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Ein Freund der Kontroverse

Joachim Fest ist tot, ein letzter großer Intellektueller des bürgerlichen Zeitalters, ein bedeutender Repräsentant deutscher Kultur gegangen. Unbestrittenen Rang in der Zeitgeschichte hat er sich durch seine Bücher über die Herrschaftsmethoden der Nationalsozialisten erworben.

Von Joachim Scholl | 12.09.2006
    Joachim Fests legendäre Hitler-Biografie beginnt mit diesem ersten Satz: "Die bekannte Geschichte verzeichnet keine Erscheinung wie ihn: soll man ihn 'groß' nennen?" Schon in jenem Auftakt sind damit Stil und intellektueller Gestus bezeichnet, wie er von Joachim Fest zeitlebens als Autor gepflegt wurde: Eine listige Anspielung, eine Paraphrase auf die erste Zeile aus Thomas Manns "Josephs"-Romanen sowie der Zuschnitt auf den Gedanken historischer Größen und Fallhöhen, der Joachim Fest immer wieder beschäftigt und inspiriert hat.

    Natürlich war Hitler nach Fests Einschätzung nicht "groß", ganz zu schweigen von den Figuren seiner Umgebung, aber gewaltig waren der Einfluss, die Wirkung bis hin zum vollständigen Untergang Deutschlands und einer geistigen Kultur, dem Triumph einer Barbarei, wie man sie vor 1933 nicht für möglich gehalten hat. Die psychologischen Bedingungen des Nationalsozialismus und seiner Protagonisten zu erfassen, zu reflektieren und darzustellen, was Hitler und Co. angetrieben hat und wie sie ihr zerstörerisches Werk umzusetzen vermochten – das ist Joachim Fests Lebensleistung, allein seine zahlreichen Bücher zu diesem Thema sichern ihm einen unbestrittenen Rang in der Zeitgeschichte. Dabei war es journalistischer Zufall, dass Fest überhaupt das nationalsozialistische Sujet aufgriff. Als jungen Redakteur vom damaligen RIAS Berlin forderte man ihn auf, eine biografische Sendereihe zu Nazigrößen zu entwerfen.

    "Ich hatte nie vor, zur Zeitgeschichte zu gehen und darüber zu arbeiten. Mein Vater hat dieses Interesse sogar ein 'Gossenthema' genannt, er fand die Nazis nicht wert, historisch behandelt zu werden. Er meinte, unvermeidlicherweise erhielten sie dadurch eine Art historischer Würde, die ihnen nicht zukomme. Und ich habe später mit Golo Mann eine ganz ähnliche Auseinandersetzung gehabt. Aber in beiden Fällen habe ich geantwortet: Die unter den Nazis gelitten und gekämpft haben, die kommen wahrscheinlich mit dem Hass und der Verachtung zurecht, das kann ihnen reichen, während eine jüngere Generation eben doch sich ein bisschen klarer darüber werden muss und einiges auch an Erkenntnisse zu Tage zu fördern hat. Das war einer der leitenden Gesichtspunkte meiner Arbeit."

    Geboren 1926 in Berlin, hat es Joachim Fest im Rückblick als großes Glück bezeichnet, in einer großbürgerlichen Familie mit eben jenem Vater aufgewachsen zu sein, der dem Nationalsozialismus von vornherein mit offener Ablehnung begegnete. Fests Vater war Katholik und Preuße, Anhänger der Zentrumspartei, überzeugt von der Weimarer Republik, nach 1933 verlor er seine Stellung als Schuldirektor, die Familie verarmte, doch der Vater machte gegenüber dem Regime keinerlei Konzessionen, ging auf Distanz und hielt diesen Abstand auch energisch ein, was seine drei Söhne anbetraf.

    "Ich habe keine genaue Kenntnis mehr darüber, ob ich meinen Vater etwa bestürmt hätte, in die HJ einzutreten. Wir waren nicht in der HJ, mein Vater hat das einfach verboten. Und dann sind an irgendeinem Sonntag einmal zwei HJ-Führer gekommen, um mich und meine zwei Brüder zum HJ-Dienst abzuholen, und mein Vater hat sie, wie man in Berlin sagt, achtkant aus dem Haus geworfen. Er hat immer darauf beharrt: 'Die Nazis haben mich aus meinem Amt entfernt, und deswegen gebe ich meine Kinder nicht für den Dienst her.'

    Wir sind dann nach Freiburg ins Internat gekommen, und die Schule hat erst nach einem Vierteljahr entdeckt, dass wir drei nicht in der HJ waren. Das Internat war entsetzt, weil man Angst hatte vor Konsequenzen, man hat uns sofort nachgemeldet, allerdings sind wir dann nicht in die reguläre HJ gekommen, sondern es gab, in Freiburg jedenfalls, eine so genannte Pflicht-HJ. Während unsere Klassenkameraden dann Heimabende hatten, nach der Schule, in einem Keller - wir konnten da hineinsehen -, während dieser ein bis zwei Stunden also, die solch ein Abend dauerte, mussten wir bei Wind und Wetter auf dem Schulhof exerzieren, uns in den Dreck werfen, ewig Sprung auf, Marsch, Marsch und dergleichen Dinge. Wir waren die Parias, und das hat mich natürlich zugleich davor bewahrt, Sympathien für das Regime zu entwickeln, die ich vom Elternhaus her ohnehin nicht hatte. Insofern ist meine Jugend ganz konsequent verlaufen."

    Als Flakhelfer kam Joachim Fest 1945 bei Remagen in amerikanische, zweijährige Kriegsgefangenschaft, anschließend machte er das Abitur nach und studierte Jura, Geschichte, Soziologie und Kunstgeschichte – ein breites Spektrum, das den Vorgaben und Interessen einer bildungsbürgerlichen Herkunft entsprach und eine Persönlichkeit prägte, für die kulturgeschichtliche Kenntnis von Literatur, Sprache und Geschichte zur unabdingbaren Grundlage jeder geistigen Auseinandersetzung wurde. Joachim Fest war hochgebildet und ließ es seine Umgebung wissen, von der er ebenfalls stets Niveau verlangte. Wer mit Goethe und Thomas Mann, von Beethoven und Mozart oder der italienischen Renaissance nichts anzufangen wusste, hatte bei Joachim Fest schlechte Karten.

    Seine journalistische Karriere verlief rasant und steil. Nach der Redakteurszeit beim RIAS wechselte er zum Fernsehen des Norddeutschen Rundfunks, wurde 1963 Chefredakteur und Leiter der Abteilung Zeitgeschehen, beerbte in dieser Funktion übrigens Eugen Kogon, den KZ-Überlebenden und Verfasser des epochalen Buches "Der SS-Staat". 1968 ließ er sich beurlauben, nachdem ihn ein US-amerikanischer Verlag dazu aufgefordert hatte, eine Biografie über Hitler zu schreiben. Eine deutsche Gesamtdarstellung gab es bis dahin überraschenderweise nicht. An der Biografie des englischen Historikers Allan Bullock stieß Fest sich an der These, dass Hitler der große Widersacher seiner Zeit gewesen sei. Fest dagegen sah Hitler als Produkt, wenn nicht gar Summe, der die widerstreitenden Tendenzen der Epoche in seiner Figur und Ideologie zu bündeln vermochte. Das war das Neue und Originelle. Zugleich betonte Fest, wie wichtig die öffentliche Inszenierung für die Nazis war: Fahnenappelle, Gedenkfeste, Sonnenwendfeiern, der Riesenpomp der Reichsparteitage. Nach Fest witterte Hitler mit sicherem Instinkt,

    "dass die Menschen heute in den Massengesellschaften orientierungslos sind, nicht wissen wohin. Es gab das große Phänomen der Utopien, die versucht haben, die Menschen auf eine Orientierung hin auszurichten. Und die Nationalsozialisten verkörperten ja auch eine Art Utopie, aber sie haben ihr Ziel eher durch Showeffekte zu erreichen versucht und so in einem bestürzenden und heute noch jeden Beobachter fassungslos machenden Maße die Menschen hinter sich gebracht. Es ist ja ganz bezeichnend: Die ersten politischen Schallplatten hat Goebbels im Jahr 1932 verteilt, also noch alte Schellackplatten, da war eine Hitler-Rede drauf. Das wurde in den Wahlkämpfen an die Tür gebracht. Für 50 Pfennig – eine normale Schallplatte kostete drei, vier Mark – konnte man sich eine Führer-Rede anhören. Auch das verrät den Sinn der Nazis für mediale Mittel."

    Fünf Jahre arbeitete Fest an der Biografie, sie erschien zur Buchmesse 1973, wurde ein Sensations- und Welterfolg. Der brillante erzählerische Stil, eine fein differenzierte Psychologie und die Wucht der Argumentation haben den Band zum Standardwerk gemacht. Es ist fraglos eines der bedeutendsten Bücher des Jahrhunderts zur Zeitgeschichte.

    Damit schuf sich Joachim Fest praktisch über Nacht das enorme schriftstellerische Renommee, das sogar seine publizistischen Gegner, wenn auch widerwillig, anerkennen. Die jahrelange Arbeit an der Biografie hat Joachim Fest immer wieder als "extrem widerliche Aufgabe" gekennzeichnet, ständig diese depravierten Charaktere, permanent menschliche Niedertracht, oft war Fest am Rande, das Projekt aufzugeben.

    "Ja, wie hält man das aus? Das ist ein Problem, das sich hauptsächlich bei Hitler stellt, und ich habe mehrere Male bei der Arbeit an der Biografie gedacht, ob ich die Sache nicht beende, ob das überhaupt durchzuhalten sei. Auch materiell war das nicht leicht, ich hatte ja keine Nebeneinkünfte und musste meinen Lebensunterhalt verdienen, das war alles schwierig, aber es war auch immer das Gefühl dabei: Mein Gott, worauf hast du dich da eingelassen? Ich wollte immer über die italienische Renaissance schreiben oder ein Buch über Friedrich II., das war auch ein Thema, das mich sehr gereizt hätte. Stattdessen schlug ich mich mit Streicher, Sauckel, Ley und solchen Figuren herum. Man muss schon einiges an Überwindung, auch an ästhetischer Überwindung leisten, um dabei zu bleiben."

    1973, nach Erscheinen der Biografie, übernahm Joachim Fest das Ressort Kultur der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", trat gleichzeitig ins Gremium der Herausgeber ein und wurde damit zu einem machtvollen Faktor in der publizistischen Landschaft.

    Er baute die "FAZ" aus zu einer kulturellen, konservativ-bildungsbürgerlichen Bastion und ständigem Angriffsziel linksintellektueller Kulturkritik. Er machte den schon damals sehr umstrittenen Marcel Reich-Ranicki zum Literaturchef, holte später den noch blutjungen Frank Schirrmacher, der laut einer gern kolportierten Anekdote den zukünftigen Arbeitgeber damit beeindruckte, dass er Passagen aus der Hitler-Biografie auswendig zitieren konnte.

    Der Historikerstreit Mitte der 80er Jahre ging von der "FAZ" und dezidiert von Joachim Fest aus, der die aggressiven Thesen des Historikers Nolte zwar ablehnte – Nolte behauptete, erst Stalins Vernichtungspolitik hätte Hitler zum Massenmord an den Juden inspiriert, das eine Verbrechen sei also ohne das andere nicht zu denken. Joachim Fest kritisierte diesen Ansatz, beharrte aber darauf, Noltes Text zu veröffentlichen, auch das verstand er unter Liberalität. Gerade historische Kontroversen bedürfen der Schärfe, war Fests Credo, die offene Feindschaft, die ihm ab diesem Zeitpunkt von vielen Seiten entgegenschlug, ertrug er achselzuckend:

    "Gestört hat mich das eigentlich nie. Ich weiß, dass es in Fragen von Kultur, Gesellschaft, Politik immer sehr unterschiedliche und kontroverse Auffassungen geben kann und geben muss, die im Streit auszutragen sind. Ich nehme das einfach als anthropologisches Faktum in Kauf. Natürlich gibt es Angriffe, die stark ins Persönliche gehen und gegangen sind. Das stört einen dann etwas mehr, aber ich weiß nicht, wieviel 1000 Rezensionen ich im Leben erhalten habe für die verschiedenen Bücher, und da steht immer mal wieder ein Satz, der ein empfindliches Gemüt sehr treffen mag. Man wird auch abgehärtet dagegen."

    Nach 20 Jahren streitlustiger Publizistik übergab Joachim Fest 1993 den Stab an Ziehsohn und Nachfolger Frank Schirrmacher, fortan wurde die Beschäftigung mit einer weiteren einflussreichen NS-Figur zu Fests zweitem großen biografischen Thema: Albert Speer. In den 60 und 70er Jahren schon hatte Fest als eine Art Co-Autor für den Siedler-Verlag die "Spandauer Tagebücher" und "Erinnerungen" des in Nürnberg als Kriegsverbrecher verurteilten Speers betreut und mitherausgegeben, eine Tätigkeit, die ihn nebenbei auch in scharfen, persönlichen Konflikt zum Holocaust-Überlebenden Marcel Reich-Ranicki brachte. Fests Sohn Alexander, selbst Verleger eines eigenen Verlags, überredete den Vater zu einer Biografie über Hitlers Liebling und Rüstungsminister. Auf die eine entscheidende Frage bekam Fest jedoch nie eine Antwort: Was wusste Speer von der Judenvernichtung?

    "Er hat das immer bestritten, bis zuletzt. Ich schildere eine Begegnung mit ihm in der Biografie, wo er relativ weit gegangen ist, aber auch das ist kein Beleg. Es ist nie ein Schriftstück aufgetaucht, etwa der Brief eines Gauleiters, der an einen anderen Gauleiter über Speer und die eine oder andere Maßnahme gesprochen hätte. Das gab es nicht. Da war ja auch der grundsätzliche Befehl Hitlers, Befehl No. 1, der bei Kriegsausbruch erging. Einer der Grundsätze war: Keiner darf mehr wissen, als unmittelbar zur Erledigung seiner Dienstpflicht nötig ist. Und wir haben aus den Goebbels-Tagebüchern erfahren, dass Goebbels zum Beispiel vom Angriff auf Russland am 22. Juni 1941, der fast ein Jahr in Planung war, nichts gewusst hat, bis ins Frühjahr '41 hinein. Wenn also ein solches Maß an Abschottung besteht zwischen dem einen oder anderen, gewinnt Speers Einlassung an Glaubwürdigkeit, obwohl ich immer noch ganz starke Zweifel habe."

    Diese Zweifel, geäußert im Jahr 2000, haben sich inzwischen bestätigt. Es sind die entsprechenden Dokumente aufgetaucht, die Speers Verstrickung eindeutig belegen. Joachim Fest gestand die Niederlage ein: "Er hat uns allen eine Nase gedreht", lautete sein Kommentar.

    Den letzten überwältigenden, publizistischen Triumph feierte der Autor mit einem Buch über Hitlers Ende im Führerbunker. "Der Untergang" hieß es knapp, eine packend-düstere Schilderung der finalen Katastrophe. Der Bestseller wurde von Bernd Eichinger verfilmt, Joachim Fest fungierte als Berater und war vom Hitler-Darsteller Bruno Ganz völlig hingerissen. Noch einmal entfaltete Fest im "Untergang" die atmosphärische Gewalt des "Führers", dem selbst in der allgemeinen Agonie die meisten Generäle und Untergebenen die Treue hielten. Noch einmal entwickelte Joachim Fest seine These von der Macht der Verführung und seine geschichtsphilosophische Skepsis, dass sich nach einem Spruch des großen Historikers Ranke, "es die Geschichte bisweilen liebt, sich auf einmal in einem Menschen zu verdichten, welchem hierauf die Welt gehorcht" - Das kann uns wieder passieren, wurde Joachim Fest nicht müde zu betonen.

    "Ich bin nicht von Natur aus ein Pessimist, aber ich weiß nicht, wie man mit halbwegs belehrtem Auge auf dieses Jahrhundert zurückblicken und sich seinen Optimismus erhalten kann. Das geht nicht zusammen. Man ist nicht mit sich im Reinen, wenn man immer noch Optimist ist. Das habe ich im übrigen auch nie bei der Studenten-Bewegung begriffen, die ja die konkrete Utopie schon hinter der nächsten Hausecke sah und glaubte, dann komme Frieden, Glück, Eintracht, Wohlstand, alles zusammen mit einem Mal auf die Menschen zu. So ist die Welt nicht gemacht, und ich finde, nach den Erfahrungen dieses Jahrhunderts haben wir überhaupt keinen Anlass, solche Hoffnungen noch zu pflegen. Ich bin weder Pessimist noch Optimist. Ich finde die einzige angemessene, belehrte Haltung nach dem, was sich ereignete, ist ein wacher Skeptizismus."

    Bei allem Stolz auf die eigene historiografische Leistung, verdross es Joachim Fest am Ende immer häufiger, dass man ihn meistens lediglich als NS- und Hitler-Experten einvernahm. Immer wieder forderte er in Interviews, dass man doch gefälligst auch seiner Passion und Liebe zur Kultur, zur Literatur, Philosophie und Kunst einmal gedenken solle. In der Tat hat er hauptsächlich mit dem Buch "Im Gegenlicht" gezeigt, wie leidenschaftlich er der europäischen Kultur und ihren Werken verpflichtet war. Hier offenbart sich der Italien-Liebhaber und Genussmensch, der reisende Gentleman und vornehme Herr, der souverän mit den kulturellen Beständen hantiert und ästhetischen Gewinn selbst aus dem chaotischen Marktgewimmel einer sizilianischen Kleinstadt zieht. "Eine italienische Reise" nannte Joachim Fest den Band selbstbewusst. "Dopo Goethe, arriva Fest – erst Goethe, jetzt Fest", schrieb der "Corriere della Sera". Eine schönere Rezension, so der Autor, habe er nie bekommen.

    Jetzt ist Joachim Fest im Alter von 79 Jahren überraschend gestorben, im kommenden Dezember wäre er 80 geworden. Noch im August hat er gelassen und fast staatsmännisch auf die Affäre um Günter Grass reagiert. Der Nobelpreisträger habe sich durch das späte Geständnis seiner SS-Mitgliedschaft blamiert, und die gute bürgerliche Erziehung verbiete es ihm, Fest, auch noch mit dem Finger auf den Blamierten zu zeigen. In den nächsten Wochen erscheint Fests eigene Autobiografie unter dem bezeichnenden Titel "Ich nicht".

    Heute hat, um es im Stile seines verehrten Thomas Mann zu sagen, eine respektvoll erschütterte Welt die Nachricht von Joachim Fests Tod erfahren. Bundespräsident Horst Köhler würdigte in einem Kondolenzschreiben an die Witwe Fests Werk und Persönlichkeit. In dessen Büchern hätten sich, so der Bundespräsident, christliches Ethos und Bürgertugend, tiefe Bildung und intellektuelle Redlichkeit, konservative Skepsis und weltbürgerliche Liberalität zu einem wahrhaft lebendigen Geist verbunden. Kulturstaatsminister Bernd Neumann hob hervor, wie stark Joachim Fest das intellektuelle Profil der Bundesrepublik geprägt habe. Im politischen Spektrum hat man Joachim Fest stets rechts von der Mitte angeordnet, er selbst hasste diese Zuweisung.

    In einem 2005 erschienenen Erinnerungsband mit Begegnungen prominenter Zeitgenossen hat Fest deshalb vielleicht absichtsvoll ein kritisch-einfühlsames Porträt von Ulrike Meinhof eingefügt. Mit Joachim Fest geht nun ein letzter großer Intellektueller des bürgerlichen Zeitalters, ein bedeutender Repräsentant deutscher Kultur. Einer der Schluss-Sätze aus seinem Italien-Buch handelt von antiken Skulpturen steingewordener historischer Gestalten. Gerade als Artefakte seien sie beeindruckend, "als zeige sich", so Fest, "im Verschwinden, nachdem die individuellen Züge ausgelöscht sind, noch einmal der Typus und was ihn groß machte". Solche Sätze haben Joachim Fest groß gemacht, sie und die Erinnerung an einen einzigartigen Schriftsteller und Mann werden bleiben.