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Ein Fußballphänomen made in USA

Der enorme Publikumserfolg des Seattle Sounders FC in der amerikanischen Profi-Fußballliga ist ein Phänomen. Der Zuschauerschnitt liegt bei über 40.000 pro Spiel. Bei dem Verein im Bundesstaat Washington lassen sich zudem einige deutsche Facetten entdecken.

Von Jürgen Kalwa | 27.10.2012
    ""Seattle running a patient game in the middle third. Now they strike though. Johansson is being released here. And Montero.... "

    Das war Anfang Oktober im Spiel gegen Portland Timber. 66.000 Zuschauer bejubelten die 1:0-Führung ihrer Mannschaft.
    ""It’s the full Monty for Seattle. Freddy Montero bringing the house down.”"

    Der Zuschauerzuspruch ist für amerikanische Verhältnisse gigantisch. Mehr als 40.000 kommen im Schnitt. Doppelt so viele wie im Rest der Liga mit ihren inzwischen 19 Clubs. Doch die Experten vor Ort finden das nicht weiter verwunderlich. Steve Clare, der den vielgelesenen Blog "Prost Amerika” herausgibt, ein Schotte, der nicht nur etwas vom US-Fußball versteht, sondern auch noch Deutsch spricht:

    ""Es gibt einen ungeheuren Appetit für Fußball in Cascadia, wie war das nennen, den Nordwesten der USA. In Seattle hatte man 2009 so etwas wie den ‘Perfect Storm’. Die Basketballmannschaft ging nach Oklahoma. Das hat ein Vakuum geschaffen.”"

    Und die Natur tut bekanntlich alles, um ein Vakuum aufzufüllen. Das Gefäß? Eine ziemlich erfolgreiche Mannschaft mit erstaunlich vielen kleinen deutschen Facetten. Das beginnt schon mit dem Trainer, Siegfried Schmid, genannt Sigi – in Tübingen geboren, als Kind mit den Eltern in die USA ausgewandert. Der hat in seiner zweiten Heimat eine sehr solide Karriere hingelegt. Seine Spezialität:

    ""Der Sigi ist jemand, der glaubt, dass man die Taktik an die Spieler anpassen sollte, die man hat. Und nicht die Spieler an die Taktik anpassen.”"

    Zu diesen Spielern gehört seit Mitte dieser Saison auch Christian Tiffert. Geboren in Halle. Zuletzt in Deutschland Kapitän beim 1. FC Kaiserslautern. Der Mittelfeldspieler kam im Juli und hat bislang neun Spiele im Sounders-Trikot absolviert.

    ""Natürlich ist das eine andere Liga. Man hat sich zu akklimatisieren. Keine Frage. Es sind viele Reisen. Lange Flüge. Aber ich bin in einem guten Alter. Ich fühle mich körperlich gut. Deshalb war das eine sehr, sehr gute Entscheidung für mich.”"

    Aber in Seattle importiert man nicht nur Spieler, sondern auch Ideen. Die Fans sollen stärker an den Club gebunden werden, der ganz klassisch amerikanisch einer Gruppe von Investoren gehört. An der Spitze Joe Roth, ein Filmproduzent aus Hollywood. Und in Nebenrollen der Fernsehschauspieler Drew Carey und Paul Allen, der Besitzer des NFL-Teams Seattle Seahawks.

    Der Versuch der Anbindung produzierte neulich eine kuriose Idee: Jahreskartenbesitzer und andere Mitglieder der sogenannten "Alliance” dürfen erstmals darüber abstimmen, ob Chefmanager Adrian Hanauer im Amt bleiben soll oder nicht. Einzige Voraussetzung: das Quorum muss sich auf mindestens 10.000 Stimmen belaufen. Das Ergebnis soll im Dezember bekannt gegeben werden.

    Die Inspiration kam aus der Welt der Vereine in Europa, wo die Mitglieder zumindest theoretisch auf die Funktionärsriege an der Spitze Einfluss nehmen können. Die amerikanische Variante feiert Miteigentümer Drew Carey bereits als Demokratieübung. Tatsächlich ist sie wohl mehr so etwas wie eine geschickte Public-Relations–Überlegung.

    ""Sounders. Sounders.”"

    Die Basis für den Club ist gesund. Seattle und Umgebung mit ihren Weltfirmen wie Microsoft und Boeing ist das wirtschaftliche Zentrum des Bundesstaats Washington. Ein Staat, der pro Kopf die größte Quote an nachwachsenden Fußballern hat. Sowohl bei den Jungen als auch bei den Mädchen.

    Nur der ganz große Erfolg fehlt noch. Am Sonntag trifft die Mannschaft im letzten Spiel der Tabellenrunde auf Los Angeles Galaxy, wenn sich entscheidet, ob Seattle als Zweiter oder als Dritter der Western Conference in die Playoffs einzieht. Der Leistungsunterschied zwischen den Top-Mannschaften in diesem Jahr ist nicht groß. So könnte die Energie und die Begeisterung der Zuschauer zum Faktor werden. Die Spieler sind jedenfalls zuversichtlich, sagt Michael Gspurning, der Österreicher, der bei den Sounders im Tor steht und zu den Besten auf dieser Position in der Liga gehört:

    ""Die Spieler die wir haben, ob’s ein Tiffert ist aus der Bundesliga. Ob’s ein Fredy Montero oder ein Eddie Johnson vorne Da ist sehr Qualität da, dass wir wirklich eien sehr guten Fußball spielen.”"