deutschlandfunk zu Ende, die heute der CD "Dulcis Amor Iesu" des jungen Brüsseler Ensembles Scherzi Musicali gewidmet war. Die von Nicolas Achten geleitete, höchst empfehlenswerte Aufnahme von Werken des Barockkomponisten Giovanni Felice Sances ist beim Label Ricercar erschienen.
Giovanni Felice Sances
Dulcis Amor Iesu
Motetti a 1, 2, 3 & 4 voci (1638)
Scherzi Musicali
Leitung: Nicolas Achten