"Die Züge seines Gesichts waren äußerst ebenmäßig, seine Stirn hoch, heiter, voll edlen Glanzes, die Augen wie Saphire, lustig, klar und höflich gleichzeitig, das Lächeln der Güte auf dem schönen Mund."
So beschreibt um 1810 der polnische Fürst Stanislaw Choloniewski einen Zeitgenossen, der sich in Europa damals einen Namen als Völkerkundler, Sprachwissenschaftler, Mythensammler, Historiker und Romancier macht: Jan Nepomucen Graf Potocki, der am 8. März 1761 in Pików im damals polnischen Podolien, einer Landschaft in der heutigen Ukraine, geboren wird.
Potocki ist Spross einer der reichsten und bekanntesten adligen Familien Polens. Er wird in Genf und Lausanne erzogen, spricht und schreibt lieber und besser Französisch als Polnisch und beginnt nach seiner Ausbildung als Armee-Ingenieur in Wien ein unstetes Leben als Reisender und Privatgelehrter.
"Sein Vermögen versetzte ihn in die Lage, fast alle Länder zu besuchen, die an das mittelländische Meer grenzen",
berichtet der deutsche Orientalist und Sinologe Heinrich Julius Klaproth 1829:
"1778 und 1779 besuchte er Italien, Sizilien, Spanien, Marokko und Tunis. Er reiste zu Schiff nach Ägypten; er besuchte Kairo und die Pyramiden zu Gizeh."
In Marokko sucht Potocki erfolglos ein Original-Manuskript von "Tausendundeiner Nacht", und in Konstantinopel findet er seinen Diener Ibrahim, der ihm seither überall hin folgt. Im vorrevolutionären Paris schließt er sich freiheitlichen und spirituellen Kreisen an.
"Der allgemeine Zustand Europas ließ stürmische Tage erwarten",
schreibt er später über diese Zeit. 1788 zieht er nach Warschau, wo er eine Druckerei mit dem Namen "Freiheit" gründet und ein Jahr später zum ersten Ballonflug in Polen aufsteigt. Er sitzt im polnischen Reichstag, zieht sich jedoch nach der zweiten polnischen Teilung 1793 aus dem öffentlichen Leben zurück und widmet sich vorwiegend der Wissenschaft.
Sein Thema: Die Geschichte der slawischen Völker. Er schreibt eine "Ursprüngliche Geschichte der Völker Russlands" - ein Werk, das von der akademischen Kritik verrissen wird. Zu Unrecht. Potocki ist ein ernsthafter, ein besessener Forscher - sein Reisegefährte Friedrich Wiegel notiert:
"Immer war er in seiner Wissenschaft versenkt, er schützte sich durch sie vor unseren Klatschereien, auch wenn er unter uns weilte."
Heute sind Potockis wissenschaftliche Werke vergessen. Anders sein Roman "Die Handschrift von Saragossa", die Geschichte eines jungen Mannes, der durch die Sierra Morena in Spanien streift und auf zwei schöne Frauen trifft, die ihn - Traum oder Realität - verführen. Am nächsten Morgen findet er sich unter einem Galgen liegend wieder - in Umarmung mit zwei grässlich entstellten Leichen. So beginnt eine 66 Tage andauernde Reise, in der er auf zahlreiche seltsame Personen trifft, die ihm ihre Vergangenheit erzählen - es sind Geschichten, die kunstvoll auf bis zu sechs verschiedenen Erzählebenen miteinander verwoben werden und so einen wunderlich verschachtelten Schauerroman bilden, eine Abenteuergeschichte voller theologischer und moralischer Diskussionen, voller Esoterik und Okkultismus, aber auch vampirischer Erotik. Es ist, wie der Filmregisseur Dominik Graf einmal schrieb,
"eine Irrfahrt durch zahlreiche tragische und absurde Schicksale, die sich vom antiken Ägypten über das maurische Spanien, die Reconquista und Südamerika bis ins 19. Jahrhundert erstrecken."
Veröffentlicht wird zu Potockis Lebzeiten allerdings nur wenig. Einige Kapitel seines Werks druckt er selbst, einige sendet er nach Paris, wo sie 1814 verlegt werden. Potocki selbst zieht sich ab 1812 auf sein Landgut zurück. Die wenigen Besucher verschreckt er mit seiner Wunderlichkeit. So berichtet sein früherer Reisegefährte Wiegel:
"Manchmal hatte er aus Zeitmangel nicht die Möglichkeit, sich die Haare schneiden zu lassen, und jene wehten ihm bis auf die Schultern, bis er irgendwann, ungeduldig geworden, selbst zur Schere griff und sich blind die Haare auf dem Kopfe schnitt."
Viele Beobachter beschreiben Potocki in den letzten Lebensjahren als verwirrt und melancholisch - damals ein Ausdruck für depressiv. Vermutlich am 2. Dezember 1815 nimmt sich Potocki das Leben. Er bricht eine Silberkugel vom Deckel einer Zuckerdose ab, lässt sie vom Priester segnen, feilt sie in mehrtägiger Arbeit so zu, dass sie in den Lauf seiner Pistole passt und erschießt sich. Ein Selbstmord als Ritual - mit Silberkugeln tötet man Vampire oder Werwölfe. Wollte Potocki sich von den eigenen Dämonen erlösen?
So beschreibt um 1810 der polnische Fürst Stanislaw Choloniewski einen Zeitgenossen, der sich in Europa damals einen Namen als Völkerkundler, Sprachwissenschaftler, Mythensammler, Historiker und Romancier macht: Jan Nepomucen Graf Potocki, der am 8. März 1761 in Pików im damals polnischen Podolien, einer Landschaft in der heutigen Ukraine, geboren wird.
Potocki ist Spross einer der reichsten und bekanntesten adligen Familien Polens. Er wird in Genf und Lausanne erzogen, spricht und schreibt lieber und besser Französisch als Polnisch und beginnt nach seiner Ausbildung als Armee-Ingenieur in Wien ein unstetes Leben als Reisender und Privatgelehrter.
"Sein Vermögen versetzte ihn in die Lage, fast alle Länder zu besuchen, die an das mittelländische Meer grenzen",
berichtet der deutsche Orientalist und Sinologe Heinrich Julius Klaproth 1829:
"1778 und 1779 besuchte er Italien, Sizilien, Spanien, Marokko und Tunis. Er reiste zu Schiff nach Ägypten; er besuchte Kairo und die Pyramiden zu Gizeh."
In Marokko sucht Potocki erfolglos ein Original-Manuskript von "Tausendundeiner Nacht", und in Konstantinopel findet er seinen Diener Ibrahim, der ihm seither überall hin folgt. Im vorrevolutionären Paris schließt er sich freiheitlichen und spirituellen Kreisen an.
"Der allgemeine Zustand Europas ließ stürmische Tage erwarten",
schreibt er später über diese Zeit. 1788 zieht er nach Warschau, wo er eine Druckerei mit dem Namen "Freiheit" gründet und ein Jahr später zum ersten Ballonflug in Polen aufsteigt. Er sitzt im polnischen Reichstag, zieht sich jedoch nach der zweiten polnischen Teilung 1793 aus dem öffentlichen Leben zurück und widmet sich vorwiegend der Wissenschaft.
Sein Thema: Die Geschichte der slawischen Völker. Er schreibt eine "Ursprüngliche Geschichte der Völker Russlands" - ein Werk, das von der akademischen Kritik verrissen wird. Zu Unrecht. Potocki ist ein ernsthafter, ein besessener Forscher - sein Reisegefährte Friedrich Wiegel notiert:
"Immer war er in seiner Wissenschaft versenkt, er schützte sich durch sie vor unseren Klatschereien, auch wenn er unter uns weilte."
Heute sind Potockis wissenschaftliche Werke vergessen. Anders sein Roman "Die Handschrift von Saragossa", die Geschichte eines jungen Mannes, der durch die Sierra Morena in Spanien streift und auf zwei schöne Frauen trifft, die ihn - Traum oder Realität - verführen. Am nächsten Morgen findet er sich unter einem Galgen liegend wieder - in Umarmung mit zwei grässlich entstellten Leichen. So beginnt eine 66 Tage andauernde Reise, in der er auf zahlreiche seltsame Personen trifft, die ihm ihre Vergangenheit erzählen - es sind Geschichten, die kunstvoll auf bis zu sechs verschiedenen Erzählebenen miteinander verwoben werden und so einen wunderlich verschachtelten Schauerroman bilden, eine Abenteuergeschichte voller theologischer und moralischer Diskussionen, voller Esoterik und Okkultismus, aber auch vampirischer Erotik. Es ist, wie der Filmregisseur Dominik Graf einmal schrieb,
"eine Irrfahrt durch zahlreiche tragische und absurde Schicksale, die sich vom antiken Ägypten über das maurische Spanien, die Reconquista und Südamerika bis ins 19. Jahrhundert erstrecken."
Veröffentlicht wird zu Potockis Lebzeiten allerdings nur wenig. Einige Kapitel seines Werks druckt er selbst, einige sendet er nach Paris, wo sie 1814 verlegt werden. Potocki selbst zieht sich ab 1812 auf sein Landgut zurück. Die wenigen Besucher verschreckt er mit seiner Wunderlichkeit. So berichtet sein früherer Reisegefährte Wiegel:
"Manchmal hatte er aus Zeitmangel nicht die Möglichkeit, sich die Haare schneiden zu lassen, und jene wehten ihm bis auf die Schultern, bis er irgendwann, ungeduldig geworden, selbst zur Schere griff und sich blind die Haare auf dem Kopfe schnitt."
Viele Beobachter beschreiben Potocki in den letzten Lebensjahren als verwirrt und melancholisch - damals ein Ausdruck für depressiv. Vermutlich am 2. Dezember 1815 nimmt sich Potocki das Leben. Er bricht eine Silberkugel vom Deckel einer Zuckerdose ab, lässt sie vom Priester segnen, feilt sie in mehrtägiger Arbeit so zu, dass sie in den Lauf seiner Pistole passt und erschießt sich. Ein Selbstmord als Ritual - mit Silberkugeln tötet man Vampire oder Werwölfe. Wollte Potocki sich von den eigenen Dämonen erlösen?