"Casanova und sein Zeitalter", so lautet der Untertitel des hier anzuzeigenden Bandes von Eckart Kleßmann. Er bezeichnet die Thematik und den Rahmen, in dem sich die Gattung Prachtband entfaltet. Sie malt in bunten Farben ein Panorama der Epoche, ein Hintergrundbild, vor dem sich die Konturen der zu würdigenden Person abzeichnen. Casanovas Zeitalter bot einen besonders günstigen Nährboden für den Typus des Abenteurers. Er ist, so Kleßmann, "das Produkt einer verfallenden Adelskultur", die in ihrem Verfall durchlässig wird für Emporkömmlinge wie Casanova, Sohn einer Schauspielerin, einer damals übel beleumundeten Profession. Der Abenteurer ist nicht zuletzt ein Held der Selbstdarstellung und Verführung. Er muß die Klaviatur des Zeitgeistes beherrschen, dessen Neigung zu Alchimie, Okkultismus und Geheimbündelei ihm entgegenkommt. Vor allem muß er zu gefallen wissen, einen Unterhaltungswert haben, der die finanziellen Verluste seiner Gönner übertrifft. Casanova hat sich dieser Spezies nicht zurechnen wollen, verständlicherweise, denn er hatte mehr zu bieten als die Scharlatanerie eines Grafen Cagliostro. Doch wie man eine Marquise mit alchimistischen Neigungen und großem Vermögen fachgerecht erleichtert, das wußte er schon. Er hat niemanden ruiniert, und ihm ist nichts geblieben. "Jenes Geld war ohnedies für Torheiten bestimmt," schreibt er. "Ich habe ihm einen anderen Weg gewiesen und damit meinen eigenen bestritten." Das ist vermutlich richtig und sicher auch ein Euphemismus. Insofern ist es untypisch für den Memoirenschreiber Casanova, der selten die Neigung hatte, sich etwas vorzumachen. Der handelsübliche Selbstgerechtigkeitsgrad der Gattung Autobiographie wird bei ihm deutlich unterschritten.
Eine Figur wie Casanova ist nur denkbar vor dem Hintergrund einer Gesellschaft, zu deren Leidenschaften das Glücksspiel zählte und die ein gekonntes Falschspiel gleichfalls zu schätzen wußte. Was ihn heraushebt aus dem Heer der Glücksritter, ist nicht nur seine Intelligenz und Belesenheit, rasche Auffassungsgabe und vielfältige Interessen. Es ist auch die mit Selbstbewußtsein gepaarte realistische Selbsteinschätzung, die ihn daran hinderte, sein Blatt zu überreizen.
Eckart Kleßmann schildert auch die Umgebung, in die Casanova hineingeboren wurde, die Welt der Bühne. Er selbst scheint sich für dieses Medium eher unterdurchschnittlich interessiert und für seine Komödien das richtige Leben vorgezogen zu haben. Von den Künsten hat er nur die Literatur leidenschaftlich geliebt, sein Sensorium für Musik oder Malerei war nicht sehr ausgeprägt. Ganz bei sich zu Hause und in Hochform ist Casanova, wenn er seine größten Leidenschaften miteinander vereinen kann. Die ihm wichtigsten und begehrtesten unter seinen zahlreichen Geliebten waren die lesenden Frauen. Er hat die intellektuelle Auseinandersetzung mit ihnen gesucht, der bloße Vollzug des Aktes wäre einem wie Casanova, salopp gesprochen, zu blöd gewesen. Andererseits hat er sich an der aufkommenden Kultur der Salons, vielfach von Frauen initiiert und zusammengehalten, nicht beteiligt. Vielleicht hat er in ihr den Keim der bürgerlichen Öffentlichkeit bereits vorausgeahnt oder die Zweisamkeit in jeder Hinsicht bevorzugt.
Es mag in Casanovas Zeitalter umfassender gebildete Köpfe gegeben haben als ihn selbst, doch er war intellektuell auf der Höhe der Zeit. Mit den Worten Eckart Kleßmanns: Er war in allen Bereichen des Lebens der vollkommenste Dilettant. In einer Epoche, die den Spezialisten noch nicht kennt, ist das kein Vorwurf. Der Vorzug der Dilettanten war, "daß sie die Welt in ihrer Totalität mit den Augen der Liebenden betrachten, verstehen und vermitteln wollten." Der Charme dieser Definition wäre noch größer, wenn in der Totalität nicht Lücken klafften. Ein Kapitel hat Kleßmann dem geduldigen Volk gewidmet. Es kommt in ihr nicht vor. Auch Casanova nimmt es nur wahr, wenn es bei ihm angestellt oder hübsch und weiblich ist. Spätestens 1789, der französischen Revolution, ist dem Volk der Geduldsfaden gerissen. Casanova hat dafür kein Verständnis aufgebracht, wie sollte er auch. Seine gesamte Existenz war in der höfischen Kultur begründet. Mit ihr ging auch sein Zeitalter zu Ende.
Es mit den Augen Eckart Kleßmanns zu betrachten, ist über weite Strecken ein Vergnügen. Natürlich, der fortgeschrittene Leser wird mit dem ein oder anderen Redundanzproblem zu kämpfen haben, und manchmal, allerdings recht selten, kommt der Verdacht auf, der Autor selbst habe sich auch ein wenig gelangweilt. Anders ausgedrückt und in eine kulinarische Metapher gefaßt: Kleßmann gleicht mitunter einem Koch, dem man jederzeit zutraute, ein wunderbares Menü auf den Tisch zu zaubern, der sich jedoch weitgehend mit der Hausmannskost eines einführenden Textes zufrieden geben muß. Das ist ihm ebenso wenig vorzuwerfen wie die verschwenderische aber überraschungsfreie Bebilderung. So verlangt es die Gattung Prachtband. Der Rezensent gibt zu, daß sein Verhältnis zu ihr nicht ungetrübt ist. Wer sie aber liebt, die Prachtbände, der wird von Eckart Kleßmann bestens bedient. Einen kundigeren Cicerone wird er so bald nicht finden.
Eine Figur wie Casanova ist nur denkbar vor dem Hintergrund einer Gesellschaft, zu deren Leidenschaften das Glücksspiel zählte und die ein gekonntes Falschspiel gleichfalls zu schätzen wußte. Was ihn heraushebt aus dem Heer der Glücksritter, ist nicht nur seine Intelligenz und Belesenheit, rasche Auffassungsgabe und vielfältige Interessen. Es ist auch die mit Selbstbewußtsein gepaarte realistische Selbsteinschätzung, die ihn daran hinderte, sein Blatt zu überreizen.
Eckart Kleßmann schildert auch die Umgebung, in die Casanova hineingeboren wurde, die Welt der Bühne. Er selbst scheint sich für dieses Medium eher unterdurchschnittlich interessiert und für seine Komödien das richtige Leben vorgezogen zu haben. Von den Künsten hat er nur die Literatur leidenschaftlich geliebt, sein Sensorium für Musik oder Malerei war nicht sehr ausgeprägt. Ganz bei sich zu Hause und in Hochform ist Casanova, wenn er seine größten Leidenschaften miteinander vereinen kann. Die ihm wichtigsten und begehrtesten unter seinen zahlreichen Geliebten waren die lesenden Frauen. Er hat die intellektuelle Auseinandersetzung mit ihnen gesucht, der bloße Vollzug des Aktes wäre einem wie Casanova, salopp gesprochen, zu blöd gewesen. Andererseits hat er sich an der aufkommenden Kultur der Salons, vielfach von Frauen initiiert und zusammengehalten, nicht beteiligt. Vielleicht hat er in ihr den Keim der bürgerlichen Öffentlichkeit bereits vorausgeahnt oder die Zweisamkeit in jeder Hinsicht bevorzugt.
Es mag in Casanovas Zeitalter umfassender gebildete Köpfe gegeben haben als ihn selbst, doch er war intellektuell auf der Höhe der Zeit. Mit den Worten Eckart Kleßmanns: Er war in allen Bereichen des Lebens der vollkommenste Dilettant. In einer Epoche, die den Spezialisten noch nicht kennt, ist das kein Vorwurf. Der Vorzug der Dilettanten war, "daß sie die Welt in ihrer Totalität mit den Augen der Liebenden betrachten, verstehen und vermitteln wollten." Der Charme dieser Definition wäre noch größer, wenn in der Totalität nicht Lücken klafften. Ein Kapitel hat Kleßmann dem geduldigen Volk gewidmet. Es kommt in ihr nicht vor. Auch Casanova nimmt es nur wahr, wenn es bei ihm angestellt oder hübsch und weiblich ist. Spätestens 1789, der französischen Revolution, ist dem Volk der Geduldsfaden gerissen. Casanova hat dafür kein Verständnis aufgebracht, wie sollte er auch. Seine gesamte Existenz war in der höfischen Kultur begründet. Mit ihr ging auch sein Zeitalter zu Ende.
Es mit den Augen Eckart Kleßmanns zu betrachten, ist über weite Strecken ein Vergnügen. Natürlich, der fortgeschrittene Leser wird mit dem ein oder anderen Redundanzproblem zu kämpfen haben, und manchmal, allerdings recht selten, kommt der Verdacht auf, der Autor selbst habe sich auch ein wenig gelangweilt. Anders ausgedrückt und in eine kulinarische Metapher gefaßt: Kleßmann gleicht mitunter einem Koch, dem man jederzeit zutraute, ein wunderbares Menü auf den Tisch zu zaubern, der sich jedoch weitgehend mit der Hausmannskost eines einführenden Textes zufrieden geben muß. Das ist ihm ebenso wenig vorzuwerfen wie die verschwenderische aber überraschungsfreie Bebilderung. So verlangt es die Gattung Prachtband. Der Rezensent gibt zu, daß sein Verhältnis zu ihr nicht ungetrübt ist. Wer sie aber liebt, die Prachtbände, der wird von Eckart Kleßmann bestens bedient. Einen kundigeren Cicerone wird er so bald nicht finden.