Vor 13 Jahren professionalisierte Arjouni seine private Einschlaftechnik und erfand die deutsche Variante des amerikanischen Hard-boiled-Krimis im Stile Raymond Chandlers und Dashiell Hammetts. In rascher Folge brachte er drei rasante Thriller mit dem smarten Privatdetektiv Kemal Kayankaya heraus, die ihn über Nacht auf die Bestsellerlisten katapultierten. Publikum und Kritik waren begeistert, denn der türkisch-deutsche Detektiv macht seinen Vorbildern Sam Spade und Philip Marlowe alle Ehre: arm, hartgesotten, metropolenerprobt, mit einer Vorliebe für steife Drinks und schöne Frauen, kämpft er im Frankfurter Bahnhofsviertel unerschrocken für Gerechtigkeit. Straff geführte Handlungen, knappe Dialoge, trockene Komik und ein Blick für soziale Spannungen sind typisch für Arjouni, der sich auch als Dramatiker einen Namen machte. Arjounis literarisches Spektrum ist breit. Das Genre des Romans probierte er in seinem Buch "Magic Hoffmann" aus, einer Abenteuerreise des sympathisch-trotteligen Provinzlers Fred Hoffmann, dem im Nach-Wende Berlin nichts als Unglück widerfährt. Die Arbeit an seinen Krimis hält Arjouni für die beste erzähltechnische Schule. "Kriminalroman ist gerade, um mit dem Schreiben anzufangen, sicher nicht das schlechteste - habe ich aber auch nicht bewußt gemacht, habe ich erst im Nachhinein gemerkt, weil man einen ganz klaren roten Faden sich ausdenken muß und an dem lang schreiben muß. Sonst ist es kein Krimi. Ein Krimi hat ja - fast wie ein Gedicht - mit die festesten Regeln, finde ich. Und ich halte sie ein. Krimi ist so wie einen Fluß runterschwimmen. Da gibt es eine Richtung, man kann auch mal ans Ufer gehen, aber einen Roman, also wie "Magic Hoffmann", ist dann wie aufs weite Meer hinaus. Das muß dann noch viel genauer gebaut sein, damit man sich nicht verliert, vor allem damit der Leser nicht meint, man verliert sich."
Bei einer Kurzgeschichte durchwatet Arjouni höchstens einen Bach - die Dramaturgie dieser Form bedient er spielend. Mit wenigen Strichen entfaltet er in jeder der sechs Erzählungen aus "Mein Freund" eine neue Welt und deckt von der Theaterschickeria über das Proletenambiente der Berliner Immobilienmakler bis hin zu dem biederen Zuhause eines linksalternativen Mathematiklehrers alles ab. Arjouni vertritt eine pessimistische Sicht auf die Dinge des Lebens, und das muß man mögen, ebenso wie einem sein Faible für makabere Pointen und bösartige Bemerkungen gefallen sollte. Seine Milieustudien sind treffsicher, die Figuren lebendig und am Schluß jeder Geschichte steht - ganz wie bei den Klassikern der Tradition Maupassant und Tschechow - eine überraschende Wendung. Geübt durch das strenge Korsett von Drama und Krimi durchdenkt Arjouni auch in seinen Erzählungen jedes Detail. Trotzdem versteht er das Schreiben als eine intuitive Angelegenheit: "Im besten Sinne hat Schreiben etwas mit Verliebtheit zu tun. Und wenn man verliebt ist, wird man auf die lächerlichste oder beste Art das hinkriegen, diese Liebe zu gestehen, weil man's muß. Und so ist das. Da nimmt man alles, ob man Rosen kauft oder irgend etwas anderes. Und so ist es für mich, Geschichten zu erzählen. Ich nehme alles, was ich kriegen kann, um die so gut und mich so verständlich wie möglich mitzuteilen; darum geht's, glaube ich, für mich beim Schreiben, mich mitzuteilen, nicht einem Publikum, sondern mir und noch vier fünf Freunden."
Geschichten zu erzählen, ist für Arjouni ein Zwang. Er schreibt und liest den ganzen Tag; warum er das tut, will er lieber nicht wissen. Diskussionen über ästhetische Fragen kann er wenig abgewinnen, er zählt auch nicht zu den theoriebesessenen jungen Autoren wie Thomas Meinecke, Norbert Niemann und Steffen Kopetzky, die komplexe Diskurse über Erfahrungen zweiter und dritter Ordnung literarisch verarbeiten. Arjouni wendet sich dem wirklichen Leben zu, und macht das zum Stoff seiner Erzählungen. Fußball, Billard und sein Haus in Frankreich, wo er seit vielen Jahren lebt - das findet Arjouni viel spannender.