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Ein Gemischtwarenladen

Das Wahlprogramm von CDU/CSU kündigt eine Mehrwertsteuererhöhung an, spricht Lohnnebenkosten, Arbeitsmarkt und Spitzensteuersatz. Wie jedoch sieht das kulturpolitische Konzept der Union aus? Ein Gespräch mit Andreas Rossmann von der "FAZ".

Moderation: Holger Noltze |
    Holger Noltze: Selbst wir Kulturfuzzis wissen natürlich, dass die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, Steuer und Gesundheitsreform oben auf der Agenda einer künftigen Regierung stehen müssen. Irgendwo und wenn möglich nicht ganz im Kleingedruckten sollte aber die Kultur schon vorkommen. Im Wahlprogramm der CDU, von dem man bis heute Nachmittag wusste, dass es 38 Seiten lang ist, kommt die Kultur auf Seite 33 Mitte vor, auf Seite 33 unten ist aber auch schon Schluss. Andreas Rossmann, von der FAZ, das hat man schnell gelesen.

    Andreas Rossmann: Ja, das hat man schnell gelesen, da steht auch nicht viel drin. Es kommt erst sozusagen ein paar Goldprägehauptsätze. Der erste heißt: Deutschland ist eine Kulturnation. Kunst und Kultur sind untrennbar mit der Idee der Deutschen als Nation verbunden. Es ist locker gedruckt. Danach kommt ein Absatz, wo drin steht, was wollen wir? Und da ist interessanter, was nicht drinsteht, als das, was drinsteht. Drinsteht, dass zu den weiter zu entwickelnden Felder die auswärtige Kulturpolitik, die Förderung von Projekten nationaler Bedeutung, die nationale Erinnerungskultur, die Künstlersozialversicherung sowie das Urheberrecht.

    Noltze: Das ist ein bisschen ein Gemischtwarenladen, oder?

    Rossmann: Ja, es scheint auch ein bisschen zufällig. Das sind so die Themen, die in den letzten Wochen immer wieder aktuell waren. Vor allem steht nichts dazu drin, wie man es eigentlich mit der von den Sozialdemokraten neu eingerichteten Stelle des Kulturstaatssekretärs halten will, ob man sie weiter halten will, ob man sie ausbauen will zu einem richtigen Bundeskulturministerium oder was da geplant ist. Man weiß natürlich aus Äußerungen der kulturpolitisch interessierten CDU-Bundespolitiker, dass man diese Stelle nicht wieder abschaffen will. Aber wie sie vielleicht neu zugeschnitten oder wie sie überhaupt gewertet wird, geht aus diesem Papier auch nicht hervor.

    Noltze: Das muss das Wahlvolk vielleicht ja auch gar nicht so sehr interessieren, also das Institutionenmäßige. Es gibt zwei Spiegelstriche. Was wollen wir? Das Eine haben Sie erwähnt, Verbesserungen der Rahmenbedingungen für erstens, zweitens, drittens. Ein Extraspiegelstrich bezieht sich auf die Filmwirtschaft. Das wirkt etwas herausgehoben.

    Rossmann: Das wird etwas herausgehoben. Es ist interessant, weil es da wieder in die Kulturwirtschaft geht. Da scheint der Film sozusagen das ergiebigste Feld zu sein. Es wird nichts gesagt zum Innovationscharakter von Kultur, wo eigentlich in Deutschland im Moment die Künste das einzige Feld sind, wo Innovation stattfindet. Es wird auch nichts gesagt zum Zusammenhang von Bildung und Kultur, von Schule und Kunst. Da sind auch einige Länderminister doch sehr viel weiter.

    Noltze: Ich versuche es nochmals zuzuspitzen. Auffällig scheint mir die Indienstnahme von Kultur für einerseits Wirtschaft, also Filmwirtschaft zum Beispiel, andrerseits für doch so heikle Dinge wie nationale Identität, Erinnerungskultur. Also was man vermisst, ist eine Art Bekenntnis zur Kultur als dem zweckfreien, schönen Anderen.

    Rossmann: Genau das fehlt total. Also das, was zum Beispiel Jürgen Rüttgers in seiner Regierungserklärung nur angetippt, aber in einem Positionspapier doch sehr weit ausgeführt hat, kommt hier überhaupt nicht vor, dass Kunst sozusagen erst mal per se ein Wert ist und nicht ein Standortfaktor oder etwas, was in den Dienst zu nehmen ist von anderen Bereichen oder im Sinne einer Wirtschafts- oder Standortspolitik zu benutzen. Dazu äußerst sich dieses Papier überhaupt nicht, und das halte ich auch für eine große Schwäche dieser Äußerungen.

    Noltze: Nun liegen uns die Programme der SPD und der Bündnisgrünen vor. Machen die es besser? Gibt es da mehr zu beißen?

    Rossmann: Ja, die sind etwas ausführlicher, zumindest nicht ganz so vage und allgemein, und bringen beide einen Punkt, der bei der CDU nicht vorkommt, der aber auch wieder heikel ist, nämlich Kultur als Staatsziel. Das ist insofern heikel, als eigentlich alle Verfassungsrechtler sagen, dafür gibt es keine Grundlage. Kultur ist Ländersache in der Bundesrepublik. Insofern äußert sich die CDU aber hierzu nicht in irgendeiner Weise problematisierend, was sie ja gekonnt hätte, gerade in Abgrenzung zur rot-grünen Koalition.

    Noltze: Viele gehen ja davon aus, dass wir einen Regierungswechsel bekommen werden. Wenn wir jetzt mal spekulieren, was das für die Kultur bedeuten könnte auf der Grundlage eines Papiers, wie wird sich das politische Klima möglicherweise ändern?

    Rossmann: Das ist schwer zu sagen, denn die CDU betont ja auch, dass die Kultur zu entwickeln ist in den Kommunen und Ländern. Der Bund ist ja in kulturellen Dingen bis auf die auswärtige Kulturpolitik, zu der auch nicht gesagt wird, ob sie beim Auswärtigen Amt bleiben soll oder dem Kulturstaatsminister vielleicht zugeordnet werden soll, bleibt er sehr vage. Kultur ist Länder- und Gemeindesache, und insofern kann man an dieses Papier keine großen Hoffnungen für eine atmosphärische Änderung im Kulturleben setzen.