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Ein Fels für die Ewigkeit

Die Stadt Oskarshamn ist einer der beiden möglichen Standorte für ein geplantes atomares Endlager in Schweden. In einem Untertagelabor, unweit des Atommeilers gelegen, prüfen Forscher derzeit die Eignung der Lagerstätte. Über und unter der Erde herrscht erstaunliche Gelassenheit. Denn die Gemeinde an der Ostsee lebt seit Jahrzehnten von und mit der Kernenergie.

Von Alexander Budde | 26.02.2009
    450 Meter tief im Granit schreitet Jenny Rees durch Stollen, Höhlen und Gewölbe. Die Schwedin philosophiert über verlässliches Gestein und flüchtige Lebensformen.

    "Hier unten simulieren wir die Bedingungen eines Endlagers. Es ist ein sehr alter Fels, fast zwei Milliarden Jahre alt. Zum Vergleich: 100.000 Jahre müssten wir verbrauchte Brennstäbe sicher verwahren. Für die Menschheit ist das eine extrem lange Zeit, wir reden von 4000 Generationen. Aber geologisch betrachtet doch nur ein kurzer Augenblick."

    Es soll wohl beruhigen. Wie die Versicherung, dass sie hier unten in ihrem Versuchsstollen alle nur denkbaren Szenarien - von der Sturmflut bis zur Eiszeit - in Erwägung ziehen. Darauf weist die Sprecherin von SKB alle ihre Besucher hin. Zehntausend kamen allein im letzten Jahr.

    Die Atomfirma ist mit der Endsorgung der drei Kernkraftwerke Ringhals, Forsmark und Oskarshamn betraut, die derzeit rund die Hälfte des schwedischen Strombedarfs produzieren. Auch die Vorbereitungen für ein Endlager hochradioaktiver Abfälle sind im Norden weit vorangeschritten. Im Untertagelabor von Oskarshamn, unweit des gleichnamigen Atommeilers gelegen, prüfen Forscher die Eignung der Lagerstätte, erkunden Risse und Spalten im Fels, sammeln Mikroorganismen und verfolgen die Wasserströme.

    Ein Traum für kleine Jungs ist die Deponierungsmaschine, ein Unikat aus Deutschland. Jenny Rees schaut zu, wie sich Techniker Toni Andersson müht, das 75 Tonnen schwere Ungetüm mit Feingefühl zu steuern. Solche Gerätschaften könnten einmal die eingekapselten Brennstäbe in ihre in den Fels gebohrten Granitgräber versenken. Kupfermantel und Betonitpuffer sollen zusätzlich vor Leckagen schützen.

    "Nirgendwo auf der Welt gibt es bislang eine atomare Mülldeponie. Wir müssen folglich alle Anlagen und Methoden selbst entwickeln."

    In einigen Wochen will SKB einen der beiden untersuchten Lagerplätze in den Gemeinden Östhammar und Oskarshamn auswählen, ein Jahr später soll der Bauantrag ergehen.

    Peter Wretlund sieht sich bereits in der Pflicht am Vaterland. Und der Gemeinderat von Oskarshamn kann sich auf Umfragen berufen, in denen sich eine überwältigende Mehrheit seiner Mitbürger für die Errichtung des Endlagers an dem langjährigen Atomstandort ausspricht.

    "Wir haben seit vier Jahrzehnten gute Erfahrungen mit der Kernenergie gemacht. Und ein wichtiges Motiv für unser Engagement ist, dass wir in unserer Gemeinde bereits das zentrale Zwischenlager für den Atommüll beherbergen. Wir haben ein starkes Interesse an einer dauerhaften Lösung."

    Umweltverbände bemängeln, dass bei der Auswahl denkbarer Standorte ausschließlich die Interessen der Industrie berücksichtigt wurden.

    Auch der Zentrumspolitiker Christer Jonsson beklagt, dass es vor dem bevorstehenden Regierungsentscheid zwar unentwegte Lobbyarbeit, aber keine gründliche Einschätzung der Risiken und Kosten gebe. Ausgerechnet das bäuerliche Zentrum, lange Jahre eine feste Bastion der Kernkraftgegner, hatte Ende Februar einem drastischen Kurswechsel in der Energiepolitik des Landes zugestimmt.
    Das seit fast 30 Jahren geltende Verbot von Reaktorneubauten hob die bürgerliche Mitte-Rechts-Regierung auf.

    "Das tat schon weh. Man verspricht uns die massive Förderung von Windkraft und alternativen Energien, aber zugleich sollen wir den Ausbau der Kernkraft hinnehmen. Mag sein, dass der Weg nun frei ist, für anspruchsvolle Klimaziele. Aber für mich ist die Kernkraft eine zutiefst unmoralische Technologie. Wir nutzen den Strom, aber den strahlenden Abfall überlassen wir den kommenden Generationen. Und heute sind wir Schweden furchtbar abhängig von der Kernkraft. Da bleibt uns kaum noch eine andere Wahl."