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"Ein generelles Überholverbot ist unsinnig"

Die Pläne von Bundesverkehrsminister Tiefensee für ein Überholverbot für LKW und eine zeitabhängige Maut stoßen bei den Spediteuren auf Ablehnung. Zwar sei es durchaus sinnvoll, wenn zu bestimmten Zeiten an Brennpunkten ein Überholverbot verfügt werde, sagte der Präsident des Bundesverbandes Güterkraftverkehr, Hermann Grewer. Ein generelles Verbot sorge aber weder für mehr Sicherheit noch vermeide es Staus auf den Autobahnen.

Moderation: Christian Schüttte | 30.06.2008
    Christian Schütte: Ein LKW-Fahrer setzt den Blinker, schert auf die linke Spur aus und was folgt ärgert viele Autofahrer, die nun abbremsen müssen: ein kilometerlanges Elefantenrennen zwischen zwei Fernfahrern. Solche Überholmanöver will Bundesverkehrsminister Tiefensee massiv einschränken. Er hat sich für ein weitgehendes Überholverbot auf deutschen Autobahnen ausgesprochen und seinen Plan bereits den zuständigen Ministern der Länder mitgeteilt. Ziel des Verbots: Staus vermeiden und damit den Spritverbrauch in Deutschland senken. Autofahrer mag dies freuen; die Spediteure dagegen äußern Kritik. - Am Telefon begrüße ich Hermann Grewer, Präsident des Bundesverbands Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung. Guten Morgen Herr Grewer!

    Hermann Grewer: Guten Morgen Herr Schütte.

    Schütte: Das Speditionsgewerbe sieht die Pläne kritisch. Was ist so schlimm, wenn die Fernfahrer mal auf die Bremse treten müssen?

    Grewer: Da ist überhaupt nichts Schlimmes dran. Uns ärgern diese so genannten Elefantenrennen auch. Und wenn an bestimmten Brennpunkten Überholverbotsschilder aufgestellt werden zu bestimmten Zeiten, dann ist das sicherlich vernünftig und in Ordnung. Aber ein generelles Überholverbot ist unsinnig und nach Meinung aller Stauexperten völlig kontraproduktiv.

    Schütte: Ein Fahrer liefert seine Waren möglicherweise wenige Minuten später ab. Warum soll das gleich die Preise für Verbraucher verteuern, wie es jetzt heißt?

    Grewer: Das verteuert die Preise überhaupt nicht. Davon ist auch so weit ich das gehört habe nicht die Rede. Sondern es steht ja zur Diskussion, dass die Maut in bestimmten Zeiten deutlich ansteigen soll. Das wird die Preise dann nachhaltig erhöhen, denn es sollen ja zu bestimmten Zeiten höhere Mauten dazu führen, dass eben keine LKW fahren. Nur der LKW-Fahrer und auch der Spediteur bestimmt doch die Termine nicht, sondern die Wirtschaft taktet diese Termine und bestimmt dann auch die Anlieferungszeiträume. Kein Mensch fährt freiwillig mit einem großen teuren LKW in einen Stau. Das ist Unfug!

    Schütte: Die Alternative für den Güterverkehr wäre runter von der Straße, rauf auf die Schiene. Liegt da nicht ohnehin die Zukunft?

    Grewer: Gutachten, die der Bundesminister selbst in Auftrag gegeben hat, belegen ganz eindrucksvoll, dass die Schiene bei optimaler finanzieller Ausstattung und bei hoher Performance in der Lage ist, maximal ein Fünftel des zu erwartenden Wachstums übernehmen kann. Da kann doch von Verlagerung keine Rede sein.

    Schütte: Nun soll ein Überholverbot den Verkehr sicherer machen und den Spritverbrauch senken durch weniger Staus. Das ist die Argumentation von Verkehrsminister Tiefensee. Wäre das nicht auch positiv für die Sicherheit der LKW-Fahrer selbst?

    Grewer: Ein generelles Überholverbot ist insofern unsinnig, weil sich dadurch dann eine LKW-Kolonne bilden würde, die in sehr großer Eintönigkeit daherfahren würde. Das belegen auch Gutachten, dass das der Sicherheit nicht förderlich sein würde, dass die Sicherheit nicht nach vorne getragen würde. Wenn man wie gesagt punktuell Überholverbote macht, dann ist das sehr sinnvoll. Nur eines muss man natürlich wissen: Wenn ich Überholverbote anordne, dann muss ich auch sehen, dass sie umgesetzt werden und wir haben heute schon an Brennpunkten Überholverbote für LKW und wenn man mal sieht, wie diese zum Teil eingehalten werden, vor allen Dingen, dass überhaupt keine Ahndung erfolgt, dann sind solche Dinge sinnlos.

    Schütte: Sie haben das Stichwort Eintönigkeit gerade gebracht. Das heißt LKW sollen überholen, damit sich die Fahrer nicht so langweilen und aufmerksam bleiben.

    Grewer: Nein, nein. Das ist so generell auch nicht richtig. Nur ich kann nicht einsehen, warum ein LKW zum Beispiel nachts hinter einem langsamen Kollegen bergauf bleiben soll, wenn er zügig überholen kann. Es geht doch hier darum, dass die Differenzgeschwindigkeit beim Überholen signifikant sein muss. Da haben wir doch heute schon genügend Möglichkeiten, solche Elefantenrennen zu ahnden. Es ist eine Höchstgeschwindigkeit von 80 Stundenkilometer erlaubt und wenn jemand mit 90 überholt, dann handelt der illegal. Überholt er nur mit zwei, drei Stundenkilometer Differenz, ist es ebenfalls illegal, weil eben keine signifikante Differenz festzustellen ist. Nur solche Dinge muss ich ahnden. Sonst kann ich es überhaupt nicht in den Griff kriegen.

    Schütte: Das heißt was ist jetzt konkret zu tun, um die Situation auf deutschen Straßen zu verbessern?

    Grewer: Es kommt in allen Plänen, die vom Verkehrsministerium kommen, eines nicht vor. Das ist Ausbau der Infrastruktur. Wir fahren diese Infrastruktur seit Jahren, ohne sie zu verändern. Bei wachsendem Verkehr muss doch auch eine Infrastruktur dieser Tatsache Rechnung tragen. Es kommt in keinem Programm vor, dass die Infrastruktur signifikant ausgebaut werden sollte. Da sind wir natürlich nicht blauäugig und sagen, wir müssen jetzt alles mit Straßen zupflastern, sondern es geht lediglich darum, einige Flaschenhälse sozusagen zu entschärfen und infrastrukturell wieder vernünftig zu machen.

    Schütte: Mehr Investitionen, das könnte sich ja auch finanzieren lassen durch mehr Maut, die die LKW zahlen müssten.

    Grewer: Ach wissen Sie, wenn die Maut, die heute schon gezahlt wird, auch wirklich eins zu eins in die Infrastruktur fließen würde, dann wäre ja schon viel gewonnen. Aber wir haben ein Mautaufkommen von über drei Milliarden Euro und die Investitionen in die Infrastruktur sind deutlich weniger als vor Maut. Das ist doch das eigentliche Problem. Wir können die Maut so viel erhöhen wie wir wollen; wenn sie nicht in die Infrastruktur fließt, bringt es doch gar nichts.

    Schütte: Hermann Grewer, Präsident des Bundesverbands Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung. Vielen Dank für das Gespräch!