"Die Mühle und das Kreuz" von Lech Majewski
"Mein Bild wird viele Geschichten erzählen müssen", sagt der Maler. "Es muss groß genug sein, um alles aufnehmen zu können. Es müssen Hunderte von Leuten sein",sagt Pieter Bruegel der Ältere alias Rutger Hauer in Lech Majewskis betörendem Film "Die Mühle und das Kreuz".
1564 schuf Peter Bruegel der Ältere "Die Kreuztragung Christi" - heute hängt das Gemälde im Kunsthistorischen Museum in Wien. Jesus´ Gang zur Kreuzigung zeichnet Bruegel allerdings nicht in Palästina, sondern vor dem Hinter-grund einer Stadt in Flandern im 16. Jahrhundert. Außerdem malte Bruegel Jesus´ Leiden nicht als klassische Passionsgeschichte, sondern bettete sie in das Leben der Menschen des 16. Jahrhunderts ein - die einen auf den Feldern, die anderen ihren Höfen. In seinem Film "Die Mühle und das Kreuz" erweckt der Maler, Schriftsteller und Filmemacher Lech Majewski Bruegels Gemälde mit modernster Film- und Computertechnologie in gewisser Weise zum Leben. Eine filmische Adaption, in der sich Schichten überlagern; in der sich ein riesiger zwei-dimensionaler Hintergrund, gemalt von Lech Majewski selbst, mit verschiedenen computeranimierten Hinter-gründen mischt, die ihrerseits als Basis für Film-sequenzen dienen, in denen die Schauspieler in den Kostümen des 16. Jahrhunderts agieren. Und schließlich als drittes Element: reale, gefilmte Landschaften, die denen aus Bruegels Gemälde ähneln. Zu hören ist außer dem Soundtrack ab und an ein Satz von Bruegel oder seinem Mäzen, ansonsten sehen wir eine düstere, gewalttätige Welt, fernab jeder Erlösung, die die Passionsgeschichte ansonsten verheißt. Doch was sich hier technisch kompliziert anhört, wirkt im Film organisch. Doch "Die Mühle und das Kreuz" wird nicht zum Historienfilm, sondern zum faszinierenden Eintritt in ein Gemälde.
"Die Mühle und das Kreuz" von Lech Majewski - herausragend.
"Bullhead" von Michaël R. Roskam
Die Welt ist düster im belgischen Film; der Eindruck hat sich mittels dieses harten Realismus der Dardenne-Brüder in Filmen wie "Lornas Schweigen" in unserem Bildergedächtnis ein-gegraben. Und man kann nun nicht gerade behaupten, dass Michaël R. Roskams Film "Bullhead" an diesem Grundein-druck etwas ändern würde. Roskam erzählt die Geschichte des jungen Rinderzüchters Jacky, der mit illegalen Hormonen dealt und seine Kollegen mit roher Gewalt eben-falls zu diesen Geschäften zwingt. Aufgrund einer Geschichte in seiner Jugend, die in "Bullhead" lange im Verborgenen bleibt, pumpt sich Jacky selber mit Testosteronen voll. Er ist in gewisser Weise - wie die Tiere, die er mit den Medikamenten mästet - selbst ein Gemästeter. Und Gequälter. Eines Tages kommt Jack in Kontakt mit einem Freund aus jenen dunklen Jugendtagen; der arbeitet inzwischen für die Polizei, die den Hormon-handel aufdecken will. So fallen in "Bullhead" Gegenwart und Vergangenheit übereinander her. In düsteren aus-gelaugten Farben zeichnet der Belgier Michaël R. Roskam in seinem Kinodebüt eine verstörende Geschichte über Freundschaft und ihr Nichtgelingen und über das Schicksal, das die Menschen wie an Marionettenfäden hin- und herwirft.
"Bullhead" von Michaël R. Roskam - (bei uns im Original mit deutschen Untertiteln im Kino) - empfehlenswert
"Die verlorene Zeit" von Anna Justices
"Hallo! Ich möchte Tomasz sprechen. Bitte legen Sie nicht auf. Hier ist Hannah Silberstein. - Hannah, du lebst?"
Am Ende ruft Hannah in "Die verlorene Zeit" Tomasz an. So findet sie den Mann wieder, den sie liebte, mit dem zusammen ihr die Flucht aus dem KZ gelang - sie deutsche Jüdin, er polnischer Widerstandskämpfer. Die beiden werden in den Kriegswirren getrennt, glauben den anderen tot, bis Hanna, inzwischen in New York verheiratet, Mutter einer Tochter, Tomasz zufällig in einer Fernsehsendung sieht. Dreißig Jahre später.
""I heard you on TV. Speaking Englisch. - Better than german."
Das ist das Thema von Anna Justices Film "Die verlorene Zeit": Die erledigt geglaubte, verdrängte Vergangenheit drängt wieder ins Bewusstsein. So, wie Hannah - als ältere Frau von Dagmar Manzel, als junge Frau von Alice Dwyer ge-spielt - es sagt:
"I thought I was finished with the past done. But you never done."
Die großen Debatten über die "Filmfähigkeit" des Holocaust sind ge-führt; Geschichten wie die von Hannah sind inzwischen selbstverständlicher Bestandteil unserer Kino- oder TV-Unterhaltung. Alles Mainstream-Erzählung. Die Selbstveständlichkeit, mit der ein Film wie "Die ver-lorene Zeit" Holocaust-Szenen inszeniert, das Nichtdarstellbare in Bilder packt, stört nur noch wenige. Doch was an Filmen wie Anna Justices schlicht langweilt, das ist die öde Rückblenden-Dramaturgie, die in kleinen Häppchen die Zeit des Zweiten Weltkrieges mit der beginnenden Erinnerungszeit in der Jetzt-Zei aufbereitet. Ein Hin- und Herhopsen zwischen den Zeiten, doch eine er-greifende Geschichte will sich beim Zuschauen so nicht entfalten. Aber auch das ist - wie jüngst bei Hans Steinbichlers "Das Blaue vom Himmel" - inzwischen standardisierter Vergangenheitskonsum, der sich als Be-wältigung ausgibt.
"Die verlorene Zeit" von Anna Justice - enttäuschend.
"Mein Bild wird viele Geschichten erzählen müssen", sagt der Maler. "Es muss groß genug sein, um alles aufnehmen zu können. Es müssen Hunderte von Leuten sein",sagt Pieter Bruegel der Ältere alias Rutger Hauer in Lech Majewskis betörendem Film "Die Mühle und das Kreuz".
1564 schuf Peter Bruegel der Ältere "Die Kreuztragung Christi" - heute hängt das Gemälde im Kunsthistorischen Museum in Wien. Jesus´ Gang zur Kreuzigung zeichnet Bruegel allerdings nicht in Palästina, sondern vor dem Hinter-grund einer Stadt in Flandern im 16. Jahrhundert. Außerdem malte Bruegel Jesus´ Leiden nicht als klassische Passionsgeschichte, sondern bettete sie in das Leben der Menschen des 16. Jahrhunderts ein - die einen auf den Feldern, die anderen ihren Höfen. In seinem Film "Die Mühle und das Kreuz" erweckt der Maler, Schriftsteller und Filmemacher Lech Majewski Bruegels Gemälde mit modernster Film- und Computertechnologie in gewisser Weise zum Leben. Eine filmische Adaption, in der sich Schichten überlagern; in der sich ein riesiger zwei-dimensionaler Hintergrund, gemalt von Lech Majewski selbst, mit verschiedenen computeranimierten Hinter-gründen mischt, die ihrerseits als Basis für Film-sequenzen dienen, in denen die Schauspieler in den Kostümen des 16. Jahrhunderts agieren. Und schließlich als drittes Element: reale, gefilmte Landschaften, die denen aus Bruegels Gemälde ähneln. Zu hören ist außer dem Soundtrack ab und an ein Satz von Bruegel oder seinem Mäzen, ansonsten sehen wir eine düstere, gewalttätige Welt, fernab jeder Erlösung, die die Passionsgeschichte ansonsten verheißt. Doch was sich hier technisch kompliziert anhört, wirkt im Film organisch. Doch "Die Mühle und das Kreuz" wird nicht zum Historienfilm, sondern zum faszinierenden Eintritt in ein Gemälde.
"Die Mühle und das Kreuz" von Lech Majewski - herausragend.
"Bullhead" von Michaël R. Roskam
Die Welt ist düster im belgischen Film; der Eindruck hat sich mittels dieses harten Realismus der Dardenne-Brüder in Filmen wie "Lornas Schweigen" in unserem Bildergedächtnis ein-gegraben. Und man kann nun nicht gerade behaupten, dass Michaël R. Roskams Film "Bullhead" an diesem Grundein-druck etwas ändern würde. Roskam erzählt die Geschichte des jungen Rinderzüchters Jacky, der mit illegalen Hormonen dealt und seine Kollegen mit roher Gewalt eben-falls zu diesen Geschäften zwingt. Aufgrund einer Geschichte in seiner Jugend, die in "Bullhead" lange im Verborgenen bleibt, pumpt sich Jacky selber mit Testosteronen voll. Er ist in gewisser Weise - wie die Tiere, die er mit den Medikamenten mästet - selbst ein Gemästeter. Und Gequälter. Eines Tages kommt Jack in Kontakt mit einem Freund aus jenen dunklen Jugendtagen; der arbeitet inzwischen für die Polizei, die den Hormon-handel aufdecken will. So fallen in "Bullhead" Gegenwart und Vergangenheit übereinander her. In düsteren aus-gelaugten Farben zeichnet der Belgier Michaël R. Roskam in seinem Kinodebüt eine verstörende Geschichte über Freundschaft und ihr Nichtgelingen und über das Schicksal, das die Menschen wie an Marionettenfäden hin- und herwirft.
"Bullhead" von Michaël R. Roskam - (bei uns im Original mit deutschen Untertiteln im Kino) - empfehlenswert
"Die verlorene Zeit" von Anna Justices
"Hallo! Ich möchte Tomasz sprechen. Bitte legen Sie nicht auf. Hier ist Hannah Silberstein. - Hannah, du lebst?"
Am Ende ruft Hannah in "Die verlorene Zeit" Tomasz an. So findet sie den Mann wieder, den sie liebte, mit dem zusammen ihr die Flucht aus dem KZ gelang - sie deutsche Jüdin, er polnischer Widerstandskämpfer. Die beiden werden in den Kriegswirren getrennt, glauben den anderen tot, bis Hanna, inzwischen in New York verheiratet, Mutter einer Tochter, Tomasz zufällig in einer Fernsehsendung sieht. Dreißig Jahre später.
""I heard you on TV. Speaking Englisch. - Better than german."
Das ist das Thema von Anna Justices Film "Die verlorene Zeit": Die erledigt geglaubte, verdrängte Vergangenheit drängt wieder ins Bewusstsein. So, wie Hannah - als ältere Frau von Dagmar Manzel, als junge Frau von Alice Dwyer ge-spielt - es sagt:
"I thought I was finished with the past done. But you never done."
Die großen Debatten über die "Filmfähigkeit" des Holocaust sind ge-führt; Geschichten wie die von Hannah sind inzwischen selbstverständlicher Bestandteil unserer Kino- oder TV-Unterhaltung. Alles Mainstream-Erzählung. Die Selbstveständlichkeit, mit der ein Film wie "Die ver-lorene Zeit" Holocaust-Szenen inszeniert, das Nichtdarstellbare in Bilder packt, stört nur noch wenige. Doch was an Filmen wie Anna Justices schlicht langweilt, das ist die öde Rückblenden-Dramaturgie, die in kleinen Häppchen die Zeit des Zweiten Weltkrieges mit der beginnenden Erinnerungszeit in der Jetzt-Zei aufbereitet. Ein Hin- und Herhopsen zwischen den Zeiten, doch eine er-greifende Geschichte will sich beim Zuschauen so nicht entfalten. Aber auch das ist - wie jüngst bei Hans Steinbichlers "Das Blaue vom Himmel" - inzwischen standardisierter Vergangenheitskonsum, der sich als Be-wältigung ausgibt.
"Die verlorene Zeit" von Anna Justice - enttäuschend.